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Ausgabe:

1880

Spalte:

129-131

Autor/Hrsg.:

Holtzmann, Heinrich Julius

Titel/Untertitel:

Die Pastoralbriefe, kritisch und exegetisch behandelt 1880

Rezensent:

Lipsius, Richard Adelbert

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.
Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig, <L C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

No. e_ 13. März 1880. 5. Jahrgang.

Hollzmann, Die Paftoralbriefe kritifch und

exegetifch behandelt (Lipfius).
Friedrich, Zur älteften Gefchichte des Primates

in der Kirche (Overbeck).
Lieb mann, Zur Analyfis der Wirklichkeit, eine
Erörterung der Grundprobleme der Philo-
fophie, 2. Aufl. (Holtzmann).
Paludan-Müller, Das Sichtbare und das Un-
fichtbare, Verfuch einer fchiedlich-friedlichen
Auseinanderfetzung mit dem modernen Rationalismus
(Härtung).

Warneck, Die gegenfeitigen Beziehungen jahres (Fay).

zwifchen der modernen Million und Cultur
(Wurm).

Stammbuch des Plarrers [Kulturhiflorilche Stammbücher
, 3. Bd.] (Lindenberg).
Jacobi, Geiltliches Vademecum, Praktilche
Winke lür evangelilche Prediger etc. (Härtung).
Kolde, Die Krankenkommunion, Agendarilches

Hillsbuch (Derl.).
Mathe, Jungfrauenbrevier, Gebete in Freud' und

Leid etc. 2. Aufl. (Härtung).
Redenbacher, Epiftel-Poftille, Predigten Uber
alle Sonn- und Felttags-Epilleln des Kirchen-

Trede, Die Bergpredigt des Herrn, eine Weck-
llirnme lür die Gegenwart, Reden (Wetzel).

Neue Chriftoterpe. Ein Jahrbuch, hrsg. von
Rud.Kögel, Wilh.Baur undEmil Frommel
(Meier).

Engelbach, Saronsblumen und Heckenrolen,
Gedichte (Lindenberg).

Hamann's Dienft- und Ruhejahre (Lindenberg).

Hamann's Lehr- und Lebensfpruche, ein geordneter
Auszug feiner fämmtlichen Schriften
(Der!.).

Holtzmann, Prof. Dr.Heinr.Jul., Die Pastoralbriefe, kritisch
und exegetisch behandelt. Leipzig 1880, Engelmann.
(XII, 504 S. gr. 8.) M. 8. —

Die bekannten Vorzüge Holtzmann'fcher Arbeiten
• — gründliche Gelehrfamkeit, gefunder exegetifcher und
kritifcher Sinn, umfichtige und erfchöpfende Behandlung
aller Detailfragen und umfaffende Benutzung der ganzen
oft ziemlich entlegenen Literatur — find auch diefem
neueften Werke über die Paftoralbriefe in hervorragendem
Mafse eigen. Referent darf freilich nicht hoffen,
dafs die Unterfuchung der Paftoralbriefe durch die
vorliegende Arbeit zum ,Abfchluffe' gebracht worden
fei, nämlich in dem Sinne, dafs die Erträgnifse der
Holtzmann'fchen Forfchung fich allgemeiner Anerkennung
erfreuen würden. Es wird auch künftig an Solchen
nicht fehlen, die den fo oft fchon angeftellten
und immer wieder fehlgefchlagenen Verfuch erneuern
werden, die Briefe trotz allen entgegenftehenden fprach-
lichen und fachlichen Gründen unter die echten Paulusbriefe
einzureihen. Aber denjenigen unter den Verthei-
digern der Echtheit der Paftoralbriefe, welche überhaupt
noch auf wiffenfehaftliche Discuffion etwas geben, wird
durch die Iloltzmann'fche Arbeit ihr Gefchäft wenigftens
herzlich fauer gemacht werden. Das Buch zerfällt in
einen kritifchen und einen exegetifchen Theil. Der kri-
tifche Theil erörtert nach einer Charakteriftik der Briefe
und einer überfichtlichen Gefchichte ihrer Kritik zunächft
die in den Briefen vorausgefetzte hiftorifche Situation
und kommt zu dem Ergebnifse, dafs diefelben in die
bekannte Lebensgefchichte des Apoftels fich nirgends

— namentlich auch nicht in das ephefinifche Triennium

— fich einfügen laffen, ebenfo wenig aber in den .fraglichen
Theil' feines Lebens, d. h. in die Zeit nach den
Act. 28, 30 genannten zwei Jahren römifcher Gefangen-
fchaft, da die Hypothefe einer Befreiung des Apoftels,
nochmaliger Bekehrungsreifen und einer zweiten Gefangen-
fchaft fich als ebenfo grundlos an fich felbft, wie als un

Verfolgung fein. In den beiden folgenden Capiteln behandelt
Holtzmann ,die künftliche Geftaltung der Situation
' und ,die Rolle der Adreffaten'. In erfterer Beziehung
begründet er das Urtheil, dafs der angebliche Paulus fich
fchon durch die auffällige und ungewohnte Art feiner
Selbftbezeichnung, durch die geluchte und ftudirte Weife
feines Auftretens verrathe; zugleich aber zeigt er, dafs
die Situation, welche die Briefe vorausfetzen, eine in fich
felbft undenkbare und widerfpruchsvolle fei. In letzterer
Beziehung fucht Holtzmann zu erweifen, dafs namentlich
die an Timotheus gerichteten Mahnungen fich fchlecht
mit dem Bilde eines langjährigen treuen Gehilfen des
Paulus zufammenreimen. Die ,negative Kritik' wird ver-
vollftändigt durch eine fehr eingehende und umfichtige
Erörterung des Sprachgebrauches unferer Briefe, in welcher
namentlich die Nachweife ihrer Abhängigkeit von
den älteren paulinifchen Briefen und von den Lukas-
fchriften hervorgehoben zu werden verdienen. Den Ab-
fchlufs diefes Theiles bildet eine Erörterung der Hypo-
thefen, welche namentlich im zweiten Timotheusbrief
einen echten Kern feilzuhalten fuchen. Holtzmann kommt
zu dem Ergebnifse, dafs keiner jener Ausfcheidungsver-
fuche zum Ziele führe. Ref. mufs aus eigener Erfahrung
bekennen, dafs er fich viel mit ähnlichen Verfuchen
bemüht hat; es ift ihm aber gegangen wie mit den fibyl-
linifchen Büchern, jedesmal wenn er das Problem von
Neuem in Angriff nahm, wurde ihm das als echt zu Behauptende
weniger und weniger, bis ihm auch der letzte
Reff unter den Händen verfchwand. Der zweite Theil
der kritifchen Unterfuchung ift überfchrieben ,Die pofitive
Kritik'. Darin kommen der Reihe nach die Irrlehre,
der eigene Lehrbegriff der Briefe, die kirchliche Organi-
fation, endlich .übrige Zeitfpuren' zur Sprache. Hinficht-
lich der Irrlehrer zeigt Holtzmann mit Recht, dafs unter
denfelben weder reine Judaiften, noch Samaritaner oder
Effäer (.Therapeuten') verftanden werden können, auch die
Beziehung auf Marcioniten weift er mit Recht zurück.
Fraglicher erfcheint dagegen, ob er im Rechte ift, wenn

durchführbar im Einzelnen erweife. Ergötzlich ift es, hier- j er auch die Beziehungen auf die .Ophiten', richtiger auf

bei zu fehen, wie ein Apologet immer wieder an dem
andern die erforderliche Kritik vollzieht. Zur Ergänzung
des S. 38 über die Chronologie des Eufebius Bemerkten
füge ich hinzu, dafs das von der römifchen Kirche noch
heute feftgehaltenc angebliche Todesjahr der Apoftel
Petrus und Paulus, 67 u. Z., lediglich auf der in der
Kirchengefchichte vorgenommenen Herabdrückung des
angeblichen römifchen Antrittsjahres des Apoftelfürften
39 u. Z. auf 42 u. Z. beruht. Das Jahr 67 foll auch nach
der neuen Rechnung das Jahr der neronifchen Chriitcn-

die Vulgärgnofis, abweift. Die von ihm geltend gemachten
Inftanzen find nur gegenüber dem Verfuche von Schenkel,
die Irrlehren unferer Briefe bis in alle einzelnen Züge
hinein in den ,Ophiten' des Irenäus wiederzufinden, berechtigt
, nicht aber gegen eine Anficht, welche die Züge
jener fälfehlich ophitifch genannten Vulgärgnofis zum
grofsen Theile bereits bei Saturninus wieder erkennt.
Schwierigkeiten macht nur der in anderen Stellen fo ftark
hervorgehobene Judaismus der Häretiker. Die Auskunft
Holtzmann's, dafs der Verfaffer der Zeit des ausgeprägten

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