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Ausgabe:

1881

Spalte:

277

Autor/Hrsg.:

Montet, E.

Titel/Untertitel:

La Légende d‘Irénée et l‘introduction du christianisme à Lyon 1881

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 12.

apoftolifcher Predigt und Katechefe, der fchriftliche Nie-
derfchlag einzelner Traditionsftröme fein. Finden wir
alfo im Marcusevangelium wichtige Stellen nicht, die uns
Matthäus überliefert hat, fo dürfen wir nicht auf Un-
kenntnifs, fondern auf Abficht erkennen' (S. 228). So
hat es z. B. .bereits den Zufammenhang zwifchen der
Zerftörung Jerufalems und der Parufie etwas gelockert,
was wie vieles Andere für feine Zwifchenftellung zwifchen
Matthäus und Lucas fpricht' (S. 364). Und fo kann fich
überhaupt, wie es fcheint, der katholifche Ausleger in
Sachen der biblifchcn Kritik wie ehedem fo auch jetzt
noch Manches erlauben, wofür dem proteftantifchen wohl
nicht jede Kirchenbehörde .Approbation' ertheilen würde :
Der Stil des Marcus ,ift nicht frei von Übeln Gewohnheiten
' (S. 50), fein jetziger Text ,ganz corrupt' (S. VII)
u. f. w. Andererfeits freilich fügt fich angefichts der
Tradition der katholifche Ausleger nicht einmal in die
Unechtheit von Marc. 16, 8—20, worein man fich doch
proteftantifcherfeits allmählich fo ziemlich ergeben hat.

Strafsburg iE. H. Holtzmann.

Montet. F., La Legende d'lrenee et l'introduction du chri-
stianisme ä Lyon. Geneve 1880, Imprim. Ch. Schu-
chardt. (119 p. 8.)

Der Verf. hat feiner Schrift vorftehenden Titel gegeben
, weil er aufser der Gefchichte des Irenäus auch
die Legenden behandelt, die fich an feinen Namen und
an die Einführung des Chriftcnthums in Lyon knüpfen.
In 7 Capiteln hat er den Stoff behandelt {Premieres tra-
ces du C/iristianisme h Lugdunum. Lcs Chrctiens de Lug-
duttunt en Tan 177. Irenee: F/ioinine. Irenee: Fev'eque.
Uiglist de Lugdunum; son caractere et ses tendances. La
legende du martyre d' Irenee. Les reliques et le culte
d'lrenee). In dem nu», was er über Irenäus beibringt,
ift nichts enthalten, was bcfonders bemerkenswerth oder
neu wäre. Auch werden die wichtigen Hauptfragen nur
ganz fummarifch und oberflächlich entfchieden, obgleich
der Verf. neben anderem auch fchon den werthvollen
.Artikel von Zahn über Irenäus in der 2. Aufl. der Real-
encyklopädie von Herzog benutzen konnte. Auf ein
paar Zeilen wird z. B. das Geburtsjahr des Irenäus auf
die Zeit um das J. 135 feftgeftellt etc. Dagegen fpricht
der Verf. oftmals fchr breit über Möglichkeiten, über
die fich einfach nichts fagen läfst. Andererfeits bringt
er über die Sagengcfchichte und über die Verhältnifse
im alten Lugdunum manches Beachtenswerthe, namentlich
auch zur Topographie der Stadt. Die Infchriften
reichen freilich nicht bis ins 2. und 3. Jahrh., aber fie
laffen doch noch erkennen, wie lange fich das Grie-
chifche in der Chriftengemeinde von Lyon erhalten hat.
Dankenswerth find auch die Ausführungen über die Ent-
ftehung und das Wachsthum der Sage vom Martyrium
des Irenäus, jedoch lange nicht erfchöpfend. Auch
möchte Ref. einen Zufammenhang zwifchen jener Sage
und der Erinnerung an die Kämpfe des Septimius und
Albinus in Gallien im J. Tgy nicht fofort zugeben. Zu
beanffanden ift auch die Sicherheit, mit welcher der
Verf. erklärt (p. 53): ,ce qui est certain c'est qu'il habitait
FAsie Mineure dans son enfance et dans sa jeuncsse'.
Manche Spuren weifen doch noch auf ein anderes Land.
Die orientalifchen Legenden hat der Verf. überhaupt
wenig berückfichtigt. So ift ihm auch die aramenifche
Nachricht entgangen, Irenäus flamme aus Laodicea (f.
Patr. App. Opp. edit. Ups. I, 2. 2. Aufl. p. 101).

Giefsen. Adolf Harnack.

Geizer. Heinr., Sextus Julius Africanus und die byzantinische
Chronographie. i.Thl.: Die Chronographie des Julius
Africanus. Leipzig 1880, Teubner. (VI, 283 S. gr. 8.)
M. 8. —

,Wie Eufebios durch Hieronymus' Vermittelung die
| abendländifche, Panodoros und Annianos die fyrifche,
fo beherrfcht der freilich modificirte und oft entftellte
Africanus die byzantinifche Gefchichtsfchreibung'. Scaliger
hat die Bedeutung feiner Chronographie vor allem
gewürdigt; mit grofsem Fleifse hat Routh die benannten
Fragmente derfclben zufammcngeftellt und beleuchtet
{Keliq. Satrae 2. edit. II. p. 219—509); Geizer hat
zum erften Male in dem vorftehenden Werke den Ver-
fuch gemacht, aus den erhaltenen Fragmenten, den Auszügen
und Bearbeitungen der Späteren die Chronographie
, foweit dies möglich ift, zu reconftruiren. Diefer
j Verfuch kann nur gewagt werden unter der Vorausfetz-
ung einer umfaffenden quellenkritifchen Unterfuchung
aller byzantinifchen Chronographieen und Gefchichtscom-
pendien. Der zweite noch ausftehende Theil foll diefe
bringen. Vielleicht wäre es zweckmäfsiger gewefen und
wären die reichen Refultate noch einleuchtender geworden
, wenn der Verf. feine Unterfuchungen auch in der
Reihenfolge vorgeführt hätte, in welcher er fie felbft hat
anftellen müffen, d. h. wenn er die Herftellung des Afri-
canifchen Werkes erft im zweiten Bande veröffentlicht
hätte. Da er aber die Zufammenftdlung der Fragmente
des Africanus dort erft geben will, fo hat er fich
die Möglichkeit offen gelaffen, die Ergebnifse, welche
eine wiederholte Detailunterfuchung der Byzantiner für
Africanus bringen könnte, noch zu verwerthen.

Gemäfs der Eigenthümlichkeit der Chronographie
des Africanus und dem Umfange der uns aus ihr erhaltenen
Fragmente kommt der Ertrag ihrer Wiederher-
ftellung in erfter Linie der politifchen Gefchichtsfchreibung
zu Gute. Die Reichhaltigkeit der neuen Auffchlüffe
hier ift ebenfo überrafchend wie bedeutfam. Aber auch
die Forfcher auf dem Gebiete der jüdifchen Gefchichte
und der Kirchengefchichte haben Grund dem Verf. dankbar
zu fein. Die Chronographie des Africanus ift zudem
eines der älteften Werke chriftlicher Wiffenfchaft; der
Literarhiftoriker wird darum jeden Abfchnitt, der wie-
derhergeftellt worden ift, mit Freuden begrüfsen. Im
Folgenden follen nur einige der Partieen hervorgehoben
werden, welche von allgemeinem Intereffe für die Theologen
find.

In der Einleitung S. i —19 handelt der Verf. von
Namen, Zeit, Leben und Werken des Africanus. Mit
Recht fpricht er fich nach forgfältiger Erwägung für die
Identität des Verf.'s der Chronographie und der Keozni
aus. Dafs der Chrift J. Africanus Verf. der /Goto/ ift
(diefe find — wie Geizer wahrscheinlich zu machen fucht
— fpäter als die Chronographie verfafst, nämlich unter
Alex. Severus, dem fie auch gewidmet find) — diefe That-
fache ift für die Gefchichte des Chriftenthums im Beginn
des 3. Jahrhunderts von dem höchften Werthe. LJer
bunte, z. Th. anftöfsige Inhalt der Ketnoi, deren Verfaffer
an den hermetifchen Büchern und der geheimen Weisheit
der Egypter grofses Wohlgefallen hat, craffe Su-
perftition verräth, auch aphrodififche Geheimmittel an-
giebt li. f. w., zeigt, in welchem Umfange die .Cultur'
der Zeit von den Chriften des 3. Jahrhunderts übernom -
men worden ift — allerdings hier von einem Laien-
chriften; denn der ehemalige Officier im Lager des Septimius
Severus, der Jagdgenoffe des Königs Ma'nü IX.
von Edeffa, der vornehme Beamte der Stadt Nikopolis
ift niemals Cleriker gewefen. Aber er ift doch trotz
allem einer der hervorragendften und angefehenften
chriftlichen Gelehrten der Zeit, den ein ürigenes mit
uyantg.be. uöelqioc, anredet. Die Einficht in diefe Verhältnifse
kommt neben anderem auch z. B. der richtigen
Entfcheidung der durch neuere Entdeckungen neu gc-