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Ausgabe:

1880 Nr. 26

Spalte:

635-636

Autor/Hrsg.:

Nilles, Nic.

Titel/Untertitel:

Kalendarium Manuale utriusque ecclesiae orientalis et occidentalis academiis clericorum accomodatum. Tomus I 1880

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 26.

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das, was von dort kommt, doch lieber als die Gefchichts-
werke des modernen Katholicismus mit den Entfiellun-
gen und Verdrehungen nach neuefter Tendenz zu augenblicklichem
Gebrauch. Die Illufionen der griechifchen
Kirche find wenigftens ein Jahrtaufend alt, und diefe
Kirche braucht keine Gelehrten', die fie vermehren und
ummodeln muffen: fie tragen in ihre Unterfuchungen
keine Tendenzen von heute.

Giefsen. Ad. Harnack.

Nilles, Prof. Dr. Nie, S. J., Kalendarium Manuale utriusque
ecclesiae orientalis et occidentalis academiis clericorum
aecomodatum. Innsbruck 1879, F. Rauch. (LXIV,
496 S. mit Titelbild u. 1 Karte, gr. 8.) M. 6. —

Diefes den 12 öfterreichifchen, orientalifchen Bifchöfen
römifchen Bekenntnifses gewidmete Kalendarium ift zum
Gebrauch in den römifch-katholifchen Seminarien der
orientalifchen Diöcefen griechifchen und römifchen Ritus
im öfterreichifchen Kaiferftaat beftimmt und foll das
Band zwifchen Rom und feinen orientalifchen Sprengein
befeftigen helfen. Im Eingang giebt der Verf. einen
dankenswerthen Conspectus ecclesiae orientalis in Austro-
Hungaria. Er fügt hiezu ein Capitel über den Gebrauch
der flavifchen Sprache in den Kirchen lateinifchen Ritus
in Oefterreich-Ungarn. Hierauf läfst er eine Ueberficht
über die wichtigfien literarifchen Hülfsmittel zur Her-
fiellung eines Kalendariums utriusque ecclesiae folgen
und zählt die fyrifchen, griechifchen, gräco-flavifchen,
flavifchen, gräco-rumenifchen, gräco-arabifchen (maroni-
tifchen, mclchitifchen, fyrifchen) Kalender auf, die er benutzt
hat. Auch diefe Ueberficht ift dankenswerth und
bietet einen intereffanten Einblick in die orientalifche
Propaganda der römifchen Kirche, namentlich desjefuiten-
ordens. Es folgt nun ein kurzer Abfchnitt ,de usu dog-
matico testimoniorum ex libris liturgicis eccl. orientalis de-
sumptorum. Der ,usus dogmaticus" befteht natürlich in
den Beweifen für den Primat der römifchen Kirche, die
fich aus ihnen ergeben follen. Zu diefem Zweck hat ja
fchon der gelehrte Franzofe Martin in neuefter Zeit
die orientalifchen Liturgien ausgebeutet (f. deffen S.
Pierre et S. Paul dans l'eglise syrienne monophysite; .V.
Pierre et S. Paul dans l'eglise nestorienne 1875. S. lherre et
S. Paul dans V eglise armeniene [Rev. des sciences ecclest.
1879]). In dem zweiten Capitel handelt der Verfaffer
de Kaiendario et praeeipuis libris liturgicis ecclesiae orientalis
. Er giebt hier hiftorifche und etymologifche Auf- I
fchlüffe über die Begriffe: Kalendarium, fasti, uryoXrlyiov,
EOQToloyiov, EOQcoyoacpia, ccyiökoyiov, dinv. 1 yu lOQtam 1 y.d,
trprpisQi'dsg, fir/vatct, arvaidgia etc. und die entfprechen-
den flavifchen und rumänifchen Worte. In dem letzten
Capitel der Einleitung werden die häufigeren termini
technici der Liturgien erklärt. Es folgen nun in Paralleldruck
mit Angabe des Epacten-Cyclus u. f. w der römifche
und griechifche Kirchenkalender, woran fich eine um-
ftändliche Erklärung desfelben zur Benutzung für den
Laien fchliefst. Den Haupttheil des Buches (S. 41—371)
bildet der Commentarius infesta immobilia totius anni, d. I
h. kurze Angaben über die Heiligen, deren Tag gefeiert
wird, mit Verweifungen auf die gröfseren Werke, in denen
Näheres zu finden, namentlich auf die griechifchen
Menäen und Menologien. Da wir für diefe noch nicht
leicht zugängliche Hülfsmittel befitzen und das Buch mit
einem fehr guten Index ausgeftattet ift, fo kommt der
Commentarius bei Legendenunterfuchungen trefflich zu
Hatten. Der Verf. hat bisher nur die Heiligen zufammen-
geftellt, welche der römifchen und griechifchen Kirche
gemeinfam find; er bringt nun S. 375 f. die befonderen
Heiligen jener Kirche mit Angabe ihres traditionellen
Todesjahres. Hierauf giebt er ein specialen anni eccle-
siastici latinae ecclesiae cum Pestis mobilibus und läfst eine
kurze Erklärung zum Verfiändnifs des MartyrologiuM

Romanum folgen. Zwei Appendices befchliefsen das
Werk. In dem erften druckt der Verf. den Profankalender
der Ruthenen, den arabifchen Profankalender
der ,5 Nationen' (Lateiner, Melchiten, Armenier, Syrer,
Maroniten) und den ferbifchen ab. Beigegeben find dem
letzteren zwei ferbifche Heiligenleben (S. Sabas I, archiep.
Serbiae und „V. Stephanus Orosius V, Imp. Serbiae) nach
Martinov ,annus ecclesiast. graeco-slavus'. Der zweite
Appendix, den der Verf. als Parergon bezeichnet hat,
handelt ,de quinvertice potestate ecclesiae und de episcopis,
Apostolorum successoribus'; er ift, wie das ganze Buch, auf
die Gemüther der orientalifchen unirten Bifchöfe berechnet
, deren Ergebenheit für den h. Stuhl häufig noch
durch nicht völlig correcte Anfchauungen über die
Hierarchie, namentlich über das Verhältnifs der Metro-
I politen und Patriarchen zum Papft gefchwächt erfcheint.
,Jure divino omnes episcopi pares sunt potestate ordinis.
QitUtn nemo ex episcopis vi siu episcopatus, h. e., jure di-
vino in coepiscopos ullam habeat potestatem, Stabiiis praero-
gativa potestatis alieujus episcopi (metropolitae vel patriarchae
) ejusque successoris in ceteros (suae provinciae vel siu
patriarchatus) episcopos eorumque successores repeti aliundc
nequit, quam ex Primalu Petri . . . Ergo ex Primatu ipsiits
Petri ejusque in Romano episcopatu successoris varii juris-
dictionis gradus (metropolitarum, patriarcliarum) fluuut . . .
Quemadmodum ex suprema S. Petri ejusque in R. 6.. successoris
auetoritate venit, ut patriarchae Alexandrinus et
Antiochenus ceteris Orientis episcopis essent imperio superio-
res; ita etiatn ex divino ejusdem Romani Pontificis Primatu
jura patriarchica fluxerunt, quae postea CPano ac demum
etiam patriarchae Hierosolymitano iributa fuerunt1. Mit
diefen und ähnlichen Behauptungen, die aus griechifchen
Vätern, namentlich aus Theodorus Studita wunderfam
approbirt werden, entläfst der Verf. feine Lefer.

Giefsen. Ad. Harnack.

Seil, K., Aus Reliqions- und Kirchengeschichte. Sieben Vorträge
. Darmltadt 1880, Berglträfser. flV, 303 S. 8.)
M. 4. —

Diefe fieben Vorträge (Buddha, der h. Franciscus, die
Ii. Llifabeth, Luther, Zwingli, Calvin, Dante und Milton
als chriftliche Dichter) heben fich aus der grofsen Zahl
von rcligionshiftorifchcn Vorträgen, die heutzutage gehalten
und gedruckt werden, fehr vortheilhaft heraus.
Sie find populär im edelften Sinn des Worts und geben
zugleich fo beftimmt und fein gezeichnete Porträts, dafs
auch der Kenner fie mit Genufs und Nutzen betrachten
wird. Namentlich befitzt der Verf. die fchöne Gabe,
einen reichen Stoff auf wenigen Seiten künftlerifch zu
verarbeiten. Dies zeigt fich befonders in den zufammen-
gehörigen Vorträgen über die drei Reformatoren. Ref.
wüfste aus der Vortrags-Literatur der letzten Jahre ihnen
nichts Befferes an die Seite zu Hellen und kann die Leetüre
derfelben auf das wärmfle empfehlen. Die DarHel-
lung des Verf.'s hält fich fern von Schönfärberei; und
ifi auch, namentlich bei Calvin und Zwingli, manches
Einzelne noch in ein zu günHiges Licht gerückt worden
, fo hat der Verf. doch Nothwendiges nicht ver-
fchwiegen. Natürlich fufsen die Vorträge auf den grofsen
Specialarbeiten Anderer; dies ifl, wie der Verf. fclbfi
angiebt, durchaus der Fall bei dem über Buddha; bei
den beiden folgenden geht der Verf. in den Spuren
Hafe's, zu dem letzten ifi er wefentlich durch Wegele
angeregt worden. Ueberall aber finden fich hier die
Beweife eigener Quellenfiudien, in befonderem Mafse bei
den Darfiellungen der Reformatoren, wenn auch hier die
Grundlagen, welche Ranke, Köfllin undKampfchulte
gelegt haben, vom Verf. nicht verdeckt worden find.
Die Ausblicke, welche der Verf. nicht feiten in die
kirchengefchichtlichen Zufammenhänge thut, bekunden
eine ungewöhnliche Sachkenntnifs und einen ficheren