Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1880 Nr. 7

Spalte:

155-156

Autor/Hrsg.:

Strickler, Joh. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Actensammlung zur Schweizerischen Reformationsgeschichte in den Jahren 1521 - 1532. 2. Bd 1880

Rezensent:

Staehelin, Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

155

Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 7.

156

Stri ekler, Staatsarchivar Dr. Joh., Actensammlung zur
schweizerischen Reformationsgeschichte in den Jahren 1521
—1532, im Anfchlufs an die gleichzeitigen eidge-
nöffifchen Abfchiede bearb. u. hrsg. 2. Bd. (1529
u. 1530.) Zürich 1879, Meyer & Zeller in Cotrim.
(819 S. gr. 8.) M. 20. —

Diefer zweite Band des in Nr. 23 des dritten Jahrganges
der Th. LZ. nach feiner Anlage und Abzweck-
ung naher charakterifirten Werkes umfafst die Actenftücke
der für die fchweizerifche Reformationsgefchichte fo
wichtigen Jahre 1529 und 1530. Im Unterfchied vom
erften Band, wo die auf die Reformationsgefchichte bezüglichen
Documente an Zahl hinter den übrigen noch
zurücktreten, flehen hier faft alle in einem nähern oder
entferntem Zufammenhang mit derfelben: ein deutliches
Zeichen, wie der Entfcheidungskampf um den Glauben
während diefer Jahre faft alle andern Intereffcn abforbirt
oder doch fich dienftbar gemacht hat, und zugleich eine
Hinweifung, wie auch diefe Actenfammlung fo wenig
als die parallele,Sammlung der tidgenöfüfchenAbfchiede',
der fie zur Ergänzung dient, von denen, die fich
mit diefer Gefchichte befchäftigen, darf unbeachtet ge-
laffen werden. DasErfte, was aus diefen Actenftucken entgegentritt
, ift das mächtige Umfichgreifen der Reformation
in den eidgenöffifchen Vogteien; im Rheinthal, im
Thurgau, in der Graffchaft Baden, überall tritt während
des Jahres 1529 die Mehrheit auf ihre Seite und erzwingt
ihre Durchführung (wobei es allerdings vorkommt, dafs
eine dem evangelifchen Glauben beigetretene Gemeinde
in der Erwartung eines baldigen Krieges nachträglich
den Befchlufs falst, ihre Kelche und Monftranzen noch
zwei Monate unverkauft zu laffen, ,damit Korten erfpart
würden, wenn unterdefs der alte Glaube wieder zur
Geltung käme". Nr. 304). Das Gleiche erfolgt 1530 in
Neuenburg und wird in Solothurn wenigftens vorbereitet
, und wie in jenen örtlichen Gebieten Zürich, fo ift
es hier im Welten Bern, welche die Bewegung mit ihrem
mächtigen Anfehen unterftützen und gelegentlich auch,
wo es nöthig ift, durch unmittelbares Eingreifen ihr zum !
Siege verhelfen (vgl. die Inftruction Zürichs in Bezug
auf Wyl Nr. 957 und das Verfahren Berns in Neuenburg
Nr. 1937 f.). Natürlich mufste aber einer derartigen
Ausbreitung des evangelifchen Bekenntnifses gegenüber
auch die Erbitterung und Gegenwehr der katholifchen
Orte an Kraft und Entfchiedenheit zunehmen; wir fehen
he fchon vom Beginn des Jahres an nach auswärtiger
Hülfe greifen (Nr. 86,1, die ihnen denn auch zu Feldkirch
und Waldshut vertragsmäfsig von üefterreich zu-
gefichert wird (Nr. 106. 114. 145; 278. 304), fehen aber
durch diefen Anfchlufs an Oefterreich, fowie durch das
gewaltthätige Vorgehen Zürichs im Thurgau und in St.
Gallen auch unmittelbar den Bürgerkrieg fich vorberei- j
ten, deffen Ausbruch der erfte Cappeler Friede ja wohl
hinausfehieben, aber nicht verhüten konnte. Es kann
nicht diefes Ortes fein, auf das nach allen diefen Seiten
hin hier Dargebotene näher einzugehen; fowohl für die
dem Frieden vorangehenden Verwicklungen wie für die
Gefchichte des Friedensfchluffes felbft ift es von hohem j
Werth. Für die Zeit nach demfelben ift es dann namentlich !
die Politik Zürichs fowohl im Verhältnils zum Thurgau i
und zu St. Gallen, als auch in den Coalitionsverfuchen mit j
Heffen und mit Frankreich, die neuen Rultungen der
katholifchen Orte und ihre heimlichen Verhandlungen 1
mit dem Kaifer, fowie die auf gegenfeitige Nachgiebigkeit
dringende Mittelftellung Berns, was in diefen Mit-
theilungen das allgemeine Intereffe in Anfpruch nimmt.
In Bezug auf den erften Punkt hebe ich aus den zahlreichen
Documenten das Gutachten Vadian's über die
Hoheitsrechte des Abtes von St. Gallen (Nr. 956) her-,
vor mit feinem an die Spitze geftellten Satz, dafs Verträge
, die fich ,uf bäpfllich und widerchriftenlich ceri- |

monien, leren, werk und taten ftreckend' von evangelifchen
Obrigkeiten nicht mehr ,dafür zu achten feien,
fam man fy handhaben und fchützen müffe'; aber eben
in diefer Auffaffung, fowie in den darauf lieh ftützenden
weiteren Beftrebungen hatte Zürich auch feine evangelifchen
Bundesgenoffen aufs Beftimmtefte gegen fich,
vor Allem die Berner, denen, wie der Zürcher Stadt-
fchreiber traurig an Zwingli fchreibt, offensa Helvetiorum
est molestissima (Nr. 1198), und von denen doch die
Zürcher fich fagen mufsten: wenn der Bär feine Tatze
ausftreckt, fo wäre Alles gewonnen (Nr. 585); aber auch
die Basler flehen in diefer Frage entfehieden auf Berns
Seite und laffen wiederholt Mahnungen zur Mäfsigung
an Zürich ergehen (Nr. 1077. 1174,. Eine dankenswerthe
Zugabe find die am Schlund mitgetheilten, überfichtlich
zulammengeftellten Entwürfe zum Burgrecht mit Strafsburg
. — Diefe wenigen Anführungen mögen genügen,
um zu zeigen, wie viel auch für diefen Ergänzungsband
die reformationsgefchichtliche Forfchung dem Verf. zu
danken hat; die Vorzüge einer genauen, knappen und
überfichtlichen Bearbeitung, durch welche fchon feine
früheren urkundlichen Mittheilungen fich auszeichnen,
kehren auch in ihm wieder, wenn auch hier allerdings
die Frage fich nicht unterdrücken läfst, warum bei dem
an fich fchon fo grofsen Umfang des Materials die bereits
anderwärts, namentlich bei Herminjard und in
Zwingli's Briefwechfel zum Abdruck gelangten Stücke
nicht bei Seite gelaffen worden find. Die mit einem
Fragezeichen verfehenen Worte ,dafs das wort gottes
loffe' (Nr. 67, 7) finden ihre Erklärung in 2 Theff. 3, 1,
der Ausdruck: ,Nytharts fielen' (Nr. 617 , 4) in einer
Stelle im ,Neithartsfpiel' (Keller, Faftnachtsfpiele aus
dem 15. Jahrh. I, S. 413), wonach der Ausdruck fo viel
als Koth bedeutet.

Bafel. R- Staehelin.

Wiegand, Pfr. Adelb., W. M. L. de Wette. 1780—1849.;
Eine Säcularfchrift. Erfurt 1879, Stenger. (VIII,
102 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Der Verfaffer hat, wie er uns im Vorwort mittheilt,
fieben Jahre in Buttftedt zugebracht, wo de Wette einen
Theil feiner Jugendjahre verlebte, ,gerade in dem Haufe
wohnend, in welches de Wette zur Schule gegangen',
und diefe Thatfache fcheint ihm zum Antrieb geworden
zu fein, für die Säcularfeier von de Wette's Geburtstag
fi2. Januar diefes Jahres) mit einer Biographie diefes
Theologen hervorzutreten. In kurzer chronologifcher
Zufammcnftellung wird darin ein Lebensgang gefchildert,
der in der That fowohl durch feine Bedeutung für die
Theologie und die Kirche, wie durch die ernfte, drama-
tifche Verwicklung feiner äufsern Schickfale wie wenig
andre eine biographifche Schilderung verdient, und der
Verf. war dabei in der Lage, theils aus dem perfönlichen
Verkehr mit de Wette's Verwandten, theils aus dem ihm
zu Gebote geftellten Briefwechfel manche dankenswerthe
Mittheilungen machen zu können, wie z.B. über fein häusliches
Leben in Berlin, feinen Aufenthalt in Weimar und
die von dort aus gemachten Reifen, feine Verhältnilsc
in Bafel, während man allerdings bei der Darlegung
feines häuslichen Unglücks diejenige Zartheit und Rück-
fichtnahme vermiffen wird, die durch die Ueberlaffung
von Familienbriefen gefordert erfcheint, und ltatt deffen
lieber Anderes, wie etwa die Piindrücke der italienifchen
Reife in diefer Ausführlichkeit behandelt gefehen hätte.
Noch mehr erfcheint indefs dem Ref. der Werth diefer an
fich fo zeitgemäfsen Jubiläumsarbeit beeinträchtigt durch
zahlreiche Nachläffigkeiten fowohl ftiliftifcher als auch
fachlicher Art, die bei gröfserer Sorgfalt hätten vermieden
werden können. In erfterer Beziehung feien Ausdrücke
notirt wie S. 11, wo es von Fries heifst: ,er be-
ftrebte lieh in feinen Vorlefungen nach energifchem Selbft-
ftudium und aufrichtiger Prüfung', oder S. 67 die Be-