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Ausgabe:

1880

Spalte:

108-109

Autor/Hrsg.:

Schanz, Paul

Titel/Untertitel:

Commentar über das Evangelium des heiligen Matthäus 1880

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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ihm gefammelten, aufser der genannten noch drei den
bisherigen Herausgebern unbekannt gebliebene Hand-
fchriften umfaffenden Materials für eine neue Ausgabe
des Psalterium Salomonis.

Göttingen. O. Gebhardt.

Lagarde. Paul de, Semitica. 2. Heft. [Aus: Abhandlungen
d. k. Gef. d. Wiff. zu Göttingen.'] Göttingen
1879, üieterich's Verl. (48 S. gr. 4.) M. 2. 40.

Im Jahr 1860 (nicht 1850, wie S. 1 Z. 3 fleht —
neben aar flatt atv S. -33 Z. 2 v. u. wohl der einzige
Druckfehler im ganzen Heft) gab Tifchendorf im dritten
Band feiner Monumenta, nova collectio, 130 in Leiden befindliche
Blätter einer der wichtigften Septuagintahand-
fchriften, des Codex Sarravianus, heraus, nebft einem
weitern, dazu gehörigen, jetzt in Petersburg befindlichen
Blatt. In Paris finden fich 22 Blätter derfelben nach
Tifchendorf vielleicht noch dem 4. Jahrhundert zuzu-
weifenden Handfchrift, die darum fo befonders werthvoll
ift, weil fie fafl allein die textkritifchen Zeichen des
Ongenes forgfältig bewahrt hat. Diefe Stücke wollte
Tifchendorf im 5., fpäter im 8. Band feiner Monumenta
mittheilcn. Lr kam nicht dazu; fo erhalten wir diefel-
ben durch Lagarde, der S. 4—47 den Text Zeile für
Zeile genau abdruckt, in den Vorbemerkungen inter-
effante Notizen über den einfügen Befitzer der Handfchrift
Claude Sarrau (j- 1651 als Parlamentsrath in Paris,
und die nöthigen Angaben über den Codex und die Art
der Herausgabe mittheilt, und .im Schlufswort feinem
Freund Alfred Schöne dankt, der die gedruckten Bogen
noch einmal mit dem Text verglichen. Unter dem
Text find feine und Lagarde's Anmerkungen über die
Correcturen etc. mit bekannter Akribie angegeben.
Lagarde hat Recht, wenn er glaubt, die Parifer Handfchrift
graecus 17 quart, einfl ( Jihuanaeus-, dann) Colber-

tinus 3084, darnach Regius —entbehrlich gemacht

zu haben.

So wichtig der hier gebotene Text ift, fo fcheint
mir die Art und Weife, in welcher er geboten wird,
noch viel wichtiger. Ich heifse die Publication willkommen
als einen Proteft gegen die Handfchriftenedirung
a la Alexandrinus, Sinaiticus, Vaticanus, Monumenta
sacra etc., die Lagarde mild als ,unnütz prunkvoll' bezeichnet
. Wo rein mechanifche Nachbildung einer
Handfchrift durch Autotypie, Phototypie etc. nicht
möglich ift, fondern mit Typen nach irgend einer Ab-
fchrift gefetzt werden mufs, was foll die Anwendung
der riefigen Uncialen wie in den genannten Ausgaben?
Ihre Anfchaffung Privaten und kleinen Bibliotheken unmöglich
machen. Die neue Ausgabe des Vaticanus
koftet 700 M., die des Siuait/ats nicht viel weniger, der
nun glücklich antiquirte Alexandrinus von Baber noch viel
mehr. Und doch kennen wir den Text diefer 3 Hand-
fchriften, auch der finaitifchen und den der Leidener
Blätter des Sarravianus, nicht genauer als, ja nicht einmal
fo genau wie jetzt den des Parifer Sarravianus. Der
einzige Grund, dafs in der Uncialfchrift einander Buchitaben
ähnlich fehen, die es in der Minuskelfchrift nicht
find, dürfte kaum ernftlich angeführt werden; jeder kann
fofort ein mit Minuskeln gedrucktes Wort in die ent-
fprechende Uncialform übertragen und vom Koften-
punkt ganz abgefehen kommt z. B. der ärgerliche
Uebelftand der römifchen Uncialen, dafs durch Ab-
fpringen der linken Hälfte von T alle Augenblicke F
dafteht, oder von Setzer und Corrector C 6 O 0 etc.
verwechfelt werden, bei unfern Minuskeln nicht vor.

Die hier abgedruckten Blätter von G (fo bezeichnet
Lagarde den Sarravianus) enthalten Fragmente des Exodus
, die letzten Capitel, welche bekanntlich in der
griechifchen Ueberfetzung ganz befonders vom hebrä-

ifchen Text abweichen, Leviticus (1—4, 26; aus cc. 13
—19) und Num. cc. 25. 26. 29. Bei Holmes figuriren
fie unter V. Wer fie für ihn collationirt hat, weifs ich
nicht, da feine Annual Accounts mir hier nicht zur Hand
find; herzlich fchlecht find auch fie collationirt. Die
Exoduscapitel finden fich nach einer von Michael Le-
quien gemachten Abfchrift auch fchon in Grabe's Ausgabe
der Septuaginta; ebenfo unter Vergleichung einer
fyrifchen Handfchrift in Field's Hexapla; in Montfau-
con's Hexapla flehen auch die andern Stücke faft ganz.
Ob einft die Blätter der Handfchrift, wie es nach Grabe's
Angabe fcheint, in der Reihenfolge 3. 4. 1. 2. 5 ftanden,
erfahren wir bei Lagarde nicht; intereffant ift, dafs den
weggewafchenen Obelus S. 13, B, 1, den Grabe notirt
und Lagarde nicht mehr gefehen hat, Schöne's fcharfe
Augen noch deutlich erkannten. Das fehlerhafte ngoa-
otaei arm: flatt 710. arm:, das Field zu Lev. 2, 7
Anm. 25 Holmes zufchreibt, beruht auf einem Verfehen
feinerfeits. Dafs unter fämmtlichen bis jetzt collationir-
ten Septuagintahandfchriften es nur 2 giebt, eine in
Venedig und eine in Rom, die mit G näher zufammen-
hängen, und dafs Lagarde S. 3 die Frage aufvvirft, auf
wen die uns in den Septuagintahandfchriften und bei
den Kirchenvätern erhaltenen Fragmente der Hexapla
des Origenes zurückgehen, ob auf Lucian oder Eufebius
von Emefa, fei hier noch kürz angeführt, und dem
Herausgeber mit dem Wunfche gedankt, dafs fein Bei-
fpiel viele Nachfolger finden, ihm felber es aber vergönnt
fein möge, das von ihm herangefahrenc Material
auch zu verarbeiten.

Tübingen. E. Ncftle.

Schanz, Prof. Dr. Paul, Commentar über das Evangelium
des heiligen Matthäus. Freiburg i.Br. 1879, Herder.
(VII, 562 S. gr. 8.) M. 7. —

Als Schüler und Nachfolger Aberle's in Tübingen
geht der Verfaffer im Allgemeinen in deffen Spuren,
was ihn nicht abhält, im Einzelnen vorfichtiger und
zurückhaltender zu verfahren als der Lehrer. Diefer
hatte feit 1859 in der Tübinger ,Theol. Quartalfchrift'
eine Art von katholifcher Tendenzkritik, wie Hilgenfeld
es nicht unrichtig bezeichnet (Einleitung, S. 555),
I gefchaffen, in welcher unfer erftes kanonifches Evange-
1 lium als Widerlegung einer gegen das Chriftenthum gerichteten
Schrift des jüdifchen Synedriums erfchien.
Ueber die gänzliche Unfruchtbarkeit diefer und anderer
Hypothefen, welche Aberle in feiner ,Einleitung in
das neue Teftamcnt', 1877 von Schanz herausgegeben,
wiederholte, hat bereits der Herausgeber diefer
Literaturzeitung (1878, S. 136 f.) berichtet. Schanz felbft
hat in der obengenannten Zeitfchrift (1871, S. 479 f.)
eine Abhandlung über das Marcusevangelium geliefert,
welcher 1877 ein Programm über ,dic Compofition des
Matthäusevangeliums' folgte. Auch darüber ift in diefer
Literaturzeitung fchon referirt worden (1877, S. 418 f.),
und zwar in einer Weife, die den Unterzeichneten einer
eingehenden Kritik des vorliegenden, auf Grund jenes
Programmes erbauten, Werkes überhebt, da die an jenem
Ort durch Weifs hervorgehobenen Mängel durchweg
wiederkehren.

Es find eben die der katholifchen Auslegung von
Haus aus gezogenen Schranken , welche den Verfaffer
zu keiner befriedigenden, auch nicht einmal zu einer in
; fich klaren und durchfichtigen Auffaffung des Ganzen
j gelangen laffen. Diefer Mangel macht fich geltend trotz
aller anerkennenswerthen Gelehrfamkeit und reichlichen
| Belefenheit auch in der proteftantifchen Literatur der
Neuzeit. In letzterer Beziehung ift der Verf. feinem
J Lehrer fogar weit überlegen. Vorliegender Commentar
ftrotzt von Zeugnifsen für die Mühe, die er es fich hat
koften laffen, um zu Refultaten zu gelangen, die faft
nirgends über Traditionelles oder wenigftens fchon Da-