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Ausgabe: | 1880 |
Spalte: | 143-144 |
Autor/Hrsg.: | Trede, Karl |
Titel/Untertitel: | Die Bergpredigt des Herrn. Eine Weckstimme f. die Gegenwart. Reden 1880 |
Rezensent: | Wetzel, R. E. |
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(S. 452—460) ergiebt. Stets fühlt man dem Redner die
Wärme des religiöfen Gefühls, die Aufrichtigkeit der
Ueberzeugung, den Ernft der Gefinnung an. Es kommt
ihm alles, was er fagt, von innen heraus. Es ifl nichts
Gemachtes in feinen Predigten. Alles ifl; einfach, volks-
thümlich, gediegen nach Inhalt und Form. Befonders
angenehm berührt es, dafs der Verfaffer, ohne gelehrt
zu werden, wo es nöthig ifl, immer auf den Grundtext
zurückgeht und diefen behufs genauer Erklärung forg-
fältig zuzieht. Nicht weniger ifl an R. zu rühmen, dafs
er rückfichtlich der Dispofition fich an keine Schablone
bindet, jederzeit aber fich logifcher Klarheit und fprach-
licher Deutlichkeit befleifsigt. In Einzelheiten einzugehen,
halten wir für unnöthig; wohl aber möchten wir jedem
Prediger, der, welches immer fein theologifcher Standpunkt
fein mag, beflrebt ifl, fich homiletifch weiter auszubilden
, mit Beziehung auf diefe Epiftel-Poflille zurufen:
, Tolle, lege'!
Crefeld. F. R. Fay.
Trede, Paft. Karl, Die Bergpredigt des Herrn. Eine Weck-
flimme f. die Gegenwart. Reden. Kiel (1879), Lip-
fius & Tifcher. (VI, 397 S. gr. 8.) M. 3. 60.
Die vorliegenden Reden find , wie der durch feine
Abhandlung über die Zukunft der fchleswig-holfteinifchen
Landeskirche 1870, den Werth des kirchl. Bekenntnifses
1871, feine Reden über das Vater-Unfer 1872, den Je-
fuitismus und feine Moral 1877 und feinen Vortrag über
den einheitlichen Urfprung des Menfchengefchlechts 1878
als ein mit den wichtigften Fragen der Zeit vertrauter
Mann bekannte Verfaffer in der Vorrede zu denfelben
fagt, das Refultat einer Ueberarbeitung" von Predigten,
welche er als Paftor vor feiner Gemeinde gehalten hat.
Wenn er als die wichtigfte aller Zeitfragen die erkannt
hat, wie unferm Volk das chriftliche Leben, deffen
Unentbchrlichkeit immer klarer wird, zu bewahren
fei, fo will er durch diefe Reden auch an feinem Theil mit
zur Löfung diefer Frage beizutragen fuchen. Als ein
fehr fchätzbarer Beitrag zur Löfung diefer Frage dürften
fich auch diefe Predigten erweifen.
Dafs gerade die Bergpredigt fich zu diefem Zwecke
vorzüglich eignet, unterliegt ja wohl keinem Zweifel.
Mit Recht fagt der Verf.: Je mehr die Bergpredigt auch
noch heute von Seiten des Unglaubens als feine befon-
dere Domäne betrachtet zu werden pflegt, defto mehr
hat der chriftliche Glaube das Recht und die Pflicht,
gerade fie auszubeuten, um zu zeigen, dafs ein Leben,
wie es hier dargeflellt und gefordert wird, ohne Glauben
in der Luft fchwebt. Eine ethifche Vertiefung, wie wir
fie gebrauchen, ifl ohne dogmatifche Fertigkeit undenkbar
'. Und wir müffen fagen: der Nachweis, dafs ohne
dogmatifche Fertigkeit ein Leben, wie es der Herr in
der Bergpredigt fordert, nicht möglich fei, ift dem Verf.
gelungen. ,Weckftimmen' hat derfelbe feine Reden genannt
und fie wären in der That geeignet, Manchen zu
erwecken und Manchem die Augen aufzuthun, der jetzt
vermeint im wahren Chriftenthum, nämlich dem Chriften-
thum der Bergpredigt zu flehen und doch dem wahren
Chriftenthum fo ferne fleht. Aus diefem Grunde möchten
wir diefe Reden befonders den Predigern der Gegenwart
empfehlen, nicht blofs weil fie auch für diefe manchen
Weckruf enthalten, fondern, weil fie diefen ficher-
lich ein Sporn fein werden, auch ihrerfeits folche Weck-
rtimmen ertönen zu laffen. In welcher Weife dies ge-
fchehcn foll, dafür müffen diefe Reden wirklich als vorbildlich
bezeichnet werden. Sie fchöpfen ftets aus der
Tiefe und diefes Schöpfen ift ja nur dem Glauben möglich
, und doch bieten fie das fo gefchöpfte Waffer des
Lebens in einem Gefäfs, aus dem es Jederman möglich
ift zu trinken, in einer bei allem Reichthum des Gebotenen
einfachen, klaren, durchfichtigen Form. Sie find
von Anfang bis zu Ende wie aus einem Guffe und doch
im Einzelnen aufs Sorgfältigfte gefeilt und ausgearbeitet.
Wer das Buch in die Hand nimmt, der wird reichen
Gewinn davon haben fowohl für die eigene Erkenntnifs
und Vertiefung feines Glaubens und Lebens, als auch
für die dahin gerichtete Wirkfamkeit an Anderen. Wir
wünfchten, dafs das Buch befonders von Prediger-Con-
ferenzen und theologifchen Lefevereinen gekauft und
zur Circulation gegeben würde. Wir find feft überzeugt,
dafs Viele, die es auf diefem Wege kennen lernten,
wünfchen würden, dasfelbe zu befitzen. Der Weg zur
Erfüllung diefes Wunfehes ift bei dem äufserft niedrigen
Preife des Buches (M. 3. 60) nicht zu weit, als dafs wir
nicht hoffen dürften, dafs Viele ihn gehen werden.
Bifchofswerda. Wetze 1.
Neue Christoterpe. Ein Jahrbuch, hrsg. von Rud. Kögel,
Wilh. Baur und Emil Frommel, unter Mitwirkung
von Frz. Delitzfch, N. Fries, M. Frommel u. A.
Bremen 1880, Müller. (X, 325 S. 8.) M. 4. —
Diefes neu verjüngte chriftliche Jahrbuch, das den
Aelteren unter uns noch in feiner früheren Geftalt in
guter Erinnerung ift, nimmt einen viel verfprechenden
Anfang, wie dies bei den bewährten Namen der Herausgeber
nicht anders zu erwarten ift. Auch wir be-
grüfsen es mit dankbarer Freude, und wünfchen ihm
nach dem lebhaften Beifall, mit dem diefer erfte Jahrgang
aufgenommen worden ift, eine nachhaltige warme
Theilnahme.
Eingeführt wird es durch den Sänger des Schwabenlandes
, das die Heimat der alten Chriftoterpe war,
durch Karl Gerok, mit einem fehr gelungenen Gedicht
, das die Motive des ,Mädchens aus der Fremde'
in ingeniöfer Weife verwendet. Neben Gerok bietet
auchjul. Sturm einige poetifche Beiträge von warmer
und tiefer Empfindung. Der Dichter verkennt aber
feine Gabe, wenn er aus feiner Sphäre, dem Gebiete
rcligiöfer Subjectivität, heraustritt. Sein ,Abendmahls-
lied' ift bei aller Emphafe matt, ohne poetifchen Gehalt,
und bezeichnet charakteriftifch die Schranke des modernen
Dichters. Mit einer gröfseren genialen Dichtung:
,Paracelfus' von bedeutender Gedankentiefe, kühnem
Schwung der Phantafie und Virtuofität der Form tritt
R. Kögel, der gefeierte geiftliche Redner, als Dichter
auf, in welcher Geftalt er uns wenigftens das erfte Mal
hier begegnet. Es ift freilich ftarke Kofi, die in diefem,
das prometheifche Streben des modernen Culturmen-
fchen in feinen Holzen Träumen und feinem tiefen Verderben
beleuchtenden und des echten Bibelglaubens
Wunderkraft verherrlichenden Gedichte geboten wird,
aber es ift unferm ,chriftlichen Publicum', das Alles
glatt und mundrecht zugerichtet haben will, recht heil-
fam, in ernftem Nachdenken geübt zu werden.
In dem erften gröfseren profaifchen Beitrag ergeht
fich Wilhelm Baur im weiten Mantel finnig-erbaulicher
Betrachtung über die Herrlichkeit der ,deut-
fchen Weihnacht', die er nach allen Seiten hin,
in ihrem Urfprung und ihrer Bedeutung, ihrer Gefchichte
in Sage und Sitte, in Bild, Lied und Spiel, wie in der
Predigt und ihrer gegenwärtigen Feier, mit lebensvoll-
fter Anfchaulichkeit, warmem Gemüthston und oft über-
rafchend finniger Verwendung einzelner Züge beleuchtet.
Nur fcheint uns der Verf. hin und wieder mit etwas zu
hellen Farben zu malen , z. B. wo er die öffentlichen
Weihnachtsbefcheerungen fchildert. Das Ganze ift felbft
ein hellftrahlender, reichbehangener, in frifchem Grün
duftender Chriftbaum. Einen kleinen, aber werthvollen,
intereffanten Beitrag zur biblifchen Pfychologie mit fehr
berechtigter Spitze gegen den modernen Intellectualis-
mus bietet Franz Delitzfch in feinem Auffatz: ,Herz
und Hirn'.
Am wenigften haben wir uns, offen geftanden, mit
den Gaben der beiden trefflichen Männer befreunden