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Ausgabe:

1880 Nr. 25

Spalte:

617-619

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Woldemar

Titel/Untertitel:

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte 1880

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 25.

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gezeichnete Denkfchrift des hoch verehrten Verfaffers,
der nicht in der Abficht ,durch diefe Darftellung den
Katholicismus der Geringfehätzung und dem Gefpötte
Andersgläubiger preiszugeben' (S. 4) fie herausgegeben
hat. fondern vielmehr ,in der Hoffnung, dafs die Aufdeckung
des Schadens zur Befeitigung desfelben beitragen
werde, und mit dem Wunfche, dafs (fie) namentlich von
denjenigen beachtet werden möge, welchen das geiftige
Wohl der deutfehen Katholiken am Herzen liegt und
welche echte Religiofität unter ihnen zu fördern berufen
find' (S. 4. 5). Ob diefe Hoffnung und diefer fo treu
gemeinte Wunfeh eines edlen, von wahrhaft chriftlichem
Geifte befeelten Mannes fich erfüllen werden, mufs die
Zeit lehren. Für jetzt fcheint leider noch wenig Ausficht
dafür vorhanden zu fein.

Crefeld. F. R. Fay.

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte.

Hatten wir unlängft (1880. Nr. 10) vorwiegend über
Schriften zu referiren, welche dem chriftlichen Religionsunterrichte
in höheren Lehranftalten dienen wollen, fo
fehen wir uns jetzt vor folche geftellt, welche mit dem
der Volksfeinde zufallenden Lehrmateriale fich befchäf-
tigen. Wie dort beginnen wir hier mit dem Hinweis auf
eine Arbeit Gerh. von Zczfch witz's , .Luthers kleiner
Katechismus. Seine Bedeutung und fein Organismus'
(Leipzig 1880, Hinrichs. 36 S. 8. M. —. 50). Im engen
Rahmen eines Conferenz-Vortrages zu Leipzig gehalten
am 20. Mai d. J.) giebt fie jene Grundanfchauungen des
Verf.'s wieder, welche zumal in deffen ,Syftem der chrift-
lich-kirchlichen Katechetik' Bd. IL Abth. 1 ihren Ausdruck
finden, beredt und überzeugungskräftig eintretend
für ,ein Buch, das in Wahrheit kein Theologe auslernen
und kein Chrift ausleben kann'. Diefer ihrer Grundtendenz
nach fteht fie keineswegs allein. Denn ,Zur Jubelfeier
des Kleinen Katechismus Dr. M. Luthers' ift der
Titel einer Schrift, in welcher E. Genzken (Langen-
falza 1880, Schulbuchh. IV, 96 S. 8. M. — 90) theils
zur Nachfeier der erften Veröffentlichung, theils zum
Gedächtnifs der 1530 wiederholten erften Drucke des
kleinen Katechismus den hohen Werth diefes Letzteren
zu erweifen fucht. Sie thut dies, ohne wefentlich neue
Momente zur Geltung zu bringen, fo, dafs fie an die
jahrhundertelange Arbeit der Kirche erinnert, aus welcher
der Katechismus erwachfen ift, und die Gefchichte
zeichnet, welche derfelbc durchlebt hat. Vornehmlich
der Lchrerwelt möchte fie damit eine Handreichung zur
Orientirung leiften. Für die Auslegung des Katechismus
dürfen wir zwei Hülfsmittel nennen, welche befondere
Beachtung verdienen. Das Eine ift Ludw. Wange-
mann's .Einführung in das Verftändnifs des Dr. M.
Luther'fchen Katechismus auf Grund der biblifchen Gefchichte
', deffen erfter Theil die Einleitung und das erfte
Hauptftück enthält Leipzig 1880, Reichardt. XXXI, 253
S. 8. M. 2. 80). Schon aus dem Titel ift die Eigenthüm-
lichkeit des Buches erfichtlich, und näher ihn erklärend
fagt der Verf. S. IX: .Alles, was auf den vorhergehenden
Unterrichtsftufen in den fechs erften Schuljahren an
Unterrichtsftoff aus den betrachteten biblifchen Ge-
fchichten entwickelt, und was von den erkannten Wahrheiten
den Kindern zu eigen gemacht worden ift, das
foll diefe Katechismus-Arbeit wieder bei der Erklärung
der Theile des Katechismus aufnehmen und fo ver-
werthen, dafs dadurch nicht nur ein klares Verftändnifs
der chriftlichen Haupt-Wahrheiten erzielt wird, fondern
dafs fich in der Seele des Kindes überhaupt ein wahres,
feftes, inniges, cilriftUch.es Glaubensleben gründet und
aufbaut'. Wie der Verf. die biblifche Gefchichte in der
Volksfeinde behandelt fehen will, lehrt deffen .Handreichung
beim Unterrichte der Kleinen in der Gottes-
Erkenntnifs', 8. Aufl. Auf dem dort Gegebenen baut er
jetzt weiter, die biblifche Gefchichte allenthalben zur

Grundlage für Erklärung des Katechismus nehmend.
Von felbft erhellt, dafs früher Gewonnenes fo von Neuem
durchgearbeitetunddieEntwickelung chriftlicher Lehre von

j Allem frei erhalten wird, was den Unterricht abftract
und trocken werden läfst. Meinen wir die gehaltvolle
Arbeit des erfahrenen Praktikers fchon um deswillen

j nachdrücklich empfehlen zu dürfen, fo können wir fpeciell
für die Schriftauslegung vor Kindern reiferen Alters auf
C. A. Pefchel's .Ausführliche Erklärung der wichtigften
Bibelftellen für den Katechismusunterricht' aufmerkfam

; machen (Meifsen 1880, Schlimpert. XII, 542 S. 8. M. 4. 50).
Sie ift durch die Erwägung veranlafst, dafs auch dem
ftrebfamen Lehrer Befitz wie Kenntnifs der Literatur
abgehen, welche zu tieferem Verftändnifs des Schrift*

f worts nöthig ift. Mit fichtbarem Bemühen hat daher
der Verf. aus älteren und neueren Werken gefammelt,

! was den Zwecken des Katecheten dient. Benutzt wurden
die Bibel werke von Lange, Gerlach, Beffer und
Grau, die Commcntare von Delitzfch, Moll, Tholuck,
Meyer, von Hofmann und Luthardt: neben ihnen auch
dogmatifche und homiletifche Werke, und wo es noth-

[ wendig erfchien, find auch die fymbolifchen Bücher citirt

- worden. Hinfichtlich der Auswahl der Schriftfprüche
aber hat fich der Verf an den durch die Bekanntmachung
vom 19. September 1877 bezeichneten ,religiöfen
Memorirftoff für die evangelifchen Volksfchulen des
Königreichs Sachfcn' gehalten, ohne mit feiner Arbeit
etwa nur fächfifchen Lehrern dienen zu wollen. Gern
eignen wir uns an, was von ihr die Bayerifche Lehrerzeitung
fagt: .Natürlich und mit Recht wird von ihm
mehr geboten, als für das nächlte Bedurfnifs der Schule
erforderlich wäre, z. B. Zurückgehen auf den Urtext,
Hinweife auf den Zufammenhang, Illuftrirung durch Bei-
fpiele aus der Gefchichte und dergl.; aber gerade deshalb
ift das Werk für Lehrer, die fich gern für ihren
Religionsunterricht weiter befähigen möchten, beftens zu
empfehlen'. Seinem inneren Wefen nach berührt es fich
aufs engfle mit einer Arbeit Ad. Kinzler's, ,das würt-
tembergifche Spruchbuch für Kirche, Schule und Haus
erklärt' (Heilbronn 1880, Henninger. VIII, 354 S. 8.
M. 3. 6b). Aber während Pefchel vielfach eine Sprache
redet, welche nur dem Lehrer zugänglich ift, fo bietet
Kinzler die Auslegung des Schriftworts fo, dafs auch
Kinder feinen Worten folgen können; und hat jener fich
auf 150 Sprüche befchränkt, welche bleibendes Befitz-
thum der Katechumcncn werden follen, fo hat diefer

j analog dem Spruchbuch der früheren Heimath feine

j Grenzen ungleich weiter gezogen, auch im Eingang eine
kurze Wort- und Sacherklärung des Katechismus gegeben
. Neben fo umfaffenden Leiftungen fei die kleine
Brofchüre von F. W. S. Schwarz, .Eins ift Noth' (2.
Aufl. Berlin 1880, Wiegandt & Grieben. IV, 96 S. 8.
M. —.40; geb. M.—.50) nur kurz erwähnt. Sie tritt
aufs Neue in die lange Reihe folcher Schriften, welche
als Leitfaden für den Confirmanden-Unterricht nach
Luther's kleinem Katechismus benutzt fein wollen.1)

Einem völligeren Verftändnifs des evangelifchen
Kirchenliedes kommt ü. Schulze entgegen, .Vierzig
Kirchenlieder aus neuerer und neuefter Zeit ausfuhrlich
erklärt'(Berlin 1880, Wohlgemuth. VIII, 149 S. 8. M. 1.6b),

1) In diefem Zufammenhange dürfen vielleicht zwei neuere Schriften
aus der Mitte der Mecklenburgifchen Landeskirche Erwähnung finden.
F. Kayfei warf die Frage auf .Vernothwendigt fich eine Umarbeitung
des Mecklenburgifchen Landeskatechismus?' (Wismar 1880, Hinftorff.
135 S. 8. M. I. 50) und bejahte diefelbe, theils weil der Katechismus
im Conflict mit dem lutherifchen Dogma von der Erbfünde flehe und
über das dritte Gebot altteftamentlich lehre, theils weil er nach Form
wie Inhalt nur als verfehlte Erklärung des Luther'fchen Katechismus
gelten könne. Nach Mittheilung kirchlicher Hlätter ward der Verfaffer
bald zu einem Widerrufe feiner Anklage bereit gefunden. Dennoch hat
Schliemann eine ,Ehrenrettung des Mecklenburgifchen Landeskatechismus
' (Wismar 1880, Hinftorff 5b S. 8. M. —. 75) veröffentlicht, mit welcher
die wenig erquickliche Verhandlung, wie wir hoffen, ihr Ende gefunden
hat.