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Ausgabe:

1880 Nr. 25

Spalte:

603-605

Autor/Hrsg.:

Gardthausen, V.

Titel/Untertitel:

Griechische Paläographie 1880

Rezensent:

Harnack, Adolf

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 25.

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gewöhnliche Verkehrsfprache hinausgehenden Geltung - fchriften, vom Schreibzeuge, von Tinte und Farbe, von
bringt, 3) einen gewiffen Zufammenhang zwifchen be- ; Ornamenten und Initialen. Was der Verf. S. 42 f. über
nachbarten Stellen herftellt, 4) der Schriftftelle feiner | das Purpurpergament ausführt, hat den Ref. befonders
Anfchauung nach eine flärker national-religiöfe Färbung i intereffirt in Hinblick auf die Entdeckung des grie-
giebt. Wenn auf eine Controverfe keine diefer Regeln i chifchen Purpurcodex der Evangelien, über welche jüngft
anwendbar, verfährt Pf.-J. nach Belieben und nach zu- j in diefer Zeitfchrift berichtet worden ift. Unter den Mi-
fälliger Eingebung. Seinen verfchiedenen Quellen für die niaturen, mit welchen jener Codex geziert ift, find auch
halachifchen Elemente gegenüber (Mifchna, Mechiita, mehrere paläographifch wichtige Abbildungen, fo die von
Sifra, Sifri, die beiden Talmude mit den eingeftreuten Tintenfäffern, Buchrollen, Schreibeftiften, einer Doppel-
Barajthas) beobachtet Pf.-J. ein freies, eklektifches Ver- tafel u. A. Auf die Ornamentik der Handfchriftcn hat
fahren; doch läfst fich nach dem Verf. (S. 153) ,nicht der Verf. befonders fleifsig Acht gehabt. Er hat zudem
verkennen, dafs Pfeudo-jjonathan mehr unter dem fein Werk durch die Reproduction von c. 50 lland-
Einfluffe des Paläftinenfifchen Talmuds geftanden als fchriften - Ornamenten des 10.—16. Jahrhunderts geunter
dem des Babylonifchen'. ziert. Schon für diefes erfte Buch bilden die beiläufigen
Da Hr. G. viele Stellen des Pf.-J. eingehend, be- Notizen der Kirchenväter eine der wichtigften Quellen,
fondefs durch Anführung der Parallelen in den oben die der Verf. benutzt hat Ich erinnere nur an den Brief
genannten Werken, erläutert hat, ift das Fehlen eines des Theonas an den kaiferlichen Kämmerer mit Anweif-
Regifters fehr zu bedauern. Die Correctheit des Druckes ungen für den Hofbibliothekar.

läfst viel zu wünfehen übrig. S. 95, 5 lies: 19, 16; In dem zweiten Buch handelt der Verf. (S. 95—292;

S. 132,2 1.: nnT ft. nw; S. 139,6 L; 12,4; S. 149, 2 1.: in acht Capiteln von der Schrift. Die beiden erften
13, 45. berichten über die Gefchichte und Anordnung der Schrift.

Berlin. Hermann L. Strack. : °er Verf. aeeeptirt hier die überrafchenden Auffchlüffe,

die Graux über den Umfang der Stichen jungft gegeben

Gardthausen, V., Griechische Paläographie. Leipzig 1879, ! hatj. Das .dritt| fteitSTen™ält d'e Arten, u.nd die ^f"

~ , c, o iT- xk 1 t-Tat o Wicklung der Schrift (Unciale, altere und jüngere Ma-

Teubner. (XVI, 472 S. gr. 8. Mit l2Doppeltaf.) M. 18. 40. juskclcurfive, Minuskelcurfive, alte, mittlere und junge

Die Aufgabe nachftehender Zeilen kann nicht die Minuskel); in den letzten fünf wird von Tachygraphie,

fein, diefe griechifche Paläographie zu recenfiren —• dies Cryptographie, den Abkürzungen, den Zahlen, Lcfczeichen

mufs den Fachmännern überlaffen bleiben; Ref. ift für und Interpunction gehandelt mit Einfchlufs der kritifchen

folches Gefchäft nicht hinreichend vorbereitet —, fon- und mufikalifchen Noten.

dem er wünfeht, die theologifchen Fachg<-noffen, welche Das dritte Buch (S. 293—448) handelt in fieben Ca-

in die Lage kommen, fich in der griechifchen Paläogra- piteln von den Schreibern, von der Datirung und der

phie umfehen zu müffen, auf diefes neue, lehrreiche Heimath der Handfchriften. In dem erften giebt der

Handbuch aufmerkfam zu machen. Der Verf. hat in der Verf. eine fehr intereffante Zufammenftcllung von der

Vorrede fein Werk befcheiden ,ein Inftrument zum Ar-. Bildung, der focialen Lage, der Arbeitszeit und dem

beiten', nicht ein Buch zum Lefen genannt; dem ift doch Arbeitslohn der Schreiber; hieran fchliefsen fich zwei

nicht fo. Der gefammte fpröde Stoff ift hier fo licht- Capitel, die nicht zum minderten das Handbuch zu einem

voll und intereffant mit fortwährenden Ausblicken auf fo brauchbaren machen. Der Verf. giebt nämlich 1) S.

die Gefchichte und Cultur des Alterthums behandelt, 311—341 eine alphabetifche Lifte benannter Schreiber,

dafs das Buch mit Genufs im Zufammenhang gelefen und bis arm. leoo, für die er umfangreiche Vorarbeiten, na-

ftudirt werden kann. Und über den nächften Zweck der
paläographifchen Belehrung hinaus fällt gerade für den
Theologen — denn die griechifche Paläographie gehört
ja wefentlich der byzantinifchen Zeit an — hier fo viel

mentlich die von Vogel (Serapeum 1844) benutzen
konnte. Es find ihrer c. IOOO—1200; bei fehr vielen ift
genaue Zeitbeftimmung möglich. Welch' ein Stück
Culturgefchichte Iteckt in diefer dürren Tabelle! man

Nützliches und Werthvolles ab, dafs man eine eigene vermag bereits lediglich auf Grund derfelben einen interAbhandlung
über den usus alter der griechifchen Paläo- effanten Abrifsder MAlichcn Literaturgefchichte zu fchrei-
graphie für. Kirchen- und Dogmengefchichte fchreiben I ben, da der Verf. natürlich hinzugefügt hat, welche
könnte. Schriftwerke den einzelnen Schreibern angehören. Hin-

Der Verfaffer hat felbft eine fehr grofse Zahl von j zuzufügen wüfste ich im Augenblick nichts, als dafs der
griechifchen Handfchriften aller Zeiten gefehen und co- ' claromontaner Juftincodex arm. 1541 von einem Geor-
pirt, von feiner fpeciellen Befchäftigung mit der grie- ! gios gefchrieben ift, der nach Otto (Ogp. Just. Iedit. III.
chifchen Tachygraphie legten feine Abhandlungen in p. XXIV) mit dem Schreiber von Bodl. Miscell. 23—
den Publicationen der k. fächfifchen Gefellfchaft der 25, ,acppy' identifch ift, mithin bei Gardthaufen S. 322
Wiffenfchaften Zeugnifs ab. Bleibt auch die Palaeo- unter Georgius Tryphon nachzutragen wäre. 2) folgt
graphia Graeca Montfaucon's (1708), der,Alles aus Nichts S. 342—364 eine chronologifch geordnete Lifte datirter
gefchaffen hat', die vielleicht niemals zu übertreffende griechifcher Handfchriften. Dem Verf. war es durch die
Leiftung, fo ift doch das Material in 170Jahren verdop- Unterftützung Ceriani's und Graux' und durch eigene
pelt und verdreifacht und neue Erkenntnifse erzielt wor- Nachforfchungen möglich, die vorhandenen Liften um
den. Was in der Zwifchenzeit erarbeitet worden ift, ein Bedeutendes zu vervollftändigen. Er vermag zwi-
hat der Verf. in feltenem Fleifse feinem Handbuche nutz- fchen d. J. 818 und 1500 c. 900 datirte griechifche Handbringend
gemacht. Dasfelbe ift nach Wattenbach's fchriften aufzuzählen. Ref. hat aus feinen Aufzeichnungen
Anleitung zur Griechifchen Paläographie durchaus nicht über datirte Codices älterer griechifcher Kirchenväter
überflüffig, da W. fich engere Grenzen gedeckt hatte und diefe Lifte nicht vermehren können. S. 355 Z. 28 wird
ein abfchliefsendes Werk überhaupt nicht liefern wollte. 1364 ftatt 1363 zu lefen fein. Die datirten Handfchriften
In der Einleitung giebt der Verf. eine Ueberficht bilden die feite Grundlage für die Entzifferung der Geüber
die Gefchichte und Literatur der griechifchen Pa- fchichte des Schriftwefens und für die Datirung der un-
läographie von Montfaucon bis auf die Gegenwart unter datirten Handfchriften. Der Verf. hat fich auch ganz wefent-
Berückfichtigung der Schriftproben enthaltenden Werke, lieh auf diefe allein geftützt und damit feine Paläogra-
Unter diefen ragen jetzt die herrlichen Publicationen der phie auf fichern Boden gcftellt. Das 4.—6. Capitel han-
englifchen Palaeograpliical Society hervor. Den Stoff delt von den Unterfchriften, wo namentlich die Nach-
felbft hat der Verf. in drei Bücher getheilt. In dem er- weifungen über die Unterfchriften von Urkunden, über
ften (S. 19—94) handelt er in 5 Capiteln vom Befchreib- die gefälfehten Unterfchriften (vgl. hierzu die Berich-
ftoffe, von der Form und dem Einbände der Hand- | tigung des Verf.'s in feinen Beiträgen z. Griech. Paläogr.