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Ausgabe:

1880

Spalte:

609-615

Autor/Hrsg.:

Müller, Carl

Titel/Untertitel:

Der Kampf Ludwigs des Baiern mit der römischen Curie. Ein Beitrag zur kirchlichen Geschichte des 14. Jahrhunderts. 2 Bde 1880

Rezensent:

Zoepffel, Richard

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. No. 25.

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Forfcher wird fich immer wieder in die Lage verfetzt
finden, die Quellen fclbft zu Rathe zu ziehen. Nicht
minder tadelnswerth ift die Begrenzung der Arbeit auf
die Infchriften des genannten Sammelwerkes, da feit der

Bild geben mufs und den fteten Wechfel, das fortwährende
Sich-Verfchieben der Parteien auf diefem
Boden nicht ins Licht ftellen kann'. Ebenfalls nur einen
Bruchtheil aus der Gefchichte des von Müller bchan-

Veröfifcntlichung desfelben zahlreiche andere griechifche delten Kampfes unterfucht die werthvolle Göttinger

Infchriften zu unferer Kenntnifs gelangt find. Inaugural-Differtation von E. Marcour: ,der Antheil der

Diefe Mängel find um fo bedauerlicher, da der Ver- i Minoriten am Kampfe zwifchen König Ludwig IV von

faffer in den beiden Abhandlungen fich als einen folchen [ Baiern und Papft Johann XXII bis zum Jahre 1328'.

zeigt, der die geforderte Aufgabe in befriedigender Weife j Aber nicht allein der Umftand, dafs der Conflict zwifchen

zu löfen wohl geeignet wäre. Kaiferthum und Papftthum während der Regierung Lud

Leipzig. Victor Schultze.

wig des Baiern bisher nirgends in feinem ganzen Zu-
fammenhange und in allen feinen verfchiedenen Phafen
zur Darftellung gelangt war, berechtigte den Verf., den-
Müller, Privatdoc. Lic. Dr. Carl, Der Kampf Ludwigs des felben zum Vorwurf einer erfchöpfenden Arbeit zu
Baiern mit der römischen Curie. Ein Beitrag zur kirch- I machen; die in den Archiven von München, Wien, Paris,

liehen Gefchichte des 14. Jahrhunderts. 2 Bde. Tübingen
1879 u. 80, Laupp. (XX, 407 u. XII, 380 S.
gr. 8.) M. 16. —

Das vorftehende Werk dürfen wir — zu diefem Re-
fultat ift der Ref. nach einer wiederholten eingehenden

Stuttgart angeflehten Forfchungen lieferten ihm eine
Reihe (30) bisher unbekannter oder nur in einem verdorbenen
Texte vorhandener Urkunden, die in beiden
Bänden als Anhang abgedruckt find und durch deren
Benutzung dunkle Partien aufgehellt werden, Perfonen
und Situationen in einem neuen Lichte erfcheinen. Was

Prüfung desfelben in Bezug auf die Verwerthung der ! die äufsere form der Arbeit anlangt, fo hat Müller fich

Quellen, die Methode der Forfchung, Anwendung der
kritifchen Regeln, Unparteilichkeit des Urtheils gelangt

— zu den Erfcheinungen erften Ranges auf dem Gebiete
der mittelalterlichen Papftgefchichte rechnen; die
deutfehen, franzöfifchen, englifchen und italienifchen
Quellen find in ihrem ganzen Umfange herangezogen,
in fehr behutfamer Weife überall auf ihren Werth gegeprüft
und erft nach einer ftrengen Sichtung für die
Darftellung benutzt worden. Die Auseinandersetzungen
mit früheren Autoren, welche Fragen aus der hier behandelten
Periode berühren, werden auf Grundlage einer
umfaffenden Kenntnifs aller einfchlagenden gröfseren
Arbeiten und kleineren Auffätze vom Verf. mit einer
bewunderungswürdigen Objectivität und mit jener Würde
geführt, die darauf verzichtet, fich mit irgendwelchen
gefchickten Manipulationen in den Befitz der Refultate
anderer Forfcher zu fetzen, um fie dann als Krzeugnifse
der eigenen Geiftesarbeit auszugeben. Sehen wir von
Christophe, histoire de la papaute pendant le quatorzieme
siede — welches Werk aber der Verf., wie er (Bd. I, IX)
ausdrücklich erklärt, nicht mit Gewinn benutzen konnte

— und etwa noch von des alten Bower: unpartheiifche
Gefchichte des Papftthums ab, fo haben fich die zahlreichen
älteren und neueren Bearbeiter diefer gewaltigen
Kampfesperiode das Thema in anderer Weife geftellt
als Müller; auch das von allen Fachgenoffen — felbft-
verftändlich auch von unferem Verf. — hoch gefchätzte
Werk Riezler's, ,die literarifchen Widerfacher der Päpfle
zur Zeit Ludwig des Baiern', welches fich in einzelnen Partien
mit vorliegender Arbeit berührt, hat wie Müller richtig
bemerkt ,nicht die Abficht, die Gefchichte des Kampfes
zwifchen Kaifer und Papft zu geben, fondern nur die

beftrebt, die Darftellung von den kritifchen Unterfuch-
ungen fo viel als irgend möglich zu befreien und die
letzteren in die Beilagen zu verweifen; dafs ihm im
erften Bande diefes Bemühen nicht überall geglückt, gefleht
er felbft in der Vorrede zum zweiten Bande ein,
und fein hier gegebenes Verfprechen, fernerhin ,das
Hereinziehen mancher Unterfuchungen in den Text der
Darftcllungen gründlich zu vermeiden', hat er mit voller
Präcifion gehalten. Warum der Verf. aber an Stelle
der üblichen Eintheilung in Capiteln die in Paragraphen,
welche dann wieder in kleinere, mit keinem Namen bezeichnete
Abfchnitte zerfallen, gewählt hat, ift dem Ref.
nicht erfichtlich. Die zahlreichen neuen Refultate des
vorliegenden Buches rechtfertigen ein näheres Eingehen
auf dasfelbe. Der erfte Band behandelt im erften Paragraph
die zwiefpältige Königswahl des Jahres 1314 und
gelangt zu dem für die fpätere Stellung der Curie zu
den beiden Kronprätendenten wichtigen Urtheil, dafs
die Erhebung des Herzogs Ludwig von Baiern .allen
Anforderungen entfprach', die des Herzogs Friedrich von
üefterreich .wefentliche Erfordernifse' vermiffen liefs, dagegen
Friedrich bei der Krönung vor Ludwig den Vorzug
hatte, dafs er in den Befitz der Reichsinfignien gelangt
war. Im zweiten Abfchnitt geht der Verf. zur Wahl
des Papftes Johann XXII über und fchildert auf Grundlage
der Quellen die Parteiverhältnifse im Conclavc, aus
welchem fchliefslich nach einer Sedisvacanz von mehr als
zwei und ein viertel Jahren der Cardinal Jacob Duese als
Sieger über die andern Wahlcandidaten hervorging. Die
verneinende Antwort, die im dritten $ auf die Frage ,Sind
die Wahldecrete der Gegenkönige dem Papfte vorgelegt
worden?' gegeben wird, ift allerdings das Refultat einer

jenige der Literatur, welche fich an denfelben ange- | eingehenden, fein durchgeführten Unterfuchung, die unter

fchloffen hat'. Allerdings hat Preger in feiner Abhandlung
,der kirchenpolitifche Kampf unter Ludwig dem
Baiern und fein Einflufs auf die öffentliche Meinung in
Deutfchland' einen feffelnden, neue Gefichtspunkte eröffnenden
Ueberblick über den Verlauf des Deutfchland
in eine fieberhafte Erregung bringenden Conflicts geliefert
; aber fo bereit fich auch Müller zeigt, von diefer
Schrift zu lernen, er durfte diefelbe doch nicht als die letzte

fteter Beruckfichtigung der früher von Pfannenfchmidt
für eine Zuftellung der Wahldecrete an Joh. XXII beigebrachten
Argumente verläuft. So fehr die Beweisführung
Müller's im erften Augenblick den Lefer gefangen
nimmt, eine wiederholte Prüfung zwingt doch
den Ref., die von Joh. XXII an Ludw. d. B. gerichteten
Worte: ,electione per sedem apostolicam non admissa nec
etiam approhata' mit Pfannenfchmidt als einen unwider-

Löfung der zahllofen Fragen betrachten, welche diefe ' leglichen Beweis dafür anzufehen, dafs von Ludwig d. B.
die Blicke der Forfcher immer wieder auf fich lenkende ein Verfuch gemacht war, dem Papfte durch Boten das
Periode dem Hiftoriker ftellt; hat doch Preger die Ge- Wahldecret zuzuftellen, diefer aber die Annahme ver-
ftalt Ludwig des Baiern allzu ideal aufgefafst, ihn von j weigerte; für diefe Auffaffung fpricht unter Anderem
den völlig begründeten Vorwürfen der Wankelmüthig- j auch der von Müller (S. 45) angeführte Brief des Königs
keit und des fchwächlichen Nachgebens frei zu fprechen an die Stadt Strafisburg, in welchem er ausdrücklich er-

gefucht; auch trifft Müller gewifs das Richtige, wenn er
(Bd. I, X) behauptet, dafs eine Ueberficht wie die
Preger's, ,welche nur einzelne Epifoden aus der ganzen
Regierung Ludwig's herausgreift, nothwendig ein fchiefes

klärt, dafs ,er nach feiner Wahl mit der Fürften Rath
an Papft Joh. Boten gefandt und von ihm die kaiferliche
Krone und Alles, was ihm der Papft von Rechtswegen
thun follte, geheifcht, dafs aber der Papft ihm nicht ge-