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Ausgabe:

1881 Nr. 12

Spalte:

286-287

Autor/Hrsg.:

Brieger, Thdr.

Titel/Untertitel:

Constantin der Grosse als Religionspolitiker. Kirchengeschichtlicher Essay 1881

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 12.

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gewifs intereffanter zu reden, alsS. 24 fr. gefchieht. Ueber !
die Metaphrafe zum Prediger Salomonis erfahren wir
aus einigen wiederum fehr wohlfeilen bibliographifchen 1
Notizen ganz beiläufig, dafs diefes Werk auch unter den I
Namen Gregor's von Nazianz fich geftellt findet, alles I
Genauere über den Thatbeftand der handfchriftlichen
Tradition wird uns aber vorenthalten, und die Angabe !
über des Billius Anlicht vom Verfaffer der Metaphrafe :
ifl, wie man bei Dräfeke a. a. O. fehen kann, nicht ein- j
mal richtig. Was aber den Inhalt der Metaphrafe betrifft
, fo fcheint fich in dem Satz, dafs diefes Werk ,da j
es von vornherein keine wortgetreue Ucberfetzung des j
Urtextes fein wolle, fich aufs engfte an den Text der ,
Septuaginta anfchliefse' (S. 28) fchüchtern ein Problem j
zu verbergen, welches, wie man meinen follte, gerade j
der Verf., wenn er es überhaupt ftatuirte, Beruf gehabt
hätte herzhafter anzufaffen. Hat denn überhaupt diefe 1
Metaphrafe etwas mit dem hebräifchen Urtext zu !
fchaffen? Wäre es wirklich der Fall, fo würde die
Thatfache fo überaus auffallend fein, dafs es fich wohl
verlohnte, fie aufs forgfältigfte zu conftatiren. Das j
wäre jedenfalls dankenswerther gewefen, als hier einige
äfthetifche Eindrücke zum Beften zu geben und fchliefs-
lich den Lefer mit dem kühnen Urtheil zu verblüffen,
dafs diefe Metaphrafe ,ein vollendetes Kunftwerk' fei
(S. 28). Wie leicht der Verf. fich in diefem Abfchnitt
feine Sache macht, zeigen auch feine Bemerkungen über
die Glau.bensformel des Gregor (S. 31 f.) Dafs diefe
Formel ,von den Vätern der alten Kirche mit Recht für
echt gehalten worden ift' (S. 32) ift in diefer Allgemeinheit
eine nichtsfagende Redensart. Vor Allem wäre hier
die Frage aufs Reine zu bringen, inwiefern es von diefer
Formel eine von Gregor von Nyffa unabhängige Tradi- I
tion giebt, welche durchaus nicht für fchon durch Caspari
(Alte und neue Quellen S. 27 f. vgl. S. 14. Anm. 28) erledigt
gelten kann. Im Abfchnitt über die in Zweifel
gezogenen Schriften Gregor's S. 34 ff. find die Andeutungen
des Verfaffcrs zu Gunftcn diefer Schriften von fehr
geringem Gewicht. Unter Anderem ifl Verwahrung dagegen
einzulegen, dafs man dem dritten Jahrhundert
fonft darin unbezeugte Vorftellungcn aus der angeblich
hippolytifchen Homilic über die Theophanie zuweift
(S. 37)> wenigftens bis auf weitere Untcrfuchung, zu 1
welcher allerdings gewiffe Erfcheinungen in diefem kleinen
Stück einzuladen fcheinen. Im Abfchnitt über die
unechten Schriften (S. 38 ff.) hat Caspari die Hauptfache
gethan. Mehr Anfpruch auf Dank hat fich der
Verf. felbft durch das Eragmentenverzcichnifs erworben !
(S. 43 ff.) Ein grofser Theil der regiftrirten Fragmente
findet fich hier in vollftändigem Wortlaut mitgetheilt, in |
deutfeher Ucberfetzung was aus Lagarde's Analccta syr.
zu entnehmen war, wobei die Herkunft einiger diefer
Stücke aus der Apologie des Origenes von Pamphilus
nachgewiefen wird. Das eigentliche Verdienft der Arbeit
des Verfaffers ruht aber ohne Zweifel auf der Ueber-
fetzung zweier bisher nur fyrifch bekannter, dem Gregor
beigelegter Schriften (S. 65—99). Ueber die Befchaffen-
heit der Ueberfetzung hat der Ref. zwar kein unmittelbares
Urtheil, doch ergiebt fich aus den Sprachlichen
Nachträgen' des Ryffel'fchen Buches (S. 124 ff.) auch für
den des Syrifchen Unkundigen, dafs der Verf. an diefen
Theil feiner Arbeit fehr grofsen Fleifs und grofse Sorgfalt
gewendet hat. Auch wird die Ueberfetzung der
einen jener Schriften durch den inzwifchen von J. Dräfeke
(a. a. Ü. Heft 2) beigebrachten griechifchen Urtext der-
felben gröfstentheils beftätigt. Die Schrift ,an Phi-
lagrius über die Wcfensglcichheit' ift nämlich
nichts anderes als der Tractat der unter der Ueberfchrift
Jlonc livüygiov /xovaxbv ncqi {hointog fich in den Werken
des Gregor von Nazianz als Jifiist. CCXLIII (Opp. II,
196 sqq. ed. Paris. 1840, in älteren Ausgaben Orat. XLV)
griechifch gedruckt findet, dort übrigens in Hinficht auf
Echtheit fchon längft preisgegeben. Diefe Entdeckung

hätte dem Verf. felbft kaum entgehen mögen, wenn er
feine Citate aus den Quellen wichtiger genommen hätte,
als er es, wie fich ihm aus zahlreichen Beifpielen nachr
weifen läfst, gethan hat. Denn nun ift ihm der feltfame
Unfall begegnet, dafs er fich, da er bei Ulimann flehen
bleibt, unwiffentlich auf eine Schrift beruft, welche eben
mit der von ihm aus dem Syrifchen überfetzten iden-
tifch ift (S. 102 n. 2). Gern fieht man nun die ohnehin
bei dem Tone, welchen der angebliche Gregor gegen
,Philagrius' beobachtet, wahrhaft abenteuerliche Hypo-
thefe, dafs diefer Mann Porphyrius fein foll (S. 110 ff.),
fich auf die einfachfte Weife erledigen. Auch gehört
eine Stelle, auf welche fich der Verf. für feine Ver-
muthung ftützt (f. S. 66. Anm. "*), zu denjenigen, deren
Ueberfetzung durch den griechifchen Text am ftärkften
in Frage geftellt wird. Auf jeden Fall kann die Unter-
fuchung über die Echtheit der Schrift ,an Philagrius'
nach Dräfeke's Nachweis in der Hauptfache nur neu aufgenommen
werden. Wer fich dem unterzieht, möge fich
immerhin ftrenger als der Verf. gegenwärtig halten, dafs
die Gefchichte der chriftlichen Theologie (das Wort im
antiken Sinne genommen) von Origenes bis Arius zu
den fchwierigften und fubtilften Problemen der Gefchichts-
fchreibung der alten Kirche gehört. Was die zweite vom
Verf. gebotene, viel längere, aber auch bei weitem
intereffantere angeblich gregorianifche Schrift betrifft:
,An Theopompus über die Leidensunfähigkeit
Gottes', deren Ueberfetzung fich fehr gut lieft, fo
fcheinen die Ausführungen des Verfaffcrs über ihre Echtheit
im Wefentlichen das Richtige zu treffen S. 118 ff.).
So viel ift wenigftens gewifs, dafs diefes Schriftchen —
eine Art platonifchen Gefprächs über die Frage, ob die
phyfifche Apathie Gottes auch feine (moralifche) Apathie
in Hinficht auf das Schickfal des menfehlichen Gefchlechts
nothwendig zur Folge habe — mit den Streitigkeiten
des 5. u. 6. Jahrhunderts über das göttliche Leiden nichts
zu thun hat und fich kaum aufserhalb des Streits (teilt,
den z. B. Origenes mit Celfus führt (befonders c. Cels.
IV, 14 ff.). Allein was über die befonderen Spuren ori-
geniftifcher Lehrmethode in der Schrift S. 118. 124 bemerkt
wird, beruht auf fehr verkehrten Annahmen, die
fich auch unmittelbar felbft aus unferer dürftigen Kunde
leicht widerlegen, z. B. durch Methodius, an deffen Art
überhaupt die Schrift durch ihre Form fehr erinnert.
Sehr wenig fcharf ift S. 120 f. der Inhalt der Schrift zu-
fammengefafst, dabei befonders durch die Hereinziehung
der der Sache ganz fremden Kategorie des Apriori fo-
fort Alles verdorben.

Bafel. Franz Overbeck.

Brieger, Prof. D. Thdr., Constantin der Grosse als Religionspolitiker
. KirchengefchichtlicherEffay. [Aus: ,Zeitfchr.
f. Kirchengefch.']. Gotha 1880, F. A. Perthes. (48 S.
gr. 8.) M. u —

Der Verf. verfolgt in diefem Effay den doppelten.
Zweck, ein fcharf umriffenes Bild Conftantin's zu geben
und die kirchenhiftorifche Forfchung an die Grenzen
hiftorifchen Wiffens zu erinnern. Zu dem Letzteren ficht
er fich veranlafst durch das Bemühen mancher Kirchen-
hiftoriker, zu^ einem Verftändnifs der kirchenpolitifchen
Thätigkeit Conftantin's zugleich durch ein Ergründen
feiner perfönlichen Stellung zum Chriftenthum zu gelangen
, für deren Beftimmung er doch alle Anhaltspunkte
j vermifst. Mag Conftantin auch religiöfe Anwandlungen
gehabt haben, wir wiffen darüber nichts. Sein Verhalten
| zur Kirche erfcheint aber durch ftaatsmännifche Rück-
fichten vollftändig motivirt. Als er 312 durch Bezeichnung
der Schilde feiner Krieger mit dem Monogramm Chrifti
ein Bekenntnifs zum Chriftenthum ablegte, da hatte fich
die bisherige chriftenfeindliche Politik der Kaifer als
ohnmächtig erwiefen. Bei dem Gegenfatz des Chriften-
thums gegen die Götter des Staats war aber ein auf