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Ausgabe:

1880 Nr. 26

Spalte:

629-630

Autor/Hrsg.:

Murray, Thomas Chalmers

Titel/Untertitel:

Lectures on the origin and growth of the Psalms 1880

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 26.

630

literarifchen Hülfsmittel fo günftig gefleht find, wie z. B.
die englifchen in Oxford, nicht aber darin, dafs der internationale
Charakter der Philologie nicht mehr voll-
ftändig anerkannt werde. In einer Beziehung könnte
ich fogar den Vorwurf an Cheyne zurückgeben, nämlich
was die Identificirung affyrifcher und hebräifcher Ge-
fchichtsberichte betrifft. In der allgemeinen hiftorifchen
Einleitung' zu cc. 36—39 deutet Ch. den Abfchnitt 2 Kön.
18, 13 — 16 auf die Invafion Sargon's in Juda a. 711 = 14.
Hiskia's und nimmt demnach an, dafs v. 13 für Sanherib
eigentlich Sargon zu lefen fei; v. 17 ff. (Jef. 36, 2 ff.)
beziehe fich auf den Zug Sanherib's a. 701 = 27. Hiskia
's. Was aber namentlich Wcllhaufcn (Jahrbücher f.
deutfehe Theol. 1875, p. 607 ff. und Bleek's Einleitung
4. Aufl. p. 255 f.) dagegen eingewandt hat, wird in der fonft
fo umflehtigen Unterfuchung nicht befprochen. Es ift
doch fehr die Frage, welche von den beiden Angaben
der Bibel, 6. 722 = Hiskia (2 Kön. 18. 10) und 701 = 14.
Hiskia Jef. 36, 1, 2 Kön. 18, 13, fortgefetzt durch v. 17 ff.),
den Vorzug verdient, fowie ferner, ob der Bericht Sanherib
's über feinen Feldzug 701 mit 2 Kön. 18, 17 ff. zu
combiniren ift und nicht mit 2 Kön. 18, 14—16. Es ift
hier nicht meine Aufgabe, diefen ftreitigen Punkt zu erörtern
, aber von Cheyne hätte man es nach der fonftigen
Art feines Commentars wohl erwarten können.

Doch es liegt mir fern, deshalb mit dem Herrn
Verf. ernftlich rechten zu wollen. Vielmehr wünfehe ich
feinem Buche aus vollem Herzen aufmerkfame Lefer und
guten Erfolg namentlich in England. — Der Druck fowie
die ganze Ausftattung des Buches find vorzüglich.

Leipzig. H. Gut he.

Murray, Prof. Thomas Chalmers, Lectures on the origin
and growth of the Psalms. New York 1880, Scribner's
Sons. (VIII, 319 S. gr. 8.)

Der verftorbene Verfaffer, welcher Profeffor der
femitifchen Sprachen an der Johns Hopkins Univerfity
war, zeigt fleh in die fem Buche nicht nur als linguiftifch,
fondern auch theologifch gebildeten Gelehrten. Zum
Druck hatte er felbft diefe im Winter 1878 79 vor einem
gröfseren Auditorium gehaltenen und deshalb auf das Ver-
(tändnifs eines der hebräifchen Sprache unkundigen Kreifes
berechneten Vorlefungen nicht beftimmt. Die Verleger
aber haben ohne Zweifel richtig gehandelt, wenn fie
diefe einzige fertige Arbeit eines frühzeitig Verfchiedenen
veröffentlichten. Es wäre zu wünfehen, dafs die in den
Ländern englifchcr Zunge herrfchenden engherzigen An-
fchauungen von der heil. Schrift vielfach durch fo
kundige und befonnene Darfteilung berichtigt würden.
Dafs in deutfehen Laienkreifen, welchen derartige Belehrung
nicht minder zu ftatten kommen könnte, fich
Viele finden von folchem Intcreffe für die Sache, um durch
neun Vorlefungen hindurch von hebräifcher Dichtung, von
l'falmübcrfchriften, Redaction des Pfalters u. f. w. fleh
unterhalten zu laffen, ift kaum vorauszufetzen. Indeffen
auch die P"achmänner können hier immer noch Einiges
lernen. Bcfonders erfreulich ift auf amerikanifchem Boden
das mit pietätsvoller Behandlung der biblifchen Schriften
verbundene nüchterne literär-kritifche Urtheil des Ver-
faffers. Er ift weit entfernt davon, mit dem Aufgeben
der ftarrtraditionellen Anfchauung den Mafsftab für Werth
und Unwcrth des Antitraditionellen zu verlieren, wie das
jetzt, wenn vielleicht nicht in Amerika, fo doch leider vielfach
in England gefchieht, wo bei den Aufgeklärten unter
Anderem mit befonderer Vorliebe die unverftändigften
Deutungen der.mythologifchenSchule' (gegen fie verwahrt
fleh der Verf. ausdrücklich S. 130) als baare Münze in
Curs gefetzt werden, eben nur um mit dem liberalen
Standpunkte zu prunken. — Der Text ift abgedruckt
wie er von dem Verf. hinterlaffen wurde; doch machen einige
Stellen den Eindruck, als feien fie nicht Wiedergabe eines

Manufcriptes, fondern Nachfchrift des gefprochenen
Wortes. Wenige Berichtigungen und Erläuterungen hat
Dr. Toy mit Beifetzung feiner Initiale in Noten gegeben.

Die Anordnung des Stoffes ift eine ziemlich freie.
Nach fehr allgemein gehaltenen Bemerkungen über die
femitifchen Völker und Sprachen, insbefondere über die
hebräifche Sprache und Literatur in den erften beiden
Vorlefungen wendet fich dann der Verf. zu feinem eigentlichen
Gegcnftande und handelt von den Namen des
Pfalters, den Ueberfchriften und Verfaffern der Pfalmen,
am ausführlichften von der Entftehung der fünf Bücher
des Pfalters aus älteren Liederfammlungen, zuletzt von
den muflkalifchen Angaben und der mufikalifchen Begleitung
. Dabei geht er, die einzelnen Bücher und ihre
Gruppen befprechend, mehrfach auf Form und Inhalt
der Gelänge ein und findet fo Gelegenheit, längere Excurfe
über die Arten der hebräifchen Dichtung, über die Be-
urtheilung der Rachepfalmen u. f. vv. einzufchalten. Es
ift nicht zu leugnen, dafs hierdurch der Zufammenhang
vielfach ftörend unterbrochen wird. Die meide Beachtung
fcheint mir zu verdienen die Auseinanderfet/.ung über
die den Vcrfafferbczeichncndcn Ueberfchriften. Wie es ohne
Zweifel ein felbdändiges Liederbuch der Söhne Korah's
gab, fo feien auch fämmtliche 73 als davidifche angeführten
Pfalmen entnommen aus einem mit David's
Namen bezeichneten befonderen Liederbuche, welches
neben echten Davidslicdern jüngere, von Späteren hinzugefügte
enthielt und den Namen David's nur a potior/
trug, ebenfo wie derfelbe auch dem kanonifchen Pfalter
beigelegt wurde, obgleich in ihm Lieder denen, welche
in den Ueberfchriften ausdrücklich anderen Dichtern zu-
gefprochen werden. Das überfchriftliche -n"ib drückt alfo
nicht die Anfchauung der Redactoren unferer' fünf Pfalm-
bücher über den Verfaffer aus, bedeutet überhaupt nicht
,von David', fondern ,dem David', d. h. dafs der Pfalm
der älteren nach David benannten Sammlung angehörte
(S. 96 ff.). Ebenfo urtheilt der Verf. über die Pfalmen
,Afaph's' (S. 237 f.). Diefe Dardellung hat Vieles für fich;
nur findet der Verf. in der I'räpofltion b unnöthig
Schwierigkeiten, da fie z. B. Pf. 90, 1 nichts Anderes bedeuten
kann als ,von' zur Bezeichnung des Autors. Ich
flimme dem Verf. in der Annahme bei, dafs aller Wahr-
fcheinlichkeit nach in unferem Pfalter eine Anzahl wirklich
davidifcher Lieder flehen mufs; doch giebt er fein
fonftiges methodifch.es Verfahren gänzlich auf, indem er
von einigen Pfalmen wie 8 und 15 behauptet, fie feien
unzweifelhaft davidifch' (S. 133) — was eben erft zu
beweifen wäre — und von da aus durch Vergleichung
mit ihrem Stil die davidifche Abfaffung anderer Pfalmen
beurtheilt. Einziger Ausgangspunkt kann hier m.E. Pfalm 18
fein. Allzu vorflehtig wird die Frage nach makkabäifchen
Pfalmen beurtheilt S. 124 f.: Pf. 74 und 79 fcheinen dem
Verf. zu lauten, als wären es makkabäifche Lieder, aber
ihr Vorhandenfein in dem Pfalter der Septuaginta fcheint
ihm wieder ein unüberfteigliches Hindernifs für diefe
Annahme zu bilden — man fleht nicht ein weshalb.

Schliefslich fei das Buch Solchen, welche, diefen
Studien ferner flehend, fich über die hier befprochenen
Fragen orientiren wollen, nochmals beftens empfohlen.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Kahler, Prof. D. Martin, Der Hebräerbrief in genauer
Wiedergabe seines Gedankenganges dargeftellt und
durch fleh felbft ausgelegt. Halle 1880, Fricke. (VIII,
39 S. gr. 8.) M. 1. —

Vorliegende Arbeit ift aus Vorlefungen über den
Hebräerbrief hervorgegangen und kann als exegetifches
Refultat derfelben, als bündiger Ausdruck deffen gelten,
was der Verf. über Inhalt und Gedankenbewegung des
Briefes durch fein lebendiges Wort zu begründen gefucht
hat. Denn wie eine Erörterung der fogenannten Einleitungsfragen
in ihr fich vermifsen läfst, fo hat bei Er-