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Ausgabe:

1881 Nr. 14

Spalte:

325-326

Autor/Hrsg.:

Goldziher, Ignace

Titel/Untertitel:

Le culte de saints chez les Musulmans 1881

Rezensent:

Socin, Albert

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 14.

326

für Callift voreingenommen ift und die proceflüalifche I men, und, falls diefer Ausdruck nicht zu ftark ift fich
Methode der hiftorifchen Unterfuchung über die Lücken affimilirt hat. Die fehr intereffanten Belege für diefes
und offenbaren Fehler der Beweisführung einen täufchen- i Fortwuchern alter Cultusformen, von denen der Verfaffer
den Schleier breitet. Jungmann kommt zu dem Reful- das Feft in Tanta (Bubaftis), den eigenthümlichen Schlan-
täte, dafs Hippolyt unmöglich der Verfaffer der Philo- ' gencultus in Egypten und anderes hervorhebt, hätten
fophumena fein könne — die inneren Gründe überwiegen J Mark vermehrt werden können; überhaupt dürfte hier
freilich: Hippolyt ift der heilige Hippolyt —.vielmehr [ noch viel Detailforfchung eintreten. Immerhin ift die
fei es höchft wahrfcheinlich Tertullian, vielleicht ein ( Skizze, welche Herr Goldziher geliefert hat, mit Dank
völlig Unbekannter. Die Hypothefe, welche Tertullian 1 entgegenzunehmen; der Verfaffer zeigt auch hier wieder

als Verf. bezeichnet, ift nicht neu: Ja 1 labert, Cruice,
Dumont, de Roffi, Fabiani u. A. find ihr gefolgt.
Dafs fie falfch ift, darüber follte kein Streit fein. Die
Montaniftcn ftehcn im Ketzerkatalog der Philofophumena

feine grofse Belefenheit, befonders auf dem Gebiete mus-
limifcher Theologie. Die Mängel des franzöfifchen Stils,
an welchen die ganze Arbeit leidet, fallen nicht dem
Verfaffer zur Laft; die Schwierigkeit, eine deutfeh ge-

Diefe ejne Thatfache genügt und alle Verfuche, das Ge- dachte und gefchriebene Studie, bei welcher es auf feine

wicht derfelben bei Seite zu fchaffen, müffen fehlfchla
gen. Aber die Wahrheit hat die Hypothefe, dafs ein
fehr enger Zufammenhang zwifchen Tertullian's fpäteren
Schriften und den Philofophumenen in der That befteht.
Jung mann hat darüber einige Nachweife gegeben, von
denen .zwei (f. namentlich adv. Prax. 27 und Pidlos IX,
12) dem Ref. neu waren, die aber lange nicht erfchöpf-
end find. Gerade die frappanteften Beziehungen in
Bezug auf Axionikus, Apellcs, Hermogenes hat Jungmann
überfehen (f. meine Bemerkungen in der Ztfchr

Unterfcheidungen ankommt, in's Franzöfifche zu überfetzen
, find bekanntlich beinahe unüberwindlich.
Tübingen. A. So ein.

Roget, Amedee, Histoire du peuple de Geneve depuis la
Reforme jusqu'ä l'Escalade. Tome VI. 1. livr. Geneve
1880, Jullien. {172 S. 8.)

Wie in den früheren Bänden diefes Gefchichtswerks,
fo fleht auch in diefem fechften Calvin's Perfönlichkeit
f. d. hift. Thcol. 1874, S. 202—211 und De Apellis gnosi j und reformatorifches Wirken durchaus im Vordergrund,

p. 42—49). Gewifs im Rechte ift Jungmann, wenn er j fo dafs es wohl am Platze ift, auch einen vorwiegend
die Schrift Tertullian's de pudicitia auf Callift bezieht und , theologifchen Leferkreis auf dasfelbe aufmerkfam zu
nicht auf Zephyrin. Die Stelle c. 12 kann möglicher- machen und an feinen Werth für das Veritändnifs diefes
weife geradezu eine Verfpottung des Bifchofs enthalten: Reformators und zwar hier insbefondere feiner Bezieh-
,Alii cid metalla confugiunt, et inde conniinnicatores rever- i ungen zu dem franzöfifchen Proteftantismus zu erinnern.
titulier, ubi jam alind viartyriiiin necessariiiin est delictis j Die uns vorliegende erfte Lieferung, die Jahre 1560 und 1561
post iiiartyrimii novis. Quis martyr sacadi incola, dcnariis umfaffend, enthält nämlich faft mehr noch als die Ge-
supplex, viedico obnoxius et foeneratonV Um die Frage > fchichte von Genf diejenige der proteftantifchen Kirche
nach dem Urfprung der Philofophumena endgültig zu von Frankreich während diefer Zeit, für deren fort-
löfen, ift vor allem eine Unterfuchung über ihr Verhält- ; dauernd enge Verbindung mit Genf es ja fchon bezeich-
nifs zu Irenäus, Tertullian und dem unbezwcifelten Hip- | nend genug ift, dafs der Verf. fie faft ganz im Anfchlufs
polyt erforderlich. Sie ift bisher nicht vollftändig geliefert, an den Calvin'fchen Briefwechfel darfteilen konnte. Die
Dafs aber das Urtheil über dfe Perfon des Verfaffers I politifchen Verlegenheiten derStadt von Seiten Savoyens
anders ausfallen wird als: entweder Hippolyt oder ein Unbe- I und Frankreichs, die Lage der franzöfifchen proteftan-
kannter, ift nicht anzunehmen. Und für jenen fpricht [ tifchen Gemeinden und die Unterftützung, die fie durch
immerhin fehr Vieles. — Sehr ergötzlich ift es zu lefen, | den brieflichen Verkehr mit Calvin, die Reifen Beza's
wie Jungmann fich mit dem Bericht über die Gefchichte | nach Nerac und nach Poiffy und die Zufendung von
des Calliftus abfindet. Calliftus war allerdings Verwalter , zahlreichen Geiftlichen aus Genf empfangen, bilden neben
einer Wechfelbank; aber er hat nicht unredlich ge- einigen Notizen über deffen innere Gefchichte ihren haupthandelt
, fondern die verfchmitzten Juden haben ihn ge- j fächlichen Inhalt. Der Bruch Calvin's mit der deutfeh-
prellt. Als er nun feine Schuldner vor der Thür der [ lutherifchen Kirche ift, wie ja auch feine damals geSynagoge
mahnen wollte, verklagten fie ihn als Unruhe
ftifter. So kam er nach Sardinien.

Giefsen. Adolf Harnack.

fchriebene Antwort an Hefshus {Opp. VIII. p. 461 ss.)
conftatirt, endgültig vollzogen; felbft die Augsburger
Confeffion nennt er jetzt si maigrtment bastie, si »tolle et
si obscure qu'on ne s'y scaurait arrester (Roget p. 117 aus
J'P- 353°); um f° wärmer zeigt fich dagegen feine Theil-

Goldziher, Ignace, Le culte des saints chez les Musul-

mans (Separatabdruck aus der Revue de l'histoire nähme und um fo eingreifender feine Thätigkeit für den
des r'eliainns Premiere annee Tome IL No. 6, Nov. i lmmer wel^r um fich greifenden franzöfifchen Proteftan-
des rel.g.ons. Premieie annee. 10m t.smus, und wenn die Darfteilung von Roget, zumal nach

Dec. 1880, p: 257-351. ö.) der Herausgabe des Calvin'fchen Briefwcchfels, zu dem

Der Cultus von Heiligen fleht mit dem ftarren Ab- 1 Bekannten auch nichts wefentlich Neues hi'nzufücren
weifen aller Transcendenz, wie folches dem Islam, be- j konnte, fo wird man doch immer wieder gern zu efem
fonders in feiner urfprunglichen Form eigen war, in grofsartigen Bild diefer Thätigkeit fich zurückführen
fchroffem Widerfpruch. Nichtsdeftoweniger hat die vox laffen, wieder körperlich Gebrochene, von dem fein
popnli der Muslimen viele Individuen für heilige erklart, , Freund fchreibt, dafs fein Leben einem täglichen Sterben
und die Legenden über diefelben find, obwohl meift fehr | gleichzufetzen fei (p. 78), doch fort und fort mit unge-
profaifcher Natur, um fo mafslofer und übertriebener, brochener Liebe feiner Glaubensgenoffen fich annimmt
weil keine bildenden Künfte den Cultus unterftutzen. und mit ungebrochener geiftiger ICraft fie in ihren ver-
Auch trifft man öfter bei diefen Legenden auf grofse wickelten Pflichtverhältnifsen zurechtzuweifen und durch
Selbftverherrlichung muslimifcher Heiliger. Die Wunder- die fehwierigften Lagen ebenfo muthig wie befonnen
thätigkeit der Heiligen, an die übrigens mit verfchwin- . hindurchzuleiten verlieht. Intercffant ift Roget's Urtheil,
dender Oppofition alle, ja fogar Gcfchichtsphilofophen in wie weit Calvin an den politifch-militärifchen Plänen der
wie Ibn Chaldiin glauben, erftreckt fich über den Tod 1 Hugenotten betheiligt war. Es fleht ihm feft, dafs er
hinaus, daher die Bewallfahrung der Gräber. Sogar die Verfchwörung von Amboise, in deren Gehcimnifs er
weibliche Heilige hat es zu allen Zeiten im Islam ge- } hineingezogen worden war, nicht blofs entfehieden mifs-
geben. Im Ganzen freilich find die echt muslimifchen billigte, fondern auch nach Kräften zu verhindern fuchte
Herocngeftaltcn von viel geringerem Intercffe, als die ! (p..22 s.); aber feine nachträgliche Mifsbilligung bezieht
Ueberrefte früherer Culte, welche der Islam übemom- ! fich doch weniger auf den Plan einer bewaffneten Schild-