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Ausgabe:

1880 Nr. 25

Spalte:

619-620

Autor/Hrsg.:

Roggenbrod, J. Fr. A.

Titel/Untertitel:

Eine Gabe zum gemeinen Nutzen in Predigten, Lehrvorträgen und Aphorismen 1880

Rezensent:

Wetzel, R. E.

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Seite 1

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619 Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 25. 620

eine Schrift, welche des Verf.'s .Ausführlichere Erklär- ! lieh gerichteter Menfch, wie der Verf., mufs ja, wenn er
ung der achtzig Kirchenlieder' (6. Aufl.) zu ergänzen fucht. I die Äugen aufthut und die Aufsenwelt, auch die kirch-
Die Anordnung des Ganzen ift analog der des letzt- j liehe Welt, mit dem vergleicht, was er in fich in Ueber-
genannten Buches. Das betreffende Lied wird zuvor- j einftimmung mit der h. Schrift gefunden hat, Vieles ent-
derft mit Angabe der fmngemäfsen Betonung, welche j decken, was mit dem, was er als den Kern des Chriften-
der Druck markirt, vorausgerückt; fodann finden Ent- j thums, das wahre Chriftenthum, erkannt, nicht überein-
ftehungszeit und Inhalt desfelben ihre Erörterung, und ftimmt. So ift es je und je allen innerlichen Menfchen ge-
zuletzt wird noch ein Lebensabrifs des Verf.'s beigefügt, gangen. Die weitere Confequenz hiervon ift, dafs, wenn ein
Wie mit alledem Schulze nicht ein Buch für die Hand folcher Mann als Prediger nun feine Entdeckung ausfpricht,
des Schülers fchaffen wollte, fo ift Faulhaber's ,Bibel- ] auf die gefundenen Gebrechen und Mängel auch derer, die
künde' (II. Theil. Neues Teftament. Eislingen 1880, fich zur Kirche halten, hinweift und fie ftraft und zu
Weismann. VI, 298 S. 8. M. 3. —) nicht blofs für j corrigiren fucht, diefe, die bisher nur gewohnt gewefen,
den Religionsunterricht, fondern für Bibellefer überhaupt 1 die Welt ftrafen zu hören und felbft zu ftrafen, fich zuerft

beftimmt. Diefe Fortfetzung entfpricht dem trefflichen
Anfang des Buches, über welchen wir früher (1877.
Nr. 11) referirten. Auch hier wird auf relativ engem
Räume ein reiches, gut gruppirtes Material geboten; und
wie fchon im erften Theile will der Verf. ebenfo den
Inhalt des Schriftworts im Ganzen d. h. einen Ueberblick
über die Gefchichte des Reiches Gottes vermitteln, wie
die Bibelkunde im engeren Sinne d. h. die leitenden

befremdet, dann, wenn fie die Meinung des Predigers
deutlicher erkennen, perfönlich verletzt fühlen und nun
leicht aus Freunden zu erbitterten Feinden werden. Das
ift Alles fo natürlich d. h. in der Natur des Menfchen
und der Verhältnifse begründet, dafs man fich darüber
gar nicht wundern darf. Wundern kann man fich höch-
ftens darüber, wenn ein folcher Prediger das nicht auch
ganz felbftverftändlich und natürlich findet und fich durch

Grundgedanken der einzelnen Verf. geben und die her- : folcheFeindfchaft feinerfeits verletzt fühlt und fich in (liefern
vorragenden Hauptftellen kurz erklären. — Zum Schluffe 1 Sinne nun wieder öffentlich ausfpricht. Und das thut R.
fei's dem Ref. noch geftattet, auf einen Vortrag ,Ueber fort und fort. Mehr oder minder verhüllt tritt diefes
den Charakter der theologifchen Schriftauslegung und j verletzte Gefühl in den vorliegenden Predigten überall
ihre Bedeutung für Predigt und Katechefe' (Leipzig 1880, zu Tage. Und das beeinträchtigt den Eindruck derfelben
Reichardt. 30 S. 8. M. —. 80) hinzuweifen, den derfelbe 1 auf den ferner Stehenden unzweifelhaft und zwar um fo
am 30. Juni d. J. auf der Paftoral-Conferenz zu Meilsen mehr, als der unbefangene Lefer fich an vielen Stellen
gehalten und auf Wunfeh der Verfammlung veröffentlicht j fagen mufs, dafs der Prediger doch entfehieden nicht im
hat. Was mit demfelben erftrebt ward, ift durch den ; Rechte ift. Es ift ja recht gut, wenn der Prediger gegenüber
einer äufserlichen Kirchlichkeit, wie fie ja als eine
Art Modefache in manchen Krcifen fich finden mag, auf
wahres, innerliches Chriftenthum energifch dringt, aber,

Titel ausreichend angedeutet. Inwieweit aber das Ziel
des Strebens erreicht worden ift, haben wir dem Urtheil
der Lefer zu überlaffen.

Leipzig. Wold. Schmidt.

auch abgefehen davon, dafs der Verf. fich irrt, wenn er
meint mit diefer Forderung allein dazuftehn (S. 27 : Ich
weifs, mit diefem Ausfpruch trete ich der ganzen Zeit
Roggenbrot!, Paff. J. Fr. A., Eine Gabe zum gemeinen I entgegen), muffen wir auch fagen: er geht in diefer feiner
Nutzen in Predigten, Lehrvorträgen und Aphorismen. ' Forderung zu weit, er unterfchätzt gegenüber der von
I. Gotha 1880, F. A. Perthes. (V, 64 S. gr. 8.) [hm geforderten Subjectivität die in Schrift und Be-

kenntnils ausgekrochene Ubjectivitat des Glaubens.
Daher fein wiederholtes Ankämpfen gegen die Univer-
fitäten (S. 28: Wer Jefus fei, das lernt man auf keiner

M. 1. —

Als eine Gabe zum gemeinen Nutzen ift das vor

liegende Heftchen, das auf 64 Seiten 3 Predigten (über Hochfchule), daher feine Geringfehätzung des Bekennt-
Joh. 4, 47—54: der Glaube; über Luc. 17, 20—25: vom nifses (S. 31 : Wenn du in folche Angft gekommen, hat
Kommen des Reiches Gottes; über Joh. 8, 21 — 29: von 1 dir da dein Katechismusglaube etwas genützt?), daher
dem Menfchenfohn zum Gottesfohn), einen Lehrvortrag: I auch die Mifsachtung der Kirche und ihrer Inftitutionen
Von dem Ebenbilde Gottes, und Aphorismen enthält, überhaupt, die fich in vielen Aeufserungen kundgiebt
von einer Dame herausgegeben worden, um das, was 1 (S. 23: So fchreit die Miffion und will dadurch dieChriften
ihr und anderen Gemeindegliedern eine Quelle reichen | treiben zu fteuern für diefen Zweck). In alledem geht
Segens geworden, auch weiteren Kreifen zugänglich zu j der Verf. viel zu weit. Was Jefus fei, das hat fo
machen. Es follen diefem erften Heft, ,wenn Herzen da Mancher, auch in dem Sinn wie's der Verf. meint, fchon
find, die nach der Gabe begehren', auch noch eine lange j auf der Univerfität erkannt; in eben folcher Angft und
Reihe von Fortfetzungen folgen. Die gegenwärtige Be- I Anfechtung hat Luther, doch wohl auch für R. in folchen
fprechung wird vielleicht dazu dienen, die Herausgeberin j Dingen eine Autorität, allein in feinem Katechismus-
in diefem Vorhaben zu beftärken. Roggenbrod ift My- 1 glauben: ,Ich glaube an eine Vergebung der Sünde'
ftiker, im eigentlichen und edelften Sinne diefes Worts. I Troft gefunden; und was R. von der Kirche und ihren

Er hat das, was die h. Schrift N. T. lehrt, innerlich
felbft erlebt, er hat fich, wie er das felbft immer wieder
bezeugt, zum lebendigen Glauben hindurchgerungen und
verfteht daher auch die h. Schrift ganz anders, als derjenige
, der von alledem an fich felbft noch Nichts erfahren
hat. Wir begreifen es daher auch wohl, dafs
diefe Predigten für Viele zu ,einer Quelle reichen Segens'
geworden find, denn fie find nicht blofs Wegweifer, fondern
Führer auf dem Weg zum Leben. Alles, was getagt
wird, macht den Eindruck der Wahrheit, des Unmittelbaren
, Selbfterlebten, und erweckt Vertrauen zu
folchem Führer.

So viel Freunde, fo viel Feinde aber auch fcheint
der Verf. gefunden zu haben und zwar nicht unter den
Unkirchlichen, fondern vor Allem unter den kirchlich
Gefilmten. Und auch das ift nach den vorliegenden
Proben feiner Predigtweife kein Wunder. Ein fo inner-

Inftitutionen fagt, trifft wahrlich nicht diefe, fondern höch-
ftens einige von ihren fchlimmen Freunden. Trotz alledem
und manchem Andern bleiben diefe Predigten eine
hervorragende und eigenartige Erfcheinung auf dem
Gebiete der Homiletik, ihre Hefausgabe ift entfehieden
das, was fie fein foll: eine Gabe zum gemeinen Nutzen.
Wir wünfehten, dafs recht viele Hände fich darnach
ausbrechen möchten, diefe Gabe zu empfangen, und dafs
diefer erften noch recht viele folgen.
.Bifchofswerda (Sachfen). Wetzel.