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Ausgabe:

1881 Nr. 13

Spalte:

306-312

Autor/Hrsg.:

Kaftan, Julius

Titel/Untertitel:

Das Wesen der christlichen Religion 1881

Rezensent:

Ritschl, Albrecht

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 13. 306

überliefert. Der Verfaffer dieler ^Historia1 war als Altgläubiger
diefen reformator. Bewegungen abhold, hat fich
aber fichtlich bemüht, treu und mafsvoll zu referiren, fo
dafs feine Aufzeichnungen den Werth zuverläffiger Be-
richterftattung beanfpruchen dürfen. Zwar nicht das
Originalmanufcript, aber doch eine Abfchrift refp. Ueber-
tragung desfelben aus dem Niederdeutfchen ins Hoch-
deutfche vom J. 1601 befindet fich auf der Magdeb.
Stadtbibliothek; die Urkunde ift von früheren Bearbeitern
der Magdeb. Stadt- und Reformationsgefchichte
fchon fleifsig benutzt worden, gleichwohl ift es dankens-
werth, dafs Dr. Hertel, erfter Secretär des Magdeb. Ge-
fchichtsvereins, jetzt für einen Abdruck des wichtigen
Schriftltücks Sorge getragen hat. Es ift zunächft nur die
erfte (und kleinere; Hälfte, welche in diefem Gymnafial-
programm gedruckt vorliegt; hoffentlich läfst er das Ueb-
rige bald nachfolgen. Der Herausgeber hat dem Abdruck
einige einleitende Capitel (.Anfang der Reformation
', ,die Anfänge der Reform, in Magdeburg', .Sebaftian
Langhans und fein Werk') vorangefchickt, auch den
ä ^^wohTau^'d« Penfill Statius Quadrates 1 Text mit zahlreichen erläuternden Anmerkungen ausge-
als Richter Polykarp's nunmehr gefiebert erfcheinen. Mattet. Der Abfchnitt über die Anfange der Reform.

wechfelnd in den grofsen Städten Kleinafiens, aufser
Ephefos auch in Pergamon, Smyrna, Sardes, Kyzikos,
Philadelphia gehalten wurden, fo begreift fich, was mir
früher auffällig fchien, nämlich wie der Afiarch zur Zeit
des Martyriums Polykarp's nach Smyrna kommt (vgl.
Marquardt, Römifche Staatsverwaltung I, 374; voll-
ftändigere Nachweife fiehe bei Becker-Marquardt, Handb.
d. Rom. Alterthümer III, 1, 272 fg.). Zugleich erklärt
fich fo die Anwefenheit des Proconfuls und die Feier
der vorhergegangenen Feftfpiele. Nach c. 9, 2 foll Polykarp
bei (dem Kaifer und bei) der tvm des Kaifers fchwö-
ren, d. h. er foll fich an dem Kaifercultus betheiligen,
der damals begangen wurde. Ich mufs es Kundigeren
ubcrlaffen, die Jahreszeit zu ermitteln, in welcher die
Landtagsfitzungen, alfo auch die zu Ehren der Kaifer-
gottheit veranitalteten Feftfpiele ftattfanden. Wüfsten
wir hierüber genaueren Befcheid, fo würde vielleicht auch
auf die Frage nach dem ,grofsen Sabbat' und dem 2.
Xanthikus ein neues Licht fallen. Aber fo gut wie Dralles
als Heimat jenes Afiarchen oder Oberpriefters Phi-

Dafs diefer aber kein anderer ift als L. Statius Quadraths
, der Conful des Jahres 142, wird trotz Wiefeler's be-
eifertem Widerfpruch wohl auch fernerhin feftftchen.
Dafs ein Statius Quadratus wirklich Proconful von Afien
war, kann nach der Infchrift von Magnefia Sipyli auch
Wiefeler nicht leugnen. Der Verfuch aber, auf Grund
einiger handfehriftlichen, handgreiflich aui —ratioe als ur-
fprüngliche Lesart zurückweifenden Verderbnifse den im
appendix genannten Quadratus von Statius Quadratus zu
unterfcheiden, ift doch wohl eben fo wenig ernft zu nehmen
, als die andere, vorläufig angedrohte Ausflucht, dafs
der Richter Polykarp's, wenn fchon Statius Quadratus

'" 1 1 117.

in Magdeburg giebt nur eine Zufammenltellung von bereits
Bekanntem; er ift im Wefentlichen ein Extract aus
Hoffmann, Gefch. der Stadt Magdeb. II S. 8 flg. Auf
S. 2 Rheinen die Worte Ablafs und Sündenvergebung
ohne nähere Einfchränkung als Synonyma gebraucht zu
fein; diefer Irrthum unferer populären Reformationsge-
fchichtserzählungen follte wohl ernftlich abgethan werden.
Hat doch fchon Luther felbft nachdrücklichft gegen diefe
Verwechslung Proteft erhoben, Til'chr. (Förftem.-Bindf.)
III 233. Auch das ift zu beanftanden, dafs Kurf. Friedrich
d. W. zu den begeifterten Vertheidigern und Anhängern
Luther's' gerechnet wird; wir bitten den Heraus-

doch nicht Lucius mit Vornamen geheifsen habe. War j geber, zu vergleichen, was Muther ,aus dem Univerfitäts

diefer Richter aber der Proconful L. Statius Quadratus,
der Conful von 142, fo ift fchon hierdurch die Mitte
des fechsten Decenniums für fein afiatifches Proconfulat
weit wahrfcheinlicher gemacht, als die Mitte oder gar
die zweite Hälfte des fiebenten. Dies gilt ganz abge-
fehen von der Chronologie in den heiligen Reden des
Ariftides. Mufs es nun aber, wie auch Reville anerkennt,

leben' (Erlangen 1866) S. 36. 37 über das Verhältnifs des
Kurfürften zur Reformation geurtheilt hat. Auch figurirt
bei Hertel wieder A. Proles als Vorbereiter der luth.
Reformation im Auguftinerorden; er hat leider Kolde"s
Schrift über die Augultinercongrcgation unbeachtet geladen
, die über das Verhältnifs jener Klofterreformatoren
des 15. Jahrhunderts zu der Reformation Luther's klares

bei Weitem das Wahrfcheinlichfte bleiben, dafs jener ; Licht verbreitet. Aus derfelben Schrift hätte er auch
'■■raiooQ des Ariftides der Proconful und Rhetor Quadra- ! Materialien über die evangelifch gefinnten Auguftiner
tus und nicht der pergamenifche Rufinus ift, fo fleht die Magdeburgs, Melch. Myritfch u. Joh. Vogt (Islebius) ent-
von Waddington begründete Chronologie nach wie vor nehmen können. Sehr richtig fetzt Hertel (S. 23 Anmerk.)

! Luther's Magdeburger Predigt auf den 26. Juni 1524; die
herkömmliche Datirung auf den 3. Juli ift nicht haltbar.
AuchSeidemann hatte fchon (in einer Recenfion im Sächf.

1 den allein entfeheidenden Hauptpunkten fett und es
lohnt nicht weiter, mit Wiefeler über Nebenpunkte zu
hadern, wie über die Möglichkeit der Bezeichnung des

Auguhtus des Orientes L. Verus, als neifa oder über die 1 Kirch.- u. Schulbl. 1873) diefelbe Correctur in Vorfchlag
Frage ob zwei Collegen im Confulat fich in der Ver- gebracht. Hertel erklärt den Verfaffer der ,Historia>
waltung der Provinz Afien haben ablöfen können. Nur Langhans für einen Thüringer; aber der von ihm dafür
beiläufig fei gegen Wiefeler angemerkt, dafs das Alter vorgebrachte Erweis aus gewiffen orthogr. Eigenthum
eines etwa bis zum dreifsigften Lebensjahr erttreckt hchkeiten des Manufcnpts ift doch fehr unheher, da wi

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zu werden pflegte {Iren Itaer. II, 24, 4 und dazu Dodwell
dissert. III tn Iren. Jj. 6 sag.) und dafs man nuidbg rjktxUt
doch unmöglich mit .Sohnesaltcr' oder ,Sohnesgröfse'
überfetzen kann.
Jena. Lipfius.

Hertel, Dr. Guit., Die ,Historia' des Möllenvoigtes Sebastian
Langhans, betreffend die Einführung der Reformation in
Magdeburg (1524). [Programm des Pädagogiums zum
Klofter Unfer Lieben Frauen in Magdeburg.] Magdeburg
1881, E. Baenfch jun. (26 S. 4.)

Der erzbifchöfliche Möllcnvoigt Langhans in Magdeburg
hat die Vorgänge vom Frühjahr 1524 bis zum 3.
Febr. 1525, durch welche die Bürgerfchaft jener Stadt
fich evang. Cultus erftritten, meift als Augenzeuge nieder-
gefchrieben und uns damit ein intereffantes Miniaturbild
von dem .Rumoren' des Evangeliums in jenen Tagen

wir

ja nicht das Original, auch nicht eine Abfchrift, fondern
nur eine Uebertragung ins Hochdeutfche vor uns haben.
Klemzig. Kawerau.

Kaftan, Prof. Lic. Dr. Jul., Das Wesen der christlichen Religion
. Bafel 1881, Bahnmaier. (XI, 467 S. gr.8.) M. 8. —

Das vorliegende Werk zerfällt in zwei Abfchnitte.
Unter dem Titel: die Religion flehen die 5 Capitel:
die Religion eine praktilchc Angelegenheit des menfeh-
lichcn Geittes; das höchfte Gut; der religiöfe Glaube;
Religion und Sittlichkeit; die Offenbarung. Unter dem
Titel: das Chriftcnthum flehen die 6 Capitel: das
Reich Gottes; die Verhöhnung; die Offenbarung Gottes
in Jefu Chriflo; Katholicismus und Proteftantismus; Gottesbegriff
und Weltanfchauung; die kirchliche Geftaltung
des Chriftenthums. Wie man fieht, bietet der erfte
Abfchnitt eine Religionsphilofophie, welche in der Be-
urthcilung aller Erfcheinungen von Religion die gemein-