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Ausgabe:

1881 Nr. 9

Spalte:

204-205

Autor/Hrsg.:

Bissell, Edwin Cone

Titel/Untertitel:

The Apocrypha of the Old Testament 1881

Rezensent:

Schürer, Emil

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 9.

204

Ifraels Krone erlangt — auch nun zwar nicht eher ruht,
als bis er Saul's Haus bis auf den lahmen Merbaal ausgerottet
— aber doch die Krone, die er fo fchändlich
errungen, würdig, ja glänzend trägt, die Feinde, die er
gegen Ifrael aufgerufen, befiegt, vernichtet, der Monarchie
Syftem, das er beftritten, erft vollendet'. Nach Betrachtung
der Periode der Richter, die als meift gleich-
2eitige Stammfürften angefehen werden, folgen fonderbare
Entdeckungen über die urfpi üngliche Vertheilung der
Stammfitze. Juda und Simeon haben im Norden gewohnt
; dort hat auch Othniel als Vafall des Königs von
Hazor gegen Kufchan-Rifchataim mitgekämpft. Später
ziehen diefe Stämme nach Süden. Zum Erweife mufs
unter anderem auch Jofua 19, 34 fnirrai dienen. Die
Zahl 480 I Kön. 6,1 ift aus 180 verdorben und der Auszug
aus Aegypten fällt 1137. Die Ifraeliten find zu ver-
fchiedenen Zeiten durch Deportation aus Edom nach
Aegypten gelangt, wie fich nach dem Verf. aus den Genealogien
des Pentateuchs ergiebt. Auch Abraham ift
durch Deportation des Königs von Elam Kudur-Mabug
nach Kanaan gekommen (1554). Die Fluth fällt wie bei
Berofus 1902; ihre Spuren zeigen fich auch bei Manetho,
nach welchem 1861 fremde Eroberer, offenbar turanifcher
Abkunft, in Aegypten einfallen. So wurde die Fluth
zum Anftofs einer Völkerwanderung. Endlich ftimmt
die Anfangsepoche der Welt 3188/7 in der Bibel mit der
Anfangsepoche für Menes bei Manetho.

Zu diefen auffallenden Refultaten, welche von den
herkömmlichen an fehr vielen Punkten abweichen, gelangt
der Verf. durch Combinationen, denen man Scharf-
finn und Selbftändigkeit nicht abfprechen kann, die aber
zum Theil nur auf fchwachen Füfsen flehen, ja nicht feiten
ganz ohne Boden find. Am meiften beachtenswerth
ift gewifs in den erften Partien des Buches die Behandlung
der Königszeit, wo der Verf. auf manche Punkte
hingewiefen hat, welche von den bisherigen Forfchern
nicht hinlänglich berückfichtigt worden find. Aber auch
hier hat er die Compofitionskritik nicht hinreichend beachtet
und Nachrichten fehr verfchiedenen Werthes auf
gleiche Stufe geftellt. Aus der Chronik, deren Angaben
er an einigen Stellen ganz verwirft, werden anderswo
oft die wichtigften Schlüffe gezogen und auf ihren und
den pentateuchifchen Genealogien errichtet der Verf.
Gebäude, die ganz unhaltbar find. Nicht feiten legt
er in biblifche Angaben zu viel hinein. So foll aus
II Chr. 19, 11. 17, 7. 8 folgen, dafs Jofaphat fich der
Oppofition des Hochadels und der klerikalen Partei gebeugt
habe, dafs er ,auf die Hofämter und Fachminifte-
rien habe verzichten, ja diefe Wiederherftellung der alten
ftändifchen Verfaffung feierlich habe promulgiren laffen
müffen. Auch läfst fich der Verf. durch moderne Antipathien
gegen die klerikale Partei zu fchiefen Auffaffungen ]
verleiten. Zuweilen kann man feine Annahmen von
Willkür nicht freifprechen. So fafst er die 40 Jahre der
Mefainfchrift, wie auch andere bibl. Jahresangaben, als j
Halbjahre. Hätte er feine vielfeitige Gelehrfamkeit und
feine bedeutende Combinationsgabe mehr mit befonne-
ner Selbftkritik angewendet, fo würde fein Werk mehr
fichere Refultate aufweifen, welche Ausficht auf Zuftim-
mung haben. Aber dennoch wird kein altteftamentlicher
Forfcher das Werk unbeachtet laffen dürfen. Leider hat !
der Verf. die Leetüre feines Buches durch feine eigen-
thümliche Diction ungemein erfchwert. Der oben angeführte
Theil eines Satzes kann fchon als Beifpiel dafür
dienen. Der Satzbau ift in hohem Grade unüber-
fichtlich und wegen der Weglaffung der Verba ,fein' und
,haben', wegen der Voranftellung von Genetiven, der
übermäfsigen Prägnanz des Ausdrucks, wegen der Art
der Interpunktion u. a. erfordert das Verftändnifs oft
ein eingehendes und wiederholtes Studium. Der Druck
ift correct; doch finden fich aufser den am Schluffe angezeigten
Fehlern noch: S. VIII Z. 7 v. u. VII ff. VIII,
S. 27 u. ö. Docy ft. Dozy, S. 65 Z. 16 v. u. Ider otham's

fc. der Jotham's, S. 188 Z. 5 v. u. 1190 ft. 1090. Ferner
fleht S. 64. 95. 147 u. ö. fälfehlich Ziklaq ft. Ziklag.

Moers. Joh. II ollen b erg.

Bissell, Edwin Cone, D.D., The Apocrypha of the Old
Testament, with historical introduetions, a revised trans-
lation, and notes critical and explanatory. New York
1880, Scribner's Sons. (680 S. gr. 8.)

Unter Leitung von Prof. Philipp Schaff erfchien
feit 1864 in New York eine englifche Bearbeitung von
Lange's Bibelwerk. Den Abfchlufs derfelben (Bd. XV.
des Alten Teftamentes) bildet die hier vorliegende Ueber-
fetzung und Erklärung der Apokryphen. Das deutfehe
Original des Bibelwerkes erftreckt fich bekanntlich überhaupt
nicht über die Apokryphen. Die Arbeit Biffell's
ift daher eine durchaus felbftändige, welche ihren Zu-
fammenhang mit Lange's Bibelwerk nur durch den beigegebenen
Ncbentitel und durch das vorangefchickte
Vorwort von Schaff verräth. Auch die Einrichtung ift
infofern eine andere, als die homiletifchen Andeutungen
in diefem Bande weggeblieben find.

Soweit Referent beobachtet hat, ift die Arbeit eine
fehr forgfältige und folide. Der Verf. ift mit der deut-
fchen Literatur wohl vertraut; ja er fufst vorwiegend auf
ihr. — Der Erklärung der einzelnen Bücher ift eine allgemeine
Einleitung vorangefchickt, welche 1) eine Ueber-
ficht über die jüdifche Gefchichte in der perfifchen und
griechifchen Zeit giebt, und 2) über die Apokryphen
im Allgemeinen, ihren theologifchen und hiftorifchen
Charakter, ihr Anfehen in der Kirche, Handfchriften und
Ausgaben u. dergl., handelt. Bei jedem einzelnen Buche
ift wieder eine verhältnifsmäfsig ausführliche fpecielle
Einleitung vorangefchickt. Dann folgt der Text der
Ueberfetzung, wobei aber nicht eine ganz neue Ueber-
fetzung, fondern nur eine forgfältige Revifion der auto-
rifirten englifchen Bibelüberfetzung geboten wird. Die
Abweichungen von derfelben werden capitelweife in An
merkungen unter dem Texte angegeben und gerechtfertigt
. Auf diefen Text folgen, ebenfalls capitelweife, die
fachlichen Anmerkungen, die fich auf Erklärung des
Nothwendigften befchränken, etwa in der Weife wie in
Bunfen's Bibelwerk, doch wohl etwas ausführlicher; auch
fetzt der Verf. Kenntnifs des Hebräifchen und Griechifchen
voraus und geht vielfach auf den Grundtext zurück
. — Aufser den in die lutherifche Bibel aufgenommenen
Apokryphen werden auch das fogen. 1. Buch
Efra, der Brief Jercmiä, das 3. Buch der Makkabäer und
(im Anhang) das 4. Buch Efra behandelt. Beim Buch
Tobit und bei den Zufätzen zu Efther, von welchen
aufser dem gewöhnlichen noch ein zweiter griechifcher
Text vorliegt, wird auch letzterer in englifcher Ueberfetzung
gegeben. Anhangsweife giebt der Verf. auch
kurze Notizen über die * wichtigften Pfeudepigraphen
(Henoch, Sibyllinen, Apokalypfe Baruch's, Pfalterium
Salomonis, Affumptio Mofis, Afcenfio Jefajä, Jubiläen,
Teftamente der zwölf Patriarchen).

Das Urtheildes Verf.'s in den hiftorifch-kritifchen Einleitungen
ift befonnen und gefund, bei Beftimmung der
Abfaffungszeit hier und da vielleicht etwas zu fehr zurückhaltend
. Ueber einzelnes läfst fich natürlich ftreiten.
Beim Buche Baruch lehnt er die Herabrückung in die
Zeit des vefpafianifchen Krieges ab (S. 418). Eigenthüm-
lich ift, dafs er bei Jefus Sirach das Alter des griechifchen
Ueberfetzers richtig beftimmt, indem er die chro-
nologifche Notiz in der Einleitung mit Recht auf das J.
132 v. Chr. deutet, trotzdem aber den Verfaffer der Ur-
fchrift als einen Zeitgenoffen des Hohenprieftcr's Simon
I im Anfang des dritten Jahrh. vor Chr. betrachtet, indem
er das Wort uäuirnc,, wie der Ueberfetzer den Verfaffer
nennt, in der allgemeineren Bedeutung Vorfahre,
Ahne, flatt Grofsvatcr nehmen will (S. 280). Richtig ift