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Ausgabe:

1881 Nr. 1

Spalte:

331-332

Autor/Hrsg.:

Rougemont, F. von

Titel/Untertitel:

Man muss wählen. Vertheidigung des Christenthums gegen den Deismus und Materialismus 1881

Rezensent:

Thoenes, Karl

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 14.

332

und geräufchlos, weil zugleich doch auch etwas verfchämt,
bei Seite fchafft.'

In welcher Art er dies Unternehmen ausführt, mögen
folgende Sätze der ,kurzen Inhaltsangabe' zeigen: ,So
wie der chriftliche Theologe nur einen Gott in drei Per-
fonen und Functionen, die eine Perfon als den Schöpfer,
die zweite als den Heiliger, die dritte als den Erlöfer
kennt, eben fo mufs der Diafophe die gefammte Zahlenwelt
als eines Geiftes, eines Wefens von Ewigkeit her
unwandelbar und doch in 3 grofsen Zahlenreichen, und
Defilees nicht nur in Functionen, Proceffen, fondern auch
in wirklichen Functionsabfchlüffen, gleichfam Perfönlich-
keiten betrachten, die doch nur, felbft mathematifch,
wieder nur Eines find, alfo dreieinig, wobei die Artionreihe
theoretifch dem Gottbegriffe aufser der Natur, dem j
Heiligen Geifte entfpricht und wenn diefer Heilige Geift
befchliefst, in Aeren pfychogenetifcher und phyfio-
genetifcher Evolutionen und Aeren fich zu offenbaren,
den Erlöfer zur Zeit des freiheitlichen anticipatorifchen
Integrirens fendet, hierdurch die zweite göttliche Perfon, j
der Sohn erfcheint, während in Gott dem Vater, dem
Schöpfer, beide erfteren fich vereinigen. Die Kirche |
ftimmt bei, dafs es eine Zeit gab, wo es keine Natur,
keine Menfchen und explicite keinen Gottesfohn gab,
fondern dafs der Gottesfohn, Natur, Menfchen und explicite
erft nach dem Rathfchluffe des Ewigen gegenüber
dem Ureinzigen (agrinv) eine individuell — zahlreiche
Welt von Wefen, Natur und Menfchen, d.h. von affymptot
ftrebenden Ebenbildern mit ihren Geifteserftlingen ent-
ftand, deren Diaperitton, ihr Erlöfer, Integrator und in
Gefammtnöthen Anticipator am Ende der Siebner-Aera
erfchien,' um die alte Errungenfchafts-Aera der Selbft-
ftreber zu fichten und die Zwölfer-Aera ftrenge einzuleiten.'

Dr. Rei fagt felbft: ,Nicht jeder Lefer kann aber
auch diefe Schrift gleich verftehen.' Wir ftimmen ihm zu
und glauben fogar, dafs diefelbe von Keinem, nicht einmal
von ihm felbft, verftanden wird und vielleicht, um
Verftändnifs zu finden, ein ganzes Jahrtaufend zu früh
ans Licht gekommen ift.

Lennep. Lic. Dr. Thönes.

Rougemont, F. von, Man muss wählen. Vertheidigung
des Chriftenthums gegen den Deismus und Materialismus
. Aus dem Franzöfifchen überfetzt von M. F.
Hamburg 1881, Agentur des Rauhen Haufes. (XVI,
248 S. 8.) M. 3. —; geb. M. 4. —

v. Rougemont (f 1876) ift befonders durch feine
Schrift: ,Chriftus und feine Zeugen' u. f. w. der deutfchen
theologifchen Welt fchon länger bekannt. Von den 5
Vorträgen, die unter dem Titel: ,Man mufs wählen' zu-
fammengefafst find, fagt ein denselben vorangefchicktes
Vorwort des Ueberfetzers, dafs Rougemont diefelben
theils in Genf, theils in St. Imier gehalten. An erfterem
Orte habe er den Deismus, an letzterem den Materialismus
bekämpft.

Gegen den Deismus find die vier erften Vorträge
gerichtet. Rougemont fucht zu zeigen, dafs der Gott der
Deiften nichts weiter fei als der Gott der Offenbarung,
eines Theils feiner Attribute beraubt und auf den Stand
eines begrenzten Wiffens befchränkt (S. 18). Ueberdies
fei der deiftifche Gottesbegriff inconfequent. Man fträube
fich den Gedanken von Gott zu vermenfchlichen; aber
dennoch fage man, Gott fei Urfache, wie man es vom
Menfchen fage, Gott habe Intelligenz, wie der Menfch
fie befitze (S. 46). Es fei ferner inconfequent, Gottes
abfolute Vollkommenheit in feiner Unveränderlichkeit zu
finden und ihn doch zum Schöpfer der Welt zu machen
(S. 51 ff.), wie es auch ein Widerfpruch fei, ihn dem
gegenwärtigen Weltlauf ruhig zufchauen und doch zugleich
das letzte Gericht halten zu laffen (S. 105). Dem
gegenüber Hellt Rougemont Gott dar als den lebendig

Wirkenden. Bei der Schöpfung habe er fich offenbart
als der ewige ,Poet', und das Weltall fei die ,At]ialiel
Gottes (S. 16 u. 68). Ebenfo werde die Welt durch
Gottes Macht, Weisheit und Liebe erhalten und vollendet
. ,Nach Plerrn J. Simon war die Schöpfung in ihrer
erften Minute vollftändig und hatte bei ihrer Geburt alles in

fich, was die,Jahrhunderte entwickelt haben....., aber

wenn wir im Lichte Gottes das Weltall betrachten, fo ift
diefes nicht mehr als eine Lampe, deren Flamme einen
Augenblick flackert und beim nächften Windhauche aus-
löfchen kann; es hängt über dem Nichts an einem Seidenfaden
, gehalten von dem Willen Gottes' (S. 74. 75).

Wie es der Gegenftand mit fich bringen mufste,
kommt der Redner wiederholt auf das Uebernatürliche
zu fprechen; der 3. und 4. Vortrag behandeln dies Thema
ganz ausfchliefslich. Im Allgemeinen ift Rougemont's
Standpunkt der Wunderfrage gegenüber derfelbe, wie
der, den Rothe in feiner Schrift: ,Zur Dogmatik' als den
feinigen bekannt hat. Auch Rougemont fagt, dafs das
Wunder von der Offenbarung ebenfo wenig zu trennen
fei, wie das Licht von der Sonne, oder die Hitze vom
Feuer. ,Das Wunder ift der unterfcheidende Charakter,
an dem man erkennt, dafs gewiffe hiftorifcheErfcheinungen
Offenbarungen Gottes find' (S. 129). Neben dem Bereiche
des Nothwendigen gebe es auch ein Bereich des Zufälligen
und Möglichen, in welches z. B die atmofphärifchen Er-
fcheinungen, wie Regen, Schneefälle, Stürme u. f. w. hineingehörten
, ebenfo wie die phyfifchen Unordnungen aller
Art, welche der Menfch durch feinen freien Willen und
feine Sünde hervorrufe (S. 79. 80). Aus diefem Gebiete
des Zufälligen, welches von Rothe fehr paffend ,das Bereich
, das Gott fich vorbehalten' genannt werde, nehme
Gott die Ruthen, um die Böfen zu züchtigen und die
Frommen zu fegnen (S. 81). — Ganz anders aber, als
Rothe, fleht Rougemont der Schrift gegenüber. ,Wie in
der Gefchichte der Erde alle Reiche,Klaffen und Gattungen
der Pflanzen und der Thiere nach einem Plan auf einander
folgten, deren Schlufs der Menfch war, ebenfo
bilden die Eingriffe Gottes in die Gefchichte des Menfchen
, wie die Bibel fie uns erzählt, eine fortfehreitende
und regelmäfsige Reihe, die mit dem Gottmenfchen
fchliefst. Die Reihenfolge wäre unterbrochen, wenn diefes
oder jenes Buch unauthentifch oder legendenhaft wäre,
während Authenticität und die Wahrhaftigkeit aller durch
den nothwendigen Platz, den jedes einzelne in dem Ganzen
einnimmt, garantirt ifl' (S. 1.39). Ein Refultat feiner
Studien über die Offenbarung Johannis und die Propheten
ift es wohl, das Rougemont mit dem Jahre 2000
unterer Zeitrechnung die Wiederkunft Chrifli erwartet
(S. 160), und die zerftreuten Juden in 40 bis 50 Jahren
in ihr Vaterland zurückkehren fieht (S. 172).

Aus dem Mitgetheilten ift wohl erfichtlich, dafs
durch die Schrift Rougemont's den Lefern der in den
letzten Jahrzehnten erfchienenen deutfchen apologetifchen
Arbeiten inhaltlich nicht gerade Neues geboten wird.
Am bellen ift dem Verfaffer die Apologie gegen den
Materialismus im 5- Vortrage gelungen. Die Form der
Darfteilung ift frifch und mitunter fchwungvoll (vgl. z. B.
S. 58. 96 97,:, wie fich denn in diefer Beziehung die Arbeiten
franzöfifcher Schriftfteller von denen deutfeher
recht oft vortheilhaft unterfcheiden. — Von Druckfehlern
erwähnen wir ,Socinius' ftatt Socinus (S. 24), ,Studiam'
ftatt ,Studium' (S. 67), ,Epimenidas' ftatt ,Epimenides'
(S. 141), ,fchöpfend' ftatt ,fchaffend' (S. 155), ,Golbe'
ftatt ,Czolbe' 'S. 221); auch der Materialift ,Büchner'
wird immer ,Buchner' genannt (S. 198 u. fonft).

Lennep. Lic. Dr. Thönes.