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Ausgabe:

1880 Nr. 4

Spalte:

87-90

Autor/Hrsg.:

Kluckhohn, Aug.

Titel/Untertitel:

Friedrich der Fromme, Kurfürst von der Pfalz, der Schützer der reformirten Kirche 1559 - 1576 1880

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 4.

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erfchienene Schrift des Herrn Dr. Ludwig Paftor ,Die
kirchlichen Reunionsbeftrebungen während der Regierung
Karls V' zur Hand nimmt. Was diefer, ein würdiger
Schüler des Herrn J. Janffen in Frankfurt, z. B. über den
Speierer Reichstag von 1529 fchreibt, ift gelinde ausgedrückt
eine Windbeutelei. Wie er die Wahrheit geradezu
verdreht, fleht man z. B., wenn man feine erfte Anmerkung
S. 15 mit der von ihm dort angeführten Stelle in
Luther's Werken vergleicht. Dennoch giebt es ja auch
unerfahrene Proteftanten, die derartigen Herren, wenn
fle nur recht wiffenfchaftlich fleh geberden (jaus den
Quellen dargeftellt') und die Mafsvollen und Unpartei-
ifchen fpielen, Glauben fchenken. Gegen folche im
Dienfte der Unwahrheit flehende, verführerifche Schriften
find ehrliche Darlegungen des Sachverhaltes wie dieoben
befprochene befonders erwünfeht und dankenswert!).

Erlangen. G. Pütt.

Kluckhohn, Aug., Friedrich der Fromme, Kurfürst von
der Pfalz, der Schützer der reformirten Kirche 1559
— 1576. Nördlingen 1877-79, Beck. (XVIII, 478 S.
gr. 8.) M. 7. -

Das oben bezeichnete Werk trägt auf dem Titel
die Jahreszahl 1879, dagegen ift die Vorrede bereits

datirt vom 2. Oct. 1876. Das Werk ift nämlich in zwei ! Uebertritt auf die Seite "des Genfer Reformators ge

das fpäter zu Erwartende zu befürchten hätte. Als
einen befonderen Vorzug des Werkes darf ich noch
hervorheben das fympathifche Verftändnifs, welchesK. für
die Eigenart feines Helden hat, der in dem Zunamen,den
ihm die Gefchichte gegeben, wirklich nach Seiten feines
innerften Wefens charakterifirt ift. Andererfeits hat K.
fleh gehütet in jenen überfchwänglichen Ton zu verfallen
, mit dem wohl fonft die Verehrung gerade für
Friedrich fleh Ausdruck gegeben hat. In der immer
mafshaltenden und nüchternen Beurtheilung, die auch
die Schattenfeiten nicht überfleht, documentirt fleh eben
die volle Kennerfchaft, die K., als Herausgeber der Briefe
des Kurfürften der Bahnbrecher für die zuverläfflge Er-
kenntnifs des Charakterbildes und der Bedeutung des-
felben, vor andern Forfchern fleh erworben.

Geboren 1515 als ältefter Sohn des Herzogs Johann II
von Pfalz-Simmern war Friedrich noch 1537 bei feiner
Vermählung mit Maria, Prinzeffin von Brandenburg-
Culmbach, katholifch und es war der Einftufs feiner Gemahlin
, welcher ihn für die Reformation gewann. Der
Prinz war Lutheraner geworden, wie denn feine Gemahlin
fogar mit befonderem Accente Lutheranerin war,
und es deutet während der nächften 20 Jahre Nichts
auf eine Hinneigung zu Calvin bei ihm hin. Es ift eine
Verkettung befonderer Umftände gewefen, die ihn, erft
nachdem er die Regierung als Kurfürft angetreten, zum

Lieferungen erfchienen, deren erfte vorweg herausge
geben war, um den 26. Okt. 1876, an welchem 300 Jahre
vergangen waren, feit Friedrich der Fromme aus dem
Leben fchied, nicht vorübergehen zu laffen ohne wenig-
ftens das Fundament eines literarifchen Denkmals zu
errichten. Jene zuerft dargebotenen 150 Seiten fchloffen
mit dem fiebenten Kapitel, welches den ,Beginn der
Kirchenreformation und den Heidelberger Katechismus'
zum Gegenftand hatte. Es war alfo das Werk immerhin
fchon fo weit gefördert, dafs der Uebertritt Fr.'s
vom Lutherthum zum Calvinismus und die Anfänge
feines energifchen Wirkens für die letztere Form des
Proteftantismus," mit anderen Worten die Grundlegung
deffen, was das hiftorifche Intereffe des Mannes ausmacht
, dargeftellt war. Zu Ende 1878 erfchienen dann
die weiteren zehn Capitel, welche das Ganze zum Ab-
fchlufs brachten.

Das Buch ift darauf berechnet ,über den engeren
Kreis der Profan- und Kirchenhiftoriker hinaus Aufnahme
und Verftändnifs zu finden'. Um eine folche
weitere Verbreitung der Schrift zu ermöglichen hat der
Verf. fleh angelegen fein laffen, den Umfang derfelben
auf ein ,befcheidenes Mafs' zu befchränken. Wir können
nur bemerken, dafs es ihm geglückt ift, feine Grenzen
fleh aufs Trefftichfte zu bemeffen. Mit der Sicherheit
, welche nur die volle, lange Vertrautheit mit dem
ganzen Materiale gewährt, hat er es verftanden, das Detail
fo weit zu Gunften der Ueberflchtlichkeit und des
rafchen Fortfehritts der Erzählung zu befchränken, dafs
es nie befchwerlich wird, und wiederum dasfelbe doch
fo reichlich und in fo zweckmäfsigen Proben heranzuziehen
, dafs das Bild immer lebendig ift. Der Verf. hat
fleh begnügt, das, ,was für die Charakteriftik der Per-
fönlichkeit und für die Würdigung der weltgefchichtli-
chen Stellung Friedrich's unentbehrlich fchien', vorzuführen
. Seine Darfteilung bewegt fleh demgemäfs, ,da
Friedrich's Bedeutung vorzugsweife auf kirchlichem Boden
ruht, mehr auf diefem Gebiete, als auf dem der
politifchen Gefchichte'. Auf die deutfehe Politik Friedrich
's behält er fleh vor, erft bei einer fpäteren Gelegenheit
genauer einzugehen. Doch ift auf die poli-
tifche Thätigkeit Friedrich's nach ihren verfchiedenen
Beziehungen auch in diefem Werke bereits genügend
Rückficht genommen, dafs wir ficher fein dürfen, nicht
etwa ein Bild des Mannes bekommen zu haben, welches
einfeitig wäre und eine wefentliche Aenderung durch

bracht hat. K. hat die Frage nach den Anläffen der
Abwendung Friedrich's vom Lutherthum bereits früher
in einem Auffatze ,Wie ift Kurfürft Friedrich III von
der Pfalz Calvinift geworden ?' Münchener hiftor. Jahrb.
1866) auf Grund der von ihm erfchloffenen Quellen eingehend
behandelt. In gegenwärtiger Biographie bringt
er die früher gewonnenen Anfchauungen von Neuem
zum Ausdruck und entgegen den Zweifeln, die erhoben
worden find, dünkt mich, dafs er die Gründe jenes Vorgangs
fehr richtig erkannt hat. Dafs Friedrich als
Herzog von Simmern (feit 1557) den Frankfurter Recefs
mit unterzeichnete, dafs er den Flacianern fleh fchon
jetzt abgeneigt erwies und feine Verehrung für Me-
lanchthon fleh bewahrte, kündete keineswegs eine Er-
fchütterung feines lutherifchen Standpunktes an. Denn
er hatte in Beidem Genoffen an mehr als einem Fürften,
der feine fpätere Wandelung nicht begriff und heftig angriff
, und er hat auch in der erften Zeit feiner kurfurftli-
chen Regierung noch direct erklärt, dafs er Nichts gemein
haben wolle mit der reformirten Lehre. Im Jahre 1559
erbte Friedrich die Kurwürde in der Pfalz. Er kam hier
in fehr unfertige kirchliche Verhältnifse hinein. Es traf
fleh, dafs gerade bei feinem Regierungsantritt die bekannten
Streitigkeiten der Entcheidung harrten, die durch
das Auftreten des Hefshufius und den Widerfpruch des
Clebitz hervorgerufen waren. Bemerkenswerth an Friedrich
's Verhalten in diefen Händeln ift doch nur fein
ftrenges Bemühen um ein rechtliches, billiges Verfahren.
Er war bislang den theologifchen Streitigkeiten nicht
näher getreten. Doch war er ein Gegner des ,facra-
mentirerifchen', ,zwinglifchen' Wefens. Es war nun feine
Gewiffcnhaftigkeit, die es nicht duldete, dafs er auf
blofse Verdächtigung hin Jemanden als ,Zwinglianer'
behandelte. Schon dafs er nicht fofort für Hefshus
Partei ergriff, wurde ihm von den Flacianern aufs
Schwerfte verargt und vollends von dem Augenblicke
an, wo er den leidenfehaftlichen Mann — wenn auch
zugleich mit Clebitz — feines Amtes entlaffen, datirt
feine Verdächtigung als Calvinift. Das Prüfen der verfchiedenen
Lehren, wozu er fleh jetzt die Pflicht bei-
mafs, hat ihn in der That auf den reformirten Standpunkt
hinübergeführt. In Friedrich's Religiofltät treten
zwei Momente befonders hervor: fein Abfcheu vor aller
,papiftifchen' Lehre und feine Werthlegung auf den erbaulichen
Charakter und den fittlichen Ernft der chrift-
lichen Lehre. Befonders das erftere Moment macht es