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Ausgabe:

1881

Spalte:

300-302

Autor/Hrsg.:

Weiss, Hugo

Titel/Untertitel:

David und seine Zeit 1881

Rezensent:

Giesebrecht, Friedrich

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299

Theologifche Literaturzeitung. lÖSi. Nr. 13.

300

zu erreichen im Stande fein würde. Das Verhältnifs der
Annales zu der Revue ift ziemlich undeutlich. Eine re-
dactionelle Hinweifung darauf findet fich in diefen mir
vorliegenden Veröffentlichungen nicht.

Dagegen liegen zwei andere nicht recht überein-
ftimmende Aeufserungen vor. Zunächft erlaube ich mir,
eine folche aus einem gefälligen Schreiben des Mufeum-
directors, Herrn de Milloue, an die Redaction der
Theolog. Literaturzeitung mitzutheilen: ,Die Annales und
die Revue follen fich gegenfeitig ergänzen, die Annales
längere Abhandlungen bringen, die Revue die neuen Entdeckungen
mittheilen und befprechen und fich mit der
Polemik befaffen, welche in den Annales keine Stelle
findet'. (Man follte darnach meinen, dafs die Abhandlungen
auf beiden Seiten aus denfelben Wiffenfchafts-
gebieten zu nehmen wären.) ,Wir beabfichtigen (in den
Annales) fowohl Originalabhandlungen als auch franzö-
fifche Ueberfetzungen hervorragender Arbeiten von aus-
ländifchen Gelehrten zu veröffentlichen'. Es wird in
demfelben Briefe die Hoffnung ausgefprochen, für die
Annales auch die Mitarbeit deutfeher Forfcher zu gewinnen
.

Nach dem mir vorliegenden erften Bande und einer
Inhaltsankündigung für den zweiten und dritten Band,
deren baldiges Erfchcinen uns Ende Januar d. J. angekündigt
wurde, behandeln die Auffätze fowohl Gegen-
ftände der Religionsgefchichte, als fie auch der Erforfch-
ung des Orients abgefehen von feinen religiofen Zuftän-
den dienen. Es ift diefelbe Verquickung von Orient-
forfchung und Religionswiffenfchaft, welche der Anlage
des ganzen Inftituts zu Grunde liegt. Sie ift an und für
fich nicht gerade zu tadeln. Ref. glaubt aber doch, dafs
es im Intereffe diefes Unternehmens läge, beides reinlicher
zu fondern als es bisher gefchehen, nicht mehr
Berichte über Handelsanknüpfungen im heutigen Orient
u. dgl. durcheinander gehen zu laffen mit Abhandlungen
über antike Gottheiten (bisher nur eine). Es könnten
diefe Veröffentlichungen etwa in zwei Sectionen zerfallen,
die eine für Religionsgefchichte, die andere für Kennt-
nifsnahme der alten und modernen orientalifchen Zu-
ftände im Allgemeinen. — Eine gelegentliche Bemerkung
indeffen weift uns darauf hin, dafs die Annales eigentlich
nur einem diefer beiden Zwecke beftimmt find. In
einer Abhandlung über den Venusmythos S. 18 lefen
wir : ,Der orientalifche Urfprung der Venus fchien genügende
Rechtfertigung für die Aufnahme diefes Artikels
in eine Zeitfchrift, welche fich fpeciell mit den Sprachen
, Ideen und Angelegenheiten des Orients
befchäftigen foll'. An diefem Princip wäre feftzuhalten.
Es ftimmen aber damit jene Mittheilungen über die Annales
nicht ganz. — Da die Annales vermuthlich bis jetzt
wenigen deutfehen Lefern zugekommen find und der
ausdrücklich kund gegebene Wunfeh vorliegt, ein internationales
Organ zu fchaffen, theile ich das Inhaltsver-
zeichnifs des erften Bandes mit: Bericht an den Minifter
des öffentlichen Unterrichtes über die wiffenfehaftliche
Miffion des Herrn Emile Guimet in den äufserften Orient
S. I. Das Mandara S. 13. Hignard, Der Venusmythos
S. 17. Chabas, Ueber den Gebrauch des Stabes bei den
Hebräern und im alten Aegypten S. 35. Naville, Ein
ägyptifches Oftrakon S. 51. Lefebure, Die den Aegyp-
tern bekannten Volksftämme S. 61. Schilderung des
Kali-Yug oder Eifenzeitalters von Vifchnu-Das. Poft-
hume Ueberfetzung aus dem Hindi von Garcin de Taffy
S. 77. Regnaud, Das fiebzehnte Capitel des Bhäratiya-
Nätya-Cäftra S. 85. Regnaud, Der brahmanifche Peffi-
mismus S. 101. Alwis, Befuche der Buddhas auf der
Infel Lanka. Aus dem Englifchen S. 117. Dupuis, Reife
nach Yün-nan und htrfchliefsung des Rothen Fluffes für
den Handel S. 139. Eitel, Feng-Schui oder naturwiffen-
fchaftliche Grundfätze in China. Aus dem Englifchen
ü. 203. Philaftre, Chinefifche Elxegefe S. 255. Schidda.
Erklärung der alten Sanfkritbuchftaben in Japan. Ueber-

fetzt von Ymaizoumi und Yamata S. 319. Conferenz
der franzöfifchen wiffenfehaftlichen Expedition und der
Priefter von der Secte Sin-Siu. Ueberfetzt aus dem Ja-
panifchen S. 335. Zufammenfaffende Antworten der
Priefter von der Secte Sin-Siu. Ueberfetzt von Tomii
S. 365. Mittheilungen über die orientalifchen Vorlefun-
gen in Lyon (Hebräifch, Sanfkrit, Aegyptifch, Japanifch)
S 375-

Nur zu der Abhandlung über den Venusmythos,
eine im Allgemeinen die älteren Forfchungen nicht unrichtig
zufammenfaffende Darftellung in gefälliger Form,
habe ich wenige Bemerkungen zu machen. Dafs der
Name Aphrodite femitifch fei (S. 18) wird fich fchwer-
lich erweifen laffen; jedenfalls liegt nicht ein überhaupt
nicht vorkommender chaldäifch - phönieifcher Name der
Taube phrit oder phrüt zu Grunde (S. 23). Der lateinifche
Name Frutis (S. 24) hilft nicht; ob er Verftümmelung
ift von 'AcpQoöktj (was am wahrfcheinlichften) oder woher
fonft er kommt, ift ganz dunkel. Der Verf. giebt jene
Etymologie als von Roth bei Preller. Die Stelle bei
Preller habe ich nicht finden können; Roth aber, den
zu citiren immer compromittirend ift, gefchah in diefem
Falle Unrecht; er leitet (Gefch. unf. abendl. Philof. I. 2.
A. S. 244) IdcpQodtTT] ab von aram. hti? Junge Taube'
mit Vorfatz-Aleph; auch dies ift unftatthaft. Die Angabe
, dafs die femitifche Göttin zu Karkemifch unter
dem Namen Atargat vorkomme (S. 25), beruht auf der
Identificirung von Karkemifch und Hierapolis, welche
keineswegs ficher ift.

Wie Ref. fo werden ohne Zweifel viele Andere, die
in Deutfchland auf orientaliftifchem und religionsge-
fchichtlichem Gebiet arbeiten, diefe Veröffentlichungen,
in welchen fich anerkennenswerthe Rührigkeit und Liebe
zur Sache kund giebt, mit Freuden begrüfsen. Notwendige
Vorbedingung aber einer Betheiligung an diefen
Zeitfchriften aus den Kreifen gediegener deutfeher Fach-
gelehrfamkeit wird eine Abgrenzung der Annales in der
oben vorgefchlagenen oder irgendwelcher anderen Weife
fein ; denn fonft verliert fich hier die einzelne Arbeit
unter der Maffe des Ungleichartigen.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Weiss, Prof. Dr. Hugo, David und seine Zeit. Hiftorifch-
exegetifche Studien vornehmlich zu den Büchern Sa-
muel's. Münfter 1880, Theiffing. (271 S. gr.8.) M. 4. —

Die Schrift ift unleugbar mit Fleifs und Sachkennt-
nifs gearbeitet, vor allem zeigt fich der Verf. wohl vertraut
mit der Gefchichte Ifracls von Ewald, auch Dun-
cker's und Hitzig's Arbeiten find ihm nicht unbekannt.
Aber freilich, gegen die Erzeugnifse der genannten modernen
Kritiker ift feine Bruft gepanzert, fein Haupt behelmt
, ihre Pfeile müffen machtlos an ihm abgleiten.
Die Berichte der Chronik über die Gefchichte David's
wieg en gleichviel als die der Samuelisbücher, und innerhalb
diefer exiftiren keine Widerfprüche, die auf ver-
fchiedene Quellen deuten, verfchiedene Schichten der
Tradition find nicht erkennbar. Um die einzelnen Quellenberichte
zu harmonifiren, wird zu wahrhaft verzweifelten
Mitteln gegriffen: die Erkundigung, welche Saul nach
Goljath's Ueberwindung über David's, feines früheren
Waffenträgers, Perfon einzieht, wird darauf gedeutet, dafs
Saul früher wohl den Namen David's, aber nicht den feines
Vaters gewufst habe (als wenn die Ifraeliten damals fchon
Familiennamen gehabt hätten!), die Ernennung David's
zum Waffenträger vor der Ueberwindung des Goljath
,hatte fo gut wie gar keine praktifche Bedeutung'. Das
nüJo I Sam. 11, 14 f. II 2, 4. 5, 3 heifst, da die Salbung
Saul's und David's in anderen Quellen bereits früher erzählt
ift, nicht ,falben', fondern ,anerkennen', cf. Jos.
Arth. VII, 1, 2. Die Verfchiedenheit zwifchen dem Bilde,
das die Königsbb. von David's letzten Tagen entwerfen
und dem Bericht der Chronik über diefelbe Zeit wird