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Ausgabe:

1881

Spalte:

228-229

Autor/Hrsg.:

Abbott, T. K.

Titel/Untertitel:

Par palimpsestorum Dublinensium 1881

Rezensent:

Gregory, Caspar René

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ficirung man immer aufftellen möge, in jedem Falle fieht
man fich genöthigt, theoretifch zufammenzuflellen was
in Wirklichkeit fehr verfchieden ift oder doch noch
andere nicht unwichtige Principien aufweift, welche in
Widerftreit flehen' (S. 141). Unter hiftorifchem Gefichts-
punkt gruppirt der Verf. die Religionen in polytheiftifche
und monotheiftifche, defshalb weil jene die alte, diefe
die moderne Welt beherrfchen. Jene unterfcheidet er
nach folgenden Gruppen S. 142 f.: 1. Primitive Naturreligion
, 2. animiftifche und fetifchiftifche Religionen,
3. die grofsen Volks-Mythologieen [niytliologies nationales,
eine wenig glückliche Bezeichnung für die Religionen
Aegyptens, Babylons, Griechenlands, Roms, Germaniens,
Galliens u. f. w.), 4. polytheiftifch-legaliftifche Religionen
(Brahmanismus, Mazdeismus u. f. w.j, 5. Buddhismus.
Letzterer gehört nur bedingt hierher, ,im Princip dem
Polytheismus entgegengefetzt, aber in der Praxis fich
unaufhaltfam mit den vorgefundenen Formen des Polytheismus
vermifchend'. — Ich freue mich befonders, dafs
hier nicht, wie jetzt gewöhnlich, der Fetifchismus an
der Spitze fleht, fondern jene primitive Naturreligion,
welche der Verf. dehnirt als ,naive Verehrung von Natur-
gegenftänden, welche man fich vorftellt als belebt, mit
Selbftbewufstfein begabt, mächtig und einflufsreich auf
das menfehliche Gefchick'. Animiftifche und fetifchiftifche
Religionen follen fich ,auf dem Grunde jener erften
Stufe entwickeln'. ■ S. 131 arüber noch Folgendes:
,Es ift ein Irrthum, den Fetifchismus und felbft den
Animismus [Geiftercult] als die ältefte Religionsform anzufeilen
. Dazu fetzen fie zu viel Reflexion voraus. Es
find dies offenbar fecundäre Erfcheinungen, ebenfo wie
auf chriftlichem Boden Heiligendienft, Mariencult und
Verehrung des heiligen Herzens'. Der Vergleich ift treffend.
Ich vermiffe nur die deutliche Untcrfcheidung der ,feti-
fchiftifchen' Religion von der primitiven Naturreligion.
Nach der gewöhnlichen Meinung vom Fetifchismus würde
fie darin beftehen, dafs der PVtifchift die verehrten Natur-
objecte unbelebt denkt. Eine folche Vorftellung ift
unnachweisbar. Wie der rohefte Anbeter eines Heiligenbildes
irgendwelche lebendige Macht in demfelben vorausfetzt
, anders ift auch der Gottesdienft des FVtifchiften
nicht denkbar. Der Verf. giebt dies zu, indem er von
dem ,Geift des Fetifch' redet (S. 130) und mufs es zugeben
, da er die Religion allgemein dehnirt hat als ein
Gemeinfchaftsverhältnifs mit dem esprit niystcricitx; andernfalls
wäre diefe Definition zu eng, den ,Fetifchismus'
nicht umfaffend. Giebt er es aber zu, fo fällt der Fetifchismus
unter feine Definition der ,primitiven Naturreligion
'. Es läfst fich jene zweite Stufe von der erften
des Verf.'s nur etwa dadurch unterfcheiden, dafs die
Verehrung der Naturobjccte fich von den grofsen Naturmächten
des Himmelsgewölbes und Luftraumes zurückzieht
auf kleine, dem Menfchen nahe und erreichbare
Gegenftände, welche er willkürlich in feiner Nähe und
Macht behalten kann. — Die folgenden Abfchnitte
handeln vom .Mythos' S. 144 ff. (gut dehnirt S. 155: ,Der
Mythos ift entweder die Schilderung eines Naturvorgangs,
dargeftellt als ein göttliches Drama, oder die Verkörperung
eines ethifchen Gedankens in einem dramatifchen
Berichte. In beiden Fällen wird was in der Natur und
in der Menfchheit fich wiederholt, auf ein einmaliges
Ereignifs reducirt, und das Drama, obgleich erdichtet,
wird für thatfächlich gehalten'), von Symbol und Ritus'
S. 163 ff. (ich mache aufmerkfam auf die von feinem
Verftändnifse zeugende Erklärung mancher Reliquien als
urfprüngliche Symbole, welche erft fpätere Unwiffenheit
realiter für das nahm, was he nur abbilden follten, S. 174),
vom .Opfer' S. 178fr., ,Priefterthum' S. 194fr., .Prophetenthum
' S. 209 fr., .religiöfer Autorität' S. 230 fr., .Theologie
' S. 244 ff., .Philofophie' S. 260 ff. (diefer Abfchnitt
wäre m. E. befter mit dem vorhergehenden zufammen-
gearbeitet worden, da auch er im Grunde nur von
Theologie handelt), .Moral' S. 275 ff, ,Kunft' S. 290 ff.,

.Cultur' S. 303 fr. und .Wiffenfchaft' S. 311 ff. Man hebt
aus der blofsen Angabe der Ueberfchriften, dafs hier
das religiöfe Leben dargeftellt ift in der Mannigfaltigkeit
feiner Erfcheinungen nicht nur, fondern zugleich im Zu-
fammenhang mit anderen Gebieten des mcnfchlichen
Lebens, welche jenes irgendwie ftreifen und dadurch eine
gegenfeitige Beeinftuffung nothwendig herbeiführen.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Abbott, Prof. T. K., Par palimpsestorum Dublinensium. The

codex rescriptus Dublinensis of St. Matthew's gospel
[ZI: hrst published by Dr. Barrett in 1801. A new
edition, revised and augmented; also fragments of
the book of Isaiah, in the LXX. Version, from an an-
cient palimpsest, now hrst published; together with
a newly discovered fragment of the codex Palatinus
With. two [three] plates of facsimiles. [Dublin.1 London
1880, Longmans, Green, and Co. (23, LXIV, 8,
[4] P- 4-)

Codex .Z des Matthäusevangeliums befteht aus 32
Blättern; die Handfchrift, der he angehören, befteht aus
HO Blättern patriftifcher Stücke, von denen alfo etwas
mehr als ein Viertel rescripti find. Die alten Züge wur-
j den im Jahre 1787 von Dr. Barrett entdeckt, und die
i Matthäusfragmente von ihm im Jahre 1801 edirt, in
Kupferftich (leider mit nur entfernt ähnlichen Buch
ftaben), nebft Abdruck in gewöhnlichen Typen mit anderweitigen
Lesarten unten. Im Oktober und November
1853 (nicht, wie auf S. 12, 1854) verglich Tregelles die
Handfchrift und entdeckte etwa 200 von Barrett nicht
bemerkte Buchftaben, obfehon ein unwiffender Buchbinder
inzwifchen die Blatter befchädigt hatte. Aber
die schwierige Entzifferung eines Palimpfefts fordert mehr
als eine vorübergehende Unterfuchung durch einen Fremden
, und glücklicherweife zählt das Trinity College unter
| feinen Fellows den Prof. T. K. Abbott der Univerhtät
| Dublin, welcher fich mit Vorliebe textkritifchen Studien
widmet (f. Jahrg. III. [1878], Sp. 465), und welcher, durch
unermüdliche, immer wiederholte Prüfung der erlofchenen
Schrift, über 400 vorher verborgen gebliebene Buchftaben
und Zeichen ans Licht gebracht hat.

Das Refultat diefer Studien wird uns in einer neuen
Ausgabe vorgelegt, für die die alten Platten wieder gebraucht
find, natürlich mit den nöthigen Correcturen;
der Abdruck in gewöhnlichen Typen, fowie die ungehörigen
Lesarten find mit Recht weggefallen. Die Einleitung
berichtet ausführlich über den Codex und giebt
I Auffchlufs über die neugefundenen Zeichen. Da es fich
als unausführbar erwies, eine Seite zu photographiren,
1 erhalten wir ein vortreffliches Facfimile in Steindruck,
welches den Dublinern Künftlern Förfter 6k Company
(f. The Athenaeum, 16 Oct. 1880, p. 502.,) alle Ehre
macht. Es ift zu loben, dafs Abott die Tafeln mit der
Bezeichnung von Capitel und Vers verfehen hat. Verglichen
mit dem F'acfimile erhellt es, dafs in der letzten
Zeile der faefimilirten Zeile (Tafel LXII), iie&v/taiv
mit Apoftroph zu lefen ift, was auch auf S. 7, Z. 4 von
; unten, einzufchalten ift. Es wäre zu wunfehen, dafs die
i Umriffe der vielfach befchädigten Blätter auf den Kupfer-
ftichen flünden, damit es möglich würde, aus dem Raum
; auf die Lesart zu fchliefsen. Aber unbedingt ift zu be-
' dauern, dafs wenigftens auf der faefimilirten Seite in den
! beiden letzten Zeilen die relative Stellung der Buchftaben
nicht bewahrt worden ift, denn die erften fünf Buchftaben
der vorletzten und vier der letzten Zeile flehen
nicht relativ zu einander, wie im Facfimile; E am Anfang
der vorletzten Zeile, welcher im F'acfimile fehlt, ift
wohl einer der vom Buchbinder entwendeten Buchftaben.
Am Ende der Zeile 11 giebt der Stich inci, aber der
Strich fleht nicht im Facfimile. In Zeile 15 wäre Ref.