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Ausgabe:

1881 Nr. 8

Spalte:

184-188

Autor/Hrsg.:

Joël, M.

Titel/Untertitel:

Blicke in die Religionsgeschichte zu Anfang des zweiten christlichen Jahrhunderts mit Berücksichtigung der angränzenden Zeiten. 1. Abth. Der Talmud und die griechische Sprache 1881

Rezensent:

Strack, Hermann L.

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Theologifche Literaturzeitung. 1881. Nr. 8.

184

Bevorzugungen desfelben vor dem Marcustext zu con-
ftatiren.

Der Verfaffer fchliefst mit der Zuverücht, einen
Standort gewonnen zu haben, von welchem aus der
primäre Charakter des Marcustextes fich mit gröfstem
Erfolg vertheidigen laffe. Aber alle Bedenken find doch
auch fo nicht gehoben. Den Vers 1, 2 mufs auch er
als eine Gloffe betrachten (S. 22 f.). Anderes wie den
matthäifchen Gottesnamen II, 25 hat er keine Veran-
laffung zu berühren. Dagegen wird die befremdliche Er-
fcheinung, dafs Lucas an den Einfchiebfeln Matth.
3, 14. 15. 8, 10—12. 12, 5—7. Ii. 12 fo ficher vorübergeht
, als hätte er fie gar nicht gelefen, S. 9. 25. 35. 42 f.
wohl hinreichend erklärt.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Zittel, Emil, Die vier Evangelien übersetzt und erklärt. 2.

Thl. Das Evangelium nach Lukas. Zum Johannesevangelium
. Das Evangelium nach Johannes. Karlsruhe
1880, Braun. (VII, 213 S. gr. 8.) M. 4. —

Ueber Plan und Charakter des Werkes ift fchon gelegentlich
der Anzeige des erften Theiles das Notlüge
gefagt worden (Jahrg. 1880, S. 561 f.). Gleichfalls nur
aneignen kann fich der Unterzeichnete, was dort über
die gefchmackvolle Ueberfetzung, die durchfichtigen Einleitungen
, die wefentlich vollftändigen Sprach- und Sacherklärungen
gefagt ift. Dagegen aber, dafs der Prolog
aus dem philonifchen Gedankenkreis erklärt wird, hätte ich
keine Einwendung zu machen, und auch damit bin ich
einverftanden, dafs der Verf. offen fagt, was er und mit
ihm Viele denken und denken müffen. Unter allen Um-
ffänden aber dürfte das Gefchäft der Popularifirung wif-
fenfchaftlicher Arbeiten feiten mit folchcm Gefchick und
noch feltener mit fo vielem Takt geübt worden fein als
hier. Auf einen Compromifs zwifchen dem fynoptifchcn
und dem johanneifchen Aufrifs der Lebensgefchichte
Jefu verzichtet der Verf. Er ftellt beide Schemata einfach
neben einander und legt dann den johanneifchen
Text nur aus dem eigenen Zufammenhange aus, was
ich gleichfalls nur billigen kann.

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Naumann, Pfr.Louis, Die neutestamentliche Lehre vom Lohn

und ihre Bedeutung für die evangelifche Kirche.
Vortrag, auf der Diöcefan-Conferenz der Eph. Mücheln
am 15. Octbr. 1880 geh. Sangerhaufen 1881,
Schneider. (33 S. gr. 8.) M. —. 80.

Diefer von dem Pfarrer zu Schnellroda gehaltene
und ohne Zweifel auf Wunfeh derConferenz veröffentlichte
Vortrag weift keine ins Auge fpringende Gliederung auf,
zerfällt aber feinem Inhalte nach in folgende vier Theile:

1) Entwickelung des Begriffes Lohn im engeren, eigentlichen
und im weiteren, uneigentlichen Sinn (S. 5 f.). Dort
ift die Gegenleiftung von vornherein zugefagt und (juri-
difch) an die Erfüllung einer beftimmten Leiftung gebunden
, während fie hier den Charakter der Freiwilligkeit
trägt (Rom. 4, 4 iiiO&bs *«t' brp&drj/.ia und v.axa %ixqiv).

2) Biblifch-theologifche Erörterung (S.7 f.), von dem Inter-
effe geleitet, zu erfahren, ,ob fich in dem neuteftament-
lichen Lohnbegriffe die Momente finden, die wir an dem
juridifchen Lohnbegriffe als conftitutiv betrachten durften
' (S. 8). Dies ift nicht der Fall. Denn erftens wird
ein contraetmäfsiges Verhältnifs von Leiftung und Gegen
leiftung, in welches fich der Menfch Gott gegenüber aus
freien Stücken begeben hätte, durch feine fchriftmäfsige
Situation als Gefchöpf und als Sünder ausgefchloffen.
Zweitens fällt, wo die Leiftung ein t/qieiv trrv ßttotXeiav,
der Lohn ein /.Irjooroiislv x>)v ßaoiKeiav ift, jene Ver-
fchiedenartigkeit im Object von Leiftung und Gegenleiftung
hinweg, welche der juridifche Lohnbegriff invol-
virt, indem er für jeden der beiden Contrahenten einen,
aus dem Austaufen von Leiftung und Gegenleiftung re-
fultirenden, Gewinn vorausfetzt. Drittens heben bekannte
Stellen von der Unverhältnifsmäfsigkeit des Lohnes im
Gegenfatz zur Leiftung auch das für den in Rede flehenden
Lohnbegriff conftitutive Moment der Aequivalenz
auf. 3) Dogmatifche Verwerthung der gewonnenen Er-
trägnifse (S. 19 f., vgl. auch S. 7), darauf hinauslaufend,
die evangelifche Lehrbildung werde dereinft noch einmal
die an fich wohl verständliche und wohl begründete
Scheu vor einem religiöfen Begriffe überwinden lernen,
welcher zwar mit dem kirchlichen Dogma nicht völlig
congruire, dennoch aber eine hervorragende Stellung in
der Lehre Jefu und der Apoftel einnehme; es gelte, die
fporadifchen Andeutungen der Bekenntnifse über merces
und praemia ,mit mehr Fleifch und Blut zu umgeben' (S.
23). 4) Praktifches Ergebnifs (S. 23 f., vgl. auch S. 5):
durch eine ftärkere Betonung des biblifchen (weiteren)
Lohnbegriffes, der Lehre von den ,guten Werken' und
des richtigen Synergismus werde auch die öffentliche
Verkündigung eine lebendigere und fruchtbarere werden
und die evangelifche Kirche dazu gelangen, fich der rö-
mifchen gewachfen zu zeigen.

Laffen wir Letzteres einstweilen dahingestellt fein und
gehen wir auch an der Frage vorüber, ob die S. 20 begegnende
Vorstellung von der Rechtfertigung (= Seligkeit
) Anfpruch auf Allgemeingültigkeit erheben dürfe!
Für die biblifch-theologifche Seite der Aufgabe, die ohne
Zweifel eine anregendere Behandlung gefunden hat, wurde
der Auffatz von B. Weifs in der ,Deutfchen Zeitfchrift
für christliche Wiffenfchaft und christliches Leben' 1853,
Nr. 40—42 benutzt, nicht aber der neuere von P. Mehlhorn
in den Jahrbüchern für proteftantifche Theologie'
(1876, S. 721 f.), welchem der Verf. hier und da eine Bereicherung
feines exegetifchen Materials (vgl. z. B. S. 732),
vielleicht zuweilen auch feines Urtheils (vgl. S. 724 f.
727 f.) hätte entnehmen können. Ganz überfehen ift die
neulich von Holften (Das Evangelium des Paulus, I,
S. 319 f.) lichtvoll behandelte Correlation von uioirog
und YMV%r]ita 1 Kor. 9, 15—18. Die Sprache dürfte cor-
recter fein. Ausdrücke wie ,Rückfichtigen' find kein
Schmuck der Rede, und auch auf den griechifchen Druck
wäre gröfsere Sorgfalt zu verwenden gewefen (vgl. z. B.
S. 17 zweimal cpeidaitevtog).

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Joel, Rabb. Dr. M., Blicke in die Religionsgeschichte zu
Anfang des 2. christlichen Jahrhunderts. I. Der Talmud
und die griechifche Sprache, nebft 2 Excurfen: a.
Ariftobul, der fogenannte Peripatetiker. b. Die Gno-
fis. Breslau 1880, Schottländer. (VII, 177 S. 8.)
M- 3- —; geb. M. 4- —
In der Befprechung der Simon'fchen Schrift
U education et l Instruction des enfants dies les andern Juifs
(f. Th. Ltz. 1879, Nr. 25, Sp. 588) hatte Ref. es für
wünfehenswerth erklärt, dafs die auf die Werthfehätzung
des Griechifchen bezüglichen Talmudstellen in chrono-
logifchem Zufammenhange mit den gegen das Studium
diefer Sprache gerichteten Bestrebungen erörtert würden.
Er freute fich daher, als ihm Joel's ,Der Talmud und die
griechifche Sprache' zuging; denn nach dem Titel durfte
er erwarten, hier das Gewünfchte zu finden. Vergebliche
Erwartung! Nicht einmal die von Simon, der dem
Gegenstände noch weniger als drei Seiten (55—58) gewidmet
hat, angeführten Stellen werden fämmtlich citirt
und befprochen, und die vom Verfaffer gegebene Erklärung
des wechfelnden Verhaltens der Talmudlehrer
befriedigt durchaus nicht. Mit vielem Scharffinn, aber
nicht mit zureichenden Gründen und nicht ohne Ueber-
treibungen (,Sein oder Nichtfein' S. 15. 31 u, dgl.), fucht