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Ausgabe:

1880

Spalte:

59-60

Autor/Hrsg.:

Rinn, Heinr.

Titel/Untertitel:

Die Augsburgische Confession. Mit einer Einleitung und erläuternden Anmerkungen 1880

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Seite 1

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ausfetzung der vollen Gefchichtlichkeit der evangelifchen
Berichte werden die näheren Details derfelben unter-
fucht. Dabei ift anzuerkennen, dafs der Verf. nirgends
rationalifirt, fondern den Satan wirklich leibhaftig auftreten
läfst. Auf die Hauptfrage nach der Gefchichtlichkeit
des Factums felbft wird nicht eingegangen, denn
,mit denen, welche diefe wie fo viele andere Erzählungen
der Evangelien für einen Mythus oder eine Sage
erklären, haben wir uns hier nicht auseinander zu fetzen'.
— Am meiften hat uns Nr. IV angefprochen ,Ueber
die Stundenzählung im Evangelium Johannis'.
In unbefangener Abwägung des pro und contra kommt
der Verf., nachdem er anfangs geneigt ift, die römifchc
Stundenzählung bei Johannes vorauszufetzen, fchliefslich
zu dem Refultat, dafs doch vielmehr an die jüdifche zu
denken fei. — Nr. V: ,Das Haus des Petrus' fucht
nachzuweifen, dafs Jefus in Kapernaum kein eigenes
Haus hatte, fondern in dem des Petrus wohnte. — Nr.
VI: ,War bei der Gefangennahme Jefu in Geth-
femane römifches Militär betheiligt?' verneint
diefe Frage — wohl mit Recht, infofern es fich um das
Factum felbft handelt. Denn fowohl der fynoptifche
Bericht, als die innere Wahrfcheinlichkeit der Sache
fpricht dafür, dafs die Gefangennahme Jefu durch die
jüdifche Polizei erfolgte. Sehr fraglich ift dagegen, ob
fich der Bericht des 4. Evangeliften damit vereinigen
läfst. Denn wenn auch an fich die oneloa und der
ao%og (Joh. 18, 3. 12) zur Noth auf jüdifche Verhältnifse
gedeutet werden können, fo fleht doch entgegen, dafs
Beide ausdrücklich von den VTFtjQerai twi 'lovöaitov un-
terfchieden werden (Joh. 18, 12). Der Evangelift fcheint
alfo doch vielmehr an eine römifche cwelb« gedacht zu
haben. — Die letzte Studie Nr. VII giebt eine Erklärung
von Joh. 21, 18—23, in der namentlich eigenthümlich
ift, dafs bei 21, 18 f. die Beziehung auf den Kreuzestod
Petri in Abrede geftellt wird. Das Ausftrecken der
Hände und das Gegürtet- und Geführtwerden durch
einen Andern foll nur den Zuftand der Hülflofigkeit
charakterifiren, in den Petrus ,wenn er alt wird' geräth
und in den er fich dann willig ergiebt. — Trotz mancher
treffenden Bemerkungen im Einzelnen, welche diefe
,Beiträge' enthalten, glaubt Ref. doch fagen zu dürfen,
dafs es kein wefentlicher Verluft für die theologifche
Wiffenfchaft gewefen wäre, wenn diefelben der Veröffentlichung
wären vorenthalten worden.

Giefsen. E. Schürer.

Rinn, Oberlehr. Dr. Heinr., Die Augsburgische Confession.

Mit einer Einleitung und erläuternden Anmerkungen.
Gütersloh 1879, Bertelsmann. (IV, 200 S. 8.)
M. 1. 75.

Das Buch, welches denen, die fich lehrend oder
lernend mit der Augsburgifchen Confeftion befchäftigen,
ein erwünfchtes Hülfsmittel fein foll, giebt zuerft eine
Einleitung über die politifchen Verhältnifse von 1529
und 1530, über Entftehung, Inhalt und Charakter der
Confeffion, über ihre Handfchriften, Ausgaben undUeber-
fetzungen. Dann folgt der lateinifche Text und zwar
fo, dafs nach jedem Artikel einige Bemerkungen einge-
fchoben find; hierauf der deutfche Text ohne Anmerklungen
, und endlich Beilagen, nämlich das kaiferliche
Ausfehreiben zum Reichstag, die Marburger, Schwa-
bacher, Torgauer Artikel, die Naumburger Repetitio.

Die eigene Arbeit des Verf.'s fteckt alfo in der Einleitung
und in den Anmerkungen. Dafs fie ihm befonders
geglückt wäre, könnte ich nicht fagen. Vor Allem fcheint
er mir für den Schüler viel zu viel, für den Lehrer zu
wenig geboten zu haben. Nicht wenige der Anmerkungen
mufs man der Faffung wie dem Inhalte nach als
mifslungen bezeichnen. Zu Art. I. z.B. lautet Anm. 2:
Die Synode zu Nicäa in Bithynien fand Statt 325.

Conftantin hatte diefelbe berufen und ihr einen kaiferl.
Palaft eingeräumt. 318 Bifchöfe hatten fich eingefunden,
darunter nur 6 Abendländer; es fehlte Bifchof Silvefter
von Rom. Das dort verfafste Bekenntnifs wird als unverletzliches
Dogma der katholifchen Kirche angelehen.
Bei den Proteftanten hat es diefe Bedeutung behalten;
wie das apoftolifche und athanafianifche Symbolum gehört
es zu den ökumenifchen Symbolen der ganzen
Chriftenheit'. -— Anm. 3 zu una essentia divina lautet:
,Die Begriffe essentia und subsislere haben wir im nicä-
nifchen Symbol; persona nicht. Wohl aber lefen wir
diefen Begriff im athanafianifchen Symbolum, wo auch
anderweitige Anklänge an die Ausführungen in diefem
Artikel fich finden'. — Anm. 6 zu omnes haereses heifst:
,aiotoig Act. 5, 17; Act. 24, 5. Hier werden die Chriften
genannt >j zav vatioQCtkov cugeoig. — Im kirchlichen
Sprachgebrauch — um von anderen Stellen des N. T.
abzufehen — verlieht man unter haeresis einen nach der
fubjectiven Meinung des Einzelnen aufgeftellten Glau-
bensfatz, der fich nicht an die von der Kirche feftge-
fetzte Wahrheit bindet. Die digsatg fleht gegenüber
der durch die kirchlichen Organe beftimmten naoadooig'.
— Oder etwa zu Art. XXVIII heifst es in Anm. 1: ,die
potestas ecclesiastica ift die Gewalt, welche der Bifchof
hat, kirchliche Dinge zu ordnen , wie das durch die
Schrift und durch Canones feftgefetzt ift. Die potestas
gladii bezieht fich auf die Anfchauung von den zwei
Schwertern, welche die Welt regieren, von denen eins
der römifche Kaifer, das andere der römifche Bifchof
führe'. —

Dies einige Beifpiele, die fich leicht vermehren liefsen.
Niemand wird fagen können, dafs folche Anmerkungen
ein befonderes Gefchick beweifen. Ueberhaupt fcheint
mir, dafs hier für die Erklärung der Auguftana vor Gym-
nafiaften viel zu viel kirchen- und dogmengefchichtlicher
Stoff in Ausficht genommen ift. Ich habe mehrere Male
das Bekenntnifs mit den Schülern der oberften Gym-
nafialklaffe gelefen, aber ich würde mich nie dazu ver-
ftanden haben, fie mit einem folchen Ballaft zu befchwe-
ren. Ob fie z. B. im Einzelnen wiffen, was die Ketzernamen
im erften Artikel bedeuten, ift ganz gleichgültig.
Der wahre Gehalt desfelben kann ohne das ihrem
Verftändnifs nahe gebracht werden. Eine lebendige Ver-
gleichung mit dem Katechismus würde dafür viel mehr
nützen als folche dürre halbgelehrte Bemerkungen.

Das Buch fcheint mir zur Klaffe derjenigen zu gehören
, die beffer wären ungedruckt geblieben.

Erlangen. G. Plitt.

Distel, Thdr., Der Flacianismus und die Schönburg'sche
Landesschule zu Geringswalde. Leipzig 1879, Barth.
(95 S. gr. 8.) M. 2. 80.
Der kleinen Schrift liegt ein fehr umfangreiches
und fehr gut durchgearbeitetes Quellenmaterial zu Grunde
und das giebt ihr einen viel höheren Werth, als man
nach dem erften Augenfchein glauben möchte. Sie ift
durch ihre Beilagen für die Gefchichte der Pädagogik
nicht unwichtig; ganz befonders aber verdient fie die
Beachtung der Theologen als ein trefflicher Beitrag für

] die Gefchichte der philippiftifchen Streitigkeiten. Man
bekommt durch fie einen ungemein lebhaften Eindruck
von dem Treiben unter Kurfürft Auguft im fiebenten
Jahrzehnt jenes Jahrhunderts. Der Kurfürft felbft tritt
dabei in das übelfte Licht; man fieht die ganze Gewalt-
famkeit, ja Rohheit feines Charakters, fowie die ungemeine
Befchränktheit feines kirchlichen Verftändnifses
und Urtheils. Aber auch die Philippinen kommen nicht
gerade in die günftigfte Beleuchtung zu flehen, vgl.
S. 50 ff. Sie find Schleicher, welche die geraden Wege
fcheuen, dort aber, wo fie die Macht zu haben glauben,
keinem ihrer Gegner an Schroffheit nachgeben. Aus den

' wenigen Blättern ift viel zu lernen.