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Ausgabe:

1880 Nr. 4

Spalte:

86-87

Autor/Hrsg.:

Ney, Jul.

Titel/Untertitel:

Geschichte des Reichstages zu Speier im Jahre 1529. Mit einem Anhange ungedruckter Akten und Briefe 1880

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 4.

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tyrertod und Trajan; ferner fcheine die antioclienifche
Bifchofslifte, da fie den Euodius ohne jede nähere Be-
ftimmung an den Anfang ftelle, nicht mit der Abficht
conftruirt zu fein, die Gefchichte diefes Epifcopat's bis
in die apoftolifche Zeit zurückzudatiren: da nun der Zeitraum
von etwa 75 Jahren zwifchen dem Tode des Ignatius
und dem des erften einigermafsen ficher zu dati-
renden Bifchofs Theophilus (c. in welchem nur

4 Bifchöfe regiert haben follen, ein auffallend grofser
fei, fo fei man bei der Werthlofigkeit der überlieferten
Daten berechtigt, die Amtsdauer der 4 Bifchöfe auf nur
etwa 48 Jahre zu berechnen, und komme fo mit dem |
Tode des Ignatius hypothetifch auf c. 138, unter welcher
Vorausfetzung manche gegen die Echtheit der Briefe erhobene
Bedenken fich erledigen würden. Die Tradition
vom Martyrium des Ignatius im 10. Jahre Trajan's kann
echt fein oder auch nicht echt: dafs aber Eufebius fie
gekannt hat, fetzt feine Behandlung der Zeitrechnung
der alterten antiochenifchen Bifchöfe mit Notwendigkeit
voraus.

Ein Excurs S. 73 f. behandelt die alterten römifchen
Bifchofslirten und fucht zu zeigen, dafs nicht blofs der
vom Verf. für Africanus genommene Gewährsmann des
Eufebius'fchen Chronicon eine römifche Bifchofslifte bis
zum Tode des Eleutherus befeffen habe, die mit der in
der Kirchengefchichte verwendeten wefentlich identifch '
gewefen fei, fondern auch dafs überhaupt er, Eufebius
und der Ca f. Liberianus bis zum Amtsantritt des Victor
im Wefentlichen übercinftimmen, wodurch das Ergeb-
nifs von Lipfius bertätigt wird, dafs wir in der ihnen ge-
meinfamen Lifte ein zur Zeit des Victor angefertigtes
Verzeichnifs der römifchen Bifchöfe zu erkennen haben.
Mit diefem Abfchnitte des Buchs find jetzt die neueren
Unterfuchungen zu vergleichen, die Lipfius in den Jahrbb.
f. prot. Theol. VI, 80 ff. über den römifchen Bifchofs-
katalog der Chronik des Philocalus angeftellt hat. Den
Befchlufs macht ein Anhang S. 75—90, welcher Mittheilungen
giebt über einige vom Verf. verglichene Pa-
rifer Handfchriften der Passio S. Polycarpi.

Tübingen. Alfred von Gutfchmid.

Littre. E., Comment dans deux situations historiques les
Semites entrerent en competition avec les Aryens pour
rhegemonie du monde et comment ils y faillirent. [Tire
(Je la Revue de la ,Philofophie pofitive'.] Leipzig
(1879), O. Schulze. (52 S. 8.) M. 1. —

Die kleine Schrift kann hier nur mit wenigen Worten
angezeigt werden, da fie zu den theologifchen Disci-
plinen nur fehr entfernte Beziehungen hat. Die im Titel
gemeinten beiden Kämpfe um die Weltherrfchaft find
Karthago's Ringen mit Rom und die Eroberungszüge i
der islamifchen Araber in die chriftlichen Länder des j
Occidents. In grofsen Umriffen unter gefchichtsphilo-
fophifchen Gefichtspunkten werden diele Epochen der

*) Der Verf. glaubt S. 43 f. in der bei Joannes Malalas wiederholt
angeführten Chronographie eines Theophilus die Schrift nt{>i tntopnöv
wiedergefunden zu haben, auf die der antioclienifche liifchof an vier Stellen
der Bücher an Autolycus verweift. Hinfichtlich diefer fcheint mir
aber Erbes in den Jahrbb. f. prot. Theol. V, 622 ff. den Beweis geführt
zu haben, dafs darunter nichts als das jetzt an falfcher Stelle ftehende
DL Buch an Autolycus zu verftehen ift, wenn auch fein Verfuch, alle 10
C'itate des Malalas aus eben diefem uns noch erhaltenen Werke abzuleiten,
ganz unhaltbar ift. Selbft an den beiden Stellen, zwifchen denen die Aehn-
lichkeit noch am Grohden zu fein fcheint, Theoph II. 31 und Mal. I p. 71,
ift fie lediglich trügender Schein: Theophilus hat feinen erften l'harao
Nechaöth aus Jof. B J. V, 9, 4, der Narachö, welchen die ägyptifche Ur-
gefchichte bei Malalas und feines Gleichen zum Nachfolgt r des Sefoftris
macht, ift identifch mit dem Nencoreus Sohn des Sefolis bei PKn. N. H.
XXXVI g 74. 1 >er Theophilus des Malalas ift ein fpäter antiochenifcher
Chronograph; die 1'offen von Demokrit, der nach I p. 104 den zukünftig
erfcheinenden Gott Heiland, Gottes Sohn, Logos, den Leidlofen,
dem Leiden Unterworfenen, geweiffagt haben foll, fcheinen monophy-
litifche Färbung zu tragen.

Weltgefchichte dargeftellt. Durch eleganten Stil und
feine Beobachtungsgabe weifs der Verfaffer das Gefallen
und das Intereffe des Lefers bis zum Schluffe feiner
Abhandlung ungemindert rege zu halten. Er fieht das
zweimalige Unterliegen des Semitismus als ein Glück
an. ,Die Beweggründe zum Zweifeln an der Befähigung
Karthago's für die grofse Aufgabe (die Behcrrfchung
des Occidents) wachten, wenn man das Werk Rom's in
feine Bertandtheile zerlegt. Diefes Werk brachte die nationalen
Antipathieen zum Verrtummen; es erzeugte eine
Weltfprache und Weltliteratur; es bereitete einer höheren
Religion den Weg' (S. 24). Dafs den Eroberungen
der Araber Einhalt gefchah, war ebenfalls fegensvoll;
denn der Erfolg hat gezeigt, dafs die einftmals der chriftlichen
vorauseilende arabifche Cultur faft ausfchliefslich
reproducirende Kraft befafs, dafs ihr die Befähigung
abging, neues geiftiges Leben zu erzeugen. So war die
weltgeschichtliche Rolle des Islams ausgefpielt, als er die
Vermittelung zwifchen den geirtigen Errungenfchaften
des claffifchen Alterthums und einer neu entftehenden,
ihn bald überflügelnden occidentalifchen Cultur vollzogen
hatte (S. 35 ff.). Seine Aufgabe kann hinfort nur die-
felbe fein wie einftmals, die Refultate einer fremden
Cultur fich anzueignen: wie früher der griechifchen,
fo jetzt der abendländifchen (S. 52). — Auf Einzelheiten,
in welchen ich dem Verf. nicht beizuftimmen vermag,
kann ich nicht eingehen. S. 27 ift zu lefen Melcart ft.
Melcarh.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Ney, Pfr. Jul, Geschichte des Reichstages zu Speier im

Jahre 1529. Mit einem Anhange ungedruckter Akten
und Briefe. [Aus: ,Mittheilgn. d. hiftor. Vereins der
Pfalz'.] Hamburg 1880, Agentur des Rauhen Hauses
in Comm. (X, 368 S. gr. 8.) M. 6. —

Eine Art Jubiläumsfchrift über den wichtigen vor
350 Jahren gehaltenen Reichstag. Die Vorgänge auf
dcmfclben find fchon mehrfach befonders dargeftellt
worden und dadurch auch in ihren Einzelheiten ziemlich
bekannt. Aber gerade hinfichtlich der letzteren eröffnen
fich immer wieder neue Quellen und das macht
nach längerer Zeit eine folche zufammenfaffende Dar-
ftellung, wenn fie mit Sorgfalt gefchicht, doch recht
dankenswerth. Und der Verf. hat es fich die Mühe nicht
verdriefsen laffen, nach neuen Quellen zu fuchen und aus
ihnen zu fehöpfen. Er forfchte im kgl. bayrifchen allgemeinen
Reichsarchiv, im bayr. geheimen Haus- und
Staatsarchiv, in den Reichstagsacten der Stadt Frankfurt
, im ftädtifchen Archiv zu Augsburg, im kgl. württem-
bergifchen Staatsarchiv zu Stuttgart, im Speicrer Stadtarchiv
, in den Kreisarchiven zu Bamberg und Würzburg.
So konnte er feine Schrift mit einer ftattlichen Reihe
(51 Nummern) von Beilagen ausftatten, die ihr einen
bleibenden Werth (ichern. Die Verarbeitung, welche der
Verf. dem ihm vorliegenden Material hat angedeihen
laffen, ift eine recht tüchtige. Er hat fich die Fragen
klar und fcharf geftellt und beftimmte, umfichtig erwogene
Antworten gegeben. Eaft von Tag zu Tag führt
er den Lefer durch die Wochen, welche der Reichstag
dauerte, und zeichnet das Thun und Treiben der beiden
Parteien. Hie und da wird die Darftellung etwas breit
und doch wird man nur feiten fagen können, fie ermüde,
weil immer wieder Einzelheiten cingeflochten werden,
welche die Aufmerkfamkeit wachrufen. Kurz, es ift eine
gefchichtlichc Arbeit, für die man Grund hat, dem Verf.
dankbar zu fein, und welche man allen denen empfehlen
darf, die über diefen fo wichtigen Zeitpunkt in der Re-
formationsgefchichte fich ein begründetes und klares Ur-
theil bilden wollen. Wie wichtig die erneute Durch-
forfchung und Befchreibung auch fo bekannter Gefchichts-
momente ift, erkennt man, wenn man die faft gleichzeitig