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Ausgabe:

1880

Spalte:

140-141

Titel/Untertitel:

Stammbuch des Pfarrers 1880

Rezensent:

Lindenberg, H.

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 6.

fetzungen und ihren Einflufs auf das geiftige Leben der
Culturvölker wie der Naturvölker, überhaupt die literar-
ifchen Leiftungen der Miffionare, die Bedeutung der
Schulen in ihren verfchiedenen Stufen, die hervorragende
Stellung derfelben in der evangelifchen Miffion und die
Heranbildung eingeborner Lehrer und Prediger. Darauf
folgt das fittliche Culturgebiet. Für die fittliche Umwandlung
der Südfeevölker durch die Miffion tritt felbft
Darwin als Zeuge auf. Das Menfchenleben wird durch
den Einflufs der Miffion gefchont, Sklavenhandel und

nur einiges hervorgehoben, um die Lefer einzuladen,
das Buch felbft in die Hand zu nehmen. Es werden
gewifs viele, welche der Miffion bis jetzt ferner geftanden
lind, mit ebenfo grofser Befriedigung dasfelbe lefen, wie
der Schreiber diefer. Zeilen, und Refpect bekommen
vor den viel verkannten Leiftungen der modernen Miffion
, aber auch begreifen, wie diefelbe, eben wenn
fie zugleich Cultur bringen foll, grofse Geldopfer
erfordert. Diefen Punkt hätten wir bei Warneck
noch mehr hervorgehoben gewünfcht, überhaupt,

Sklaverei abgefchafft, das weibliche Gefchlecht focial j dafs die Miffion je nach Umftänden zugleich Cultur brin-
und fittlich gehoben, Weiberkauf und Kinderheirathen be- j gen müfs, wenn das Chriftenthum in einem Volk feft

feitigt, auch andern focialen Krebsfchäden, wie die Kafte,
entgegengewirkt, Arme, Kranke und Waifen gepflegt.
Das ftaatliche Leben ift auf den Sandwichin fein , in Poly-
nefien und auf Madagaskar mit der Chriftianifirung der
Regenten umgeftaltet worden, und wenn dabei auch einzelne
Mifsgriffe vorgekommen find, fo laffen fich
wenigftens mildernde Gründe dafür geltend machen
(S. 158).

Der zweite Hauptabfchnitt befpricht nun das Ver-
hältnifs der Cultur zur Miffion, oder die Frage,
ob die moderne Cultur auch eine Miffionsmacht
fei, wie die Miffion eine Culturmacht. Warneck giebt
zu, dafs allerdings die religiöfe Erweckung die Hauptquelle
für das Miffionsleben der Gegenwart fei, und dafs
nur religiös lebendige Kirchen miffioniren, dafs aber die
geographifchen Entdeckungen erft der Erweckung ihre
Miffionsrichtung gegeben haben, dafs der Weltverkehr
und die europäifche Herrfchaft zum Verfall der heid-
nifchen Anfchauungen viel beigetragen habe. Aber die
europäifche Civilifation ohne Chriftenthum kann auf den
Trümmern des Alten nichts Neues bauen. Warneck
bekämpft dabei entfehieden den auch von Gerland ver-
theidigten Satz, dafs die Cultur der Miffion vorausgehen
müffe. Dabei führt er namentlich den Begründer
der Miffion auf Neufeeland an, Samuel Marsden,
der felbft den Verfuch machte, zuerft Civilifation auf
Neufeeland zu verbreiten, um erft nachher das Chriftenthum
zu predigen, dann aber nach 20jährigen vergeblichen
Verfuchen die Ueberzeugung ausfprach: Civilifation
ift nicht nothwendig vor dem Chriftenthum. Man

begründet werden foll, dafs fie diefer Aufgabe nicht
ausweichen darf, auch wenn fie grofse Opfer verlangt.
Wie wollte man z. B. die Auftralneger chriftianifiren,
ohne fie an eine andere Lebensweife zu gewöhnen?
Aber auch in Afrika hat die Basler Miffion auf der Gold-
küfte mit grofsen Opfern an Geld und Menfchenleben
allerlei Werkftätten und Oekonomie eingeführt, weil die
englifche Regierung bis zum Afantekrieg 1873 gar nichts
gethan hatte, um die Neger aus ihrem Faullenzerleben
herauszuheben. — Möchte Warneck's Buch namentlich
auch in folchen Kreifen gelefen werden, wo v. Hellwald
und andere Schriftfteller falfche Begriffe und Vorftell-
ungen verbreitet haben und zur richtigen Würdigung
der Miffion als einer allgemeinen Chriftenpflicht das
Seinige beitragen!

Möffingen bei Tübingen. P. Wurm.

Stammbuch des Pfarrers. [Kulturhiftorifche Stammbücher.
3. Bd.] Stuttgart (1879), Spemann. (VII, 319 S. 8.)
M. 4. - ; geb. M. 5. —

Es ift keine geringe Aufgabe, welche die Redaction
diefer ,culturhiftorifchen Stammbücher' fich geftellt hat,
,aus den Literaturen fämmtlicher namhaften Culturvölker
für alle höheren Berufskiaffen das wefentliche Material
zufammenzutragen, daraus fich für den denkenden Lefer
von felber, wenn nicht eine Gefchichte der einzelnen
Berufsarten, der Stellung des Arztes, Lehrers, Pfarrers,
Künftlers, Soldaten u. f. w., fo doch eine Vorhalle dazu
auferbaue'. Das vorliegende ,Stammbuch des Pfarrers'
treibe beides nebeneinander, wenn man will; aber man j enthält Urtheile und Schilderungen, die Stellung und

wird mimer finden: die Civilifation folgt eher dem Chri- ! den Beruf des Geiftlichen betreffend, aus mehr als 200
ftenthum als umgekehrt' (S. 217). Es wird nun weiter ! der verfchiedenartigften Autoren von Bernhard von
das Verderbliche der europäifchen Civilifation ohne j Clairvaux bis zu dem Recenfenten von W. Baur's

Chriftenthum befchrieben, welche Schändlichkeiten durch
die Selbftfucht der Weifsen an den uncultivirten Völkern
fchon verübt worden find, fo dafs die Miffion nur
als eine Sühne für die an ihnen begangenen Verbrechen
betrachtet werden könne (S. 274). Endlich werden die
Vortheile und die Nachtheile unterer Culturüberle-
genheit gegen einander abgewogen und zugegeben,

,evang. Pfarrhaus' in der Augsburger Allgem. Zeitung.
Der l. Theil bringt unter der Ueberfchrift: .Allgemeines
' Citate über Namen, Amt, Kleidung, fociale Stellung
, Statiftifches u. f. w., in welchen auch die vorrefor-
matorifche Zeit mit berückfichtigt wird. Im 2. Theil
(S. 41—316) ,der Pfarrer in den chriftlichen Hauptländern
feit der grofsen Kirchentrennung' find die Aus-

dafs auch in der modernen Miffion leicht Culturcarrica- züge nach den Ländern geordnet. Dafs trotz der Bunt-
turen und Entnationalifirung vorkommen können, dafs in j fcheckigkeit des zufammengeftellten Materials abfolute
Afrika und auf den Sundainfeln der Islam viel erfolg- Vollftändigkeit nicht erwartet werden kann, liegt auf
reicher miffionire als das Chriftenthum, weil die Agenten der Hand. Andererfeits wird es kaum einen Lefer ge-
desfelben fo ziemlich auf derfelben Civilifationsftufe ben, der nicht zu dem Zugeftändnifs bereit wäre: ,Multa
flehen wie die Heiden (S. 281). Aber in Japan finden < de Iiis non reperissem, si ipse quaesissem1. In dem fleifsig
fich europäifche Culturcarricaturen auch ohne Chriften- j zufammengetragenen Material, das ein forgfältig gear-
thum; die Miffion kann nicht für alles verantwortlich beitetes Regifter leicht benutzbar macht, liegt das Ver-
, gemacht werden; fie kann am eheften noch einen gefun- dienft diefer Arbeit, und fofern diefelbe nichts fein
den, ftetigen Fortfehritt wirken. ,Nur in einem wachs- will als eine Sammlung von Baufteinen, die allmählich
thümlichen Fortfehritt liegt für die nichtchriftlichen noch erweitert und gefichtet, zur Grundlage für fpätere
Völker der Gegenwart die Garantie einer ihnen fegens- i culturhiftorifche Ausfuhrungen dienen möchte, wird fie
reichen Culturentwicklung. Wollen die Völker des Abend- I Jeder willkommen heifsen. Dafs aber ,der denkende
landes nicht blofs die Befitzer ihrer Länder und die Aus- Lefer' aus den bis jetzt gegebenen Citaten ein annähernd
beuter ihrer Kraft, fondern ihre Wohlthäter werden; wollen ! richtiges Bild von der Stellung des Pfarrers in den ver-
fie mit ihnen als ebenbürtigen Menfchenwefen verkehren, ! fchiedenen Ländern und in den verfchiedenen Epochen
die im grofsen Weltverkehr je länger je mehr einander ] gewinnen werde, möchte Ref. bezweifeln. Dazu ift das
dienen, — fo müffen fie gerade im Intereffe der Cultur j Material noch lange nicht erfchöpfend genug. Er ge-
der Miffion allen möglichen Vorfchub leiften' (S.310). ! winnt doch immer nur eine Anschauung, wie fich in
Damit haben wir aus der reichen Fülle des Inhalts I diefem oder jenem Kopfe der Beruf des Geiftlichen ge-