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Ausgabe:

1881 Nr. 1

Spalte:

11-12

Autor/Hrsg.:

Klaiber, Karl Herm.

Titel/Untertitel:

Henri Arnaud, Pfarrer und Kriegsoberster der Waldenser. Ein Lebensbild 1881

Rezensent:

Schott, Theodor

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 1.

12

Bildes Nebucadnezar's (Dan. 3, 1) und an die Zahl des
Thiers (Offenb. 13, 18) erinnern, die Andeutung der in
die Kirche mit den Regalien eingedrungenen Weltmühen
findet, welche die geiftliche Ruhe (fymbolifirt durch die
Siebenzahl) kaum oder gar nicht zulaffen. Es liegt ihm
doch etwas Antichriftifches darin. Man kann fich auch
des Eindrucks nicht erwehren, dafs in der Beurtheilung
Arnold's von Brescia und feines Schickfals (de invest.
Ant. I, 42 vgl. Nobbe, S. 104 f.) fich eine ftarke innere
Sympathie mit dem Manne zwifchen den Zeilen lefen
läfst. — Dafs der Verf. den dogmätifchen Bemühungen
Gerhoh's im Kampfe mit der dialektifchen Theologie der
Zeit, Bemühungen, welche neuerlich bei Bach eine fo
breite Darftellung und Beurtheilung erfahren haben, ver-
hältnifsmäfsig nur wenig Raum verftattet, wird nach den
für den Verf. mafsgebenden Gefichtspunkten gebilligt
werden müffen. In der Beurtheilung fcheint mir der Verf.
allerdings etwas zu einfeitig zu Gunften Gerhoh's zu
plaidiren, doch begnüge ich mich, hierfür auf die Bemerkungen
bei Brieger, Zeitfchr. f. Kirchengefch. II, 440 f.
zu verweifen.

Kiel. W. Möller.

Klaiber, Pfr. Karl Herrn., Henri Arnaurl, Pfarrer und Kriegsoberster
der Waldenser. Ein Lebensbild. Nach den
Quellen unterfucht und dargeftellt. Mit 12 noch
ungedruckten Urkunden. Stuttgart'1880, J. F. Steinkopf
. (180 S. 8.) M. 2. 20.

Ein fleifsiges, in mancher Hinficht verdienflvolles
Werk ift uns hier geboten. Der tapfere, muthige Wal-
denfer-Feldherr und Pfarrer H. Arnaud hatte bis jetzt
einen Biographen noch nicht gefunden; wohl hat er in
der von ihm felbft verfafsten glorieuse rentree (Kaffel
i7io)(ich felbft ein unvergängliches Ehrendenkmal gefetzt,
das um fo anerkennenswerther ift, als es frei von eitler
Selbftüberhebung und fpröder Prüderie einfach und
fchlicht die grofsenThaten des kleinen Waldenferhäufleins
erzählt, deffen Leiter und Berather der edle Pfarrherr
war; in den bekannten Werken über die Waldenfer von
Mufion, Monaftier, Mofer u. f. w. fpielt er ebenfalls eine
hervorragende Rolle; aber der dankbare Stoff, den ein
folcher Mann dem Biographen bietet, ift weit mehr nach
populärer Seite ausgebeutet, als wiffenfchaftlich benutzt
worden. Auch Klaiber wünfeht, dafs fein umfangreiches
Lebensbild namentlich die Jugend begeiftern möge, der
Quellennachweis und die zahlreichen Anmerkungen zeigen
aber die Studien, welche der Verf. feinem Werke widmete
. Was über Arnaud's Leben und Thaten vor feiner
Ueberfiedlung nach Württemberg an gedruckten Quellen
vorlag, wurde in ziemlicher Vollftändigkeit benutzt, und
aus den vorhandenen zerftreuten Materialien ein an-
fprechendes Lebensbild zufammengeftellt. Ueberzeugend
ift nachgewiefen, dafs Arnaud aus Embrun in dem Dau-
phine flammte, ebenfo dafs Arnaud nicht, wie von Manchen
angegeben wird, c. 1664 in holländifchc Kriegs-
dienfte gegangen und dort bis zum Hauptmann vorgerückt
fei, fondern dafs hier eine Verwechslung mit einem
fpätern Ereignifs ftattgefunden habe, indem Wilhelm III
ihm 169O den Oberftenrang verlieh. Wefentlich Neues
hat der Verf. über die Zeit, da den Waldenfern in Württemberg
Aufnahme gewährt wurde(iÖ99), die Einrichtung
und die Verhältnifse der neuen Anfiedler, fowie über die
letzten Lebensjahre feines Helden gegeben. Als Pfarrer
einer der ehemaligen Waldenfergemeinden war er dazu
befonders in Stand gefetzt. Die dem Stuttgarter Staatsarchiv
entnommenen 12 Urkunden find hauptfächlich
Briefe und Bittgefuche an den Herzog von Württemberg.
Zu bedauern ift, dafs der Verf. nicht eine wenn auch
kurze geographische und politifche Befchreibung der
Waldenferthäler und Waldenfergemeinden als Grundlage
für die Thätigkeit feines Helden vorausgeftellt hat; der

Lefer würde fich dann leichter orientirt haben, als dies
ohne ziemliche Vorkenntnifse jetzt möglich ift. Auch das
Werk von Carutti, Storia della diplomazia della corte di
Savoia T. III Torino 1879 wäre mit Vortheil zu benutzen
gewefen. Dafs eine Durchforfchung der Turiner und
Schweizer Archive noch manche Ausbeute für diefen
Gegenftand gegeben hätte, geht aus einem Artikel der
Rivista Settimaualc (15. Auguft 1880) hervor, wo mehrere
diplomatifche Actenftücke veröffentlicht find, in welchen
Embrun als Arnaud's Geburtsort beftätigt und fein Signalement
gegeben wird, auch von einem Hinterhalte die
Rede ift, welchen man Arnaud 1689 auf Veranftalten
des Herzogs von Savoyen in Conftanz legte, dazu extra
2 berüchtigte Banditen von Venedig verfchrieb, um ihn
lebendig oder todt in die Gewalt des piemontefifchen
Gefandten Govone zu liefern; die Anfpielung Arnaud's
im Nachwort feiner glorieuse rentree Klaiber S. 74) ift
dadurch erft verftändlich.

Stuttgart. Theodor Schott.

Baumann, Prof. Dr. J. J., Handbuch der Moral, nebft Ab-
rifs der Rechtsphilofophie. Leipzig 1879, Hirtel.
(V, 445 S. gr. 8.) M. 7. -

Das Werk will vereinigen, was fich bisher auf dem
! Gebiet der Moral bekämpfte, einmal die beiden Auf-
faffungen der Moral als YViffenfchaft von dem, was fein
j foll und als Entwicklungsgefchichte des geiftigen Lebens,
I fodann die bisher entgegengefetzten Syfteme der Glück-
feligkeit, der Cultur, der Liebe; endlich, da ,Moral erft
ift, was fie fein mufs, wenn fie nicht blofs fagt, was ge-
fchehen foll, fondern auch die Kräfte nachweift, durch
die es gefchehen kann, und die Art und Weife lehrt,
diefe Kräfte zu wecken und zu fteigern', fo faugt diefe
Moral auch das auf, was man bisher unter dem Namen
Pädagogik refp. Afketik verftand. Das Mittel, diefe
Aufgaben zu löfen, ift die ,richtige Willenstheoric', auf
Grund deren fich eine Moral aufftellen läfst, welche die
Gefetze des effectiven Willens bereits in fich hat und fo
dagegen gefichert ift, blofs frommer Wunfeh und fchöne
Phantafie zu fein. Die falfche Willenstheorie nämlich,
welche bisher geherrfcht hat (und welche in demfelben
Mafse als Sündenbock an den Pranger geftellt wird,
wie die ,richtige' als guter Genius der Zukunft gefeiert
wird), huldigte dem Wahne, dafs der effective Wille von
felbft erfolge, wenn bezüglich des gewollten Gegenftandes
Klarheit der Vorftellung und Stärke des Werthgefühls
vorhanden find, begnügte fich daher im Wefentlichen
damit, die zu verwirklichenden Ideale hinzuftellen, und
trottete fich über die thatfächliche Widerlegung jener
| Meinung durch das Leben mit Rückfchlüffen in der Art
I Auguftin's und Plato's. Nun hat aber nach dem Vor-
! gange Herbart's und Lotze's AI. Bain gezeigt, dafs die
willkürlichen Bewegungen erft aus den urfprünglich unwillkürlichen
, fpontan fich regenden entliehen, indem
die letzteren von Vorftellung und Werthfehätzung begleitet
werden und dann durch Umkehrung der durch
Affociation verknüpften Reihe auf Vorftellung und Werth-
j fchätzung hin die bezügliche Bethätigung — jetzt Wille
I genannt — wieder eintritt. Falfch find demgemäfs Plato
's Annahme von einer urfprünglichen Wirkungskraft
j des Zweckes, Schopenhauer's Willenstheorie, die Vor-
j ausfetzung des liberum arbitrium. Darauf erörtert der
Verf. die aus der phyfiologifch-pfychologifchen Theorie
fich ergebenden Gefetze der Willens- und Charakterbildung
und weift darauf hin, wie es für die inhaltliche
Ausfüllung des Charakters entfeheidend fei, welches der
phyfiologifchen Hauptfyfteme in dem Einzelnen prädo-
minire, das vegetative, welches die Richtung auf finnliches
Wohlfein, oder das Muskelfyftem, das die Richtung
auf praktifche Activität, oder das Nervenfyftem,
das die Richtung auf Wiffenfchaft, Kunft, Religion (als