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Ausgabe:

1880 Nr. 24

Spalte:

585-588

Autor/Hrsg.:

Vincenzi, Aloys.

Titel/Untertitel:

De processione Spiritus Sancti ex patre filioque adversus Graecos. Thesis dogmatica in duas partes divisa 1880

Rezensent:

Harnack, Adolf

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585

Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 24.

5S6

nichts Ungehöriges beigemifcht und fein Material ge-
fichtet. Eine einheitliche kritifche Anfchauung liegt den
Entfcheidungen, die er fclbft trifft, freilich nicht zu
Grunde, und der Verf. geht den hiftorifchen Problemen
auch nicht felbftändig nach, fondern folgt bald diefem
bald jenem Führer. Der erfle Beitrag handelt von
der Entftehung der römifchen Gemeinde, von Petrus
in Rom und der Neronifchen Verfolgung. Der Verf.
tritt, die Pfeudoclementinen mit Recht hier bei Seite
fchiebend, für den römifchen Märtyrertod des Petrus
ein und fchliefst fich in Bezug auf die Neronifche Verfolgung
an Niffen (gegen Schiller) an. Seine Ausführungen
über den urfprünglichen Charakter der älteften
Chriftengemeinde in Rom find dürftig und fchwankend.
Dem zweiten Beitrage läfst fich eine Ueberfchrift nicht
geben oder man müfste fagen, dafs der Verf. in ihm die
,intereffanten' Probleme aus der älteften Gefchichte der
römifchen Kirche behandle: ,der Adel Rom's und das
Chriftcnthum', .Paulus und Seneca', ,die Katakomben und
die sepulcra Flaviorum', .Pomponia Gräcina' ,der Umfang
der römifchen Gemeinde im 2. und 3. Jahrhundert', ,die
Zeugnifse von der Bedeutung der römifchen Kirche in
älteiter Zeit nach Clemens Rom., Dionyfius v. Rom,
Hegeftpp', ,das Alexamenos-Graffito', ,die Zeugnifse heid-
nifcher Schriftfteller über die Chriften im 2. Jahrhundert'
,die Begräbnifsvereine'. Darüber wird jetzt fo viel ge-
fchrieben, dafs jeder davon zu erzählen weifs. Der Verf.
giebt zum Schlufs einige gute Andeutungen über die
Chriftenverfolgungen nach Aube. Intereffant wäre es, zu
wiffen, welche Bibliothek er benutzt hat, denn er citirt
Bücher, deren Vorhandenfein auf deutfehen Bibliotheken
— mit Ausnahme der Berliner — ich nicht vermuthet
habe. Ausdrücklich aber möchte ich, indem ich diefc
Frage ftelle, conftatiren, dafs der Verf. die von ihm
citirten Bücher wirklich eingefehen hat.

Giefsen. Ad. Harnack.

V i n c e n z i, Aloys. De processione Spiritus Sancti ex patre filio-

que adversus Graecos. Thesis dogmatica in duas partes
divisa. Romae 1878, Ex typographia polyglotta s. c.
de Propaganda fide. (XIV, 257 S. gr. 8.)

Der Verf. vorftehender Monographie, Professor in
arcldgyninasio littcrarum hebreticarum zu Rom, hat fich
fchon im Jahr 1865 einen Namen gemacht durch fein
fünfbändiges Werk (T. V 1869). ,ln S. Gregorii Nysseni
et Origenis scripta et doctrinam Nova Defensio'. In diefer
Arbeit fuchtc Vincenzi, in den Spuren der Jefuiten
Halloix und Garnier wandelnd, den Nachweis zu
liefern, dafs Origencs orthodox gewefen fei, und dafs ihn
auch die 5. ökumenifche Synode nicht anathematifirt habe.
Das Refultat erreichte er durch eine kritifche Methode,
die felbft die dreifteften Unternehmungen jefuitifcher
Tendenzkritik hinter fich liefs. So kühn in der Annahme
von abfichtlichen Entftellungen, Interpolationen, Fälfch-
ungen der uns überlieferten Concilsacten ift vielleicht
kein Kritiker vor ihm gewefen (f. die übrigens noch fehr
zahmen Bemerkungen in Tüb. Theol. Quartalfchr.
1867, S. 345 f. u. Hefele, Concil.-Gefch. 2. Aufl. Bd. II
S. 863 n. 1. 875. 898). Was proteftantifche Gelehrte in
fog. .deftruetiver Kritik' an den altkirchlichen Urkunden
geleiftet haben, mufs dem gegenüber in den Augen des
Verf.'s und feiner Gefinnungsgenoffen als Kinderfpiel
erfcheinen. Der Eifer für Origenes freilich wird jeden
befremden, der nicht weifs, dafs es fchliefslich der Papft
Vigilius ift, der auch in Origenes vertheidigt wird. —
Zu jener erften Arbeit hat Vincenzi nun ein würdiges
Seitenftück geliefert. Es wäre nicht anftändig, von dem
Werk genauere Notiz zu nehmen, wenn nicht in dem-
felben eine hiftorifche Frage behandelt würde, die bislang
auch unter uns kaum Einer richtig zu beantworten
für der Mühe werth gehalten hat, obgleich vortreffliche
Vorarbeiten von Caspari (,Zur Gefchichte des Tauf-

bekenntnifses in der orientalilchen Kirche in den beiden
erften Jahrhunderten nach der Abfaffung des Nicäno-
CPanifchen Symbols' i. d. Ztfchr. f. luth. Theol. 1857
S. 634 f. Quellen, Bd. I S. i f.), Swainfon {The Nicenc
and apostles' Creeds, London 1875, p. 6b f.), Lumby,
namentlich aber von Hort (,Two Dissertations'. II: ,0n
the ,Constantinopolitanl Creed and other eastem Creeds of
the fourth Century- Cambridge 1876 p. 73 f.) bereits vorliegen
— ich meine die Frage nach dem Urfprung und der
Gefchichte des fog. CPanifchen, ökumenifchen Symbols.
Um alle diefe Arbeiten hat fich allerdings auch Vincenzi
nicht gekümmert; er geht feinen eigenen Weg, der ihm
durch das von vornherein fertige Refultat vorgezeichnet
war, in dem ungerechtfertigten Bewufstfein, dafs er, wie
einft der Kirchenhiftorikor Eufebius, deffen Worte er
für fich in Anfpruch nimmt, als der erfte einen neuen
Pfad bahne. Alles, was ihm im Wege fleht, fchlägt er
einfach nieder; dabei hat- er nicht das Verdienft, fondern
das Glück gehabt, auch wildes Geftrüpp zu treffen. Bis
zu einem gewiffen Punkt kann man ihm daher folgen
und das macht feine Arbeit beachtenswerth, obgleich
fie gerade in dem, was fie zufällig Gutes bringt, nichts
Neues, fondern nur bisher wenig Beachtetes fagt.

Das Buch zerfällt in zwei Theile. Der erfte führt den
Titel ,Processio S. S. ex patre filioque a Graecorum frande
sacrac scripturae, apostolicae traditionis, patrum veterum
testimoniis nec non liistoricis monnnientis vindicata (S. 1—-71).
Ueber diefen ift nicht zu reden. Der Verf. muftert die
Ausfagen der Kirchenväter über die proecssio S. S. und
kommt zu dem Schluffe, dafs fie bis zum 5. Jahrhundert
einftimmig die lateinifche Lehre bekannt haben; Theo-
doret fei es gewefen, welcher die Härefie betreffend
den Ausgang des Geiftes vom Vater allein eingeführt
habe. Die Unterfuchung ift tendenziös geführt; auch
befitzen wir gerade aus neuefter Zeit wieder vortreffliche
Monographieen über diefe Frage — namentlich die von
Swete (f. diefe Ztfchr. 1876 Bd. I S. 587). Der zweite
Theil trägt die Ueberfchrift: ,Processio S. S. ex patre
filwque a Graecorum fraude vindicata seil symholum vulgo
CPanutn cum formula ,qui a patre procedif a Graccis ceu
genuinumpropugnatum,amplissimisccrtisqucargunicntisveluti
apocryplimn refellitud (S. 72—255). Die wichtigftenThefen
welche der Verf. hier vertheidigt und gefchichtlich zu
begründen verbucht, find folgende:

1) Das fog. conftantinopolitanifche Symbol ift keine
Erweiterung des Nicänifchen, fondern ein eigenthümliches
Symbol.

2) Die Väter des 4. und 5. Jahrhunderts haben nie
ein anderes Symbol gebraucht und geduldet als das
nieänifche.

3) Die 2. Synode von Conftantinopel 381 hat lediglich
das Nicänum wiederholt. Gegen die Macedonianer
hat fie durch ein Decret die Lehre präcifirt und formu-
lirt, dafs der Geift dem Vater und Sohne wefensgleich
fei, aber fie hat diefe Lehre nicht in das Nicänum felbft

1 aufgenommen oder gar ein zweites Symbol aufgeftellt.

4) Die Acten der 2., 4., 5., 6., 7. ökumenifchen Con-
cils und die Acten der erften Lateranfynode, in welchen

I das fog. CPanum enthalten ift, find fämmtlich ebenfo
j wie der Ancoratus des Epiphanius, der jenes Symbol

gleichfalls enthält, von den Griechen verfälfeht und in-

terpolirt worden.

5) Der Zweck der Abfaffung und Unterfchiebung des
CPanums war, die Lehre von dem Ausgang des Geiftes
vom Vater allein als die authentifche nachzuweifen.

6) Das apokryphe Symbol von Conftantinopel ift
zuerft in Jerufalem und Damaskus am Anfang des 7.
Jahrhunderts aufgetaucht; vorher hat keine Synode, kein
Kirchenvater, kein Häretiker etwas von dcmfelben ge-
wufst, wenn auch die Fälfchung älteren Urfprungs fein
mag.

7) Theodor von Jerufalem ift am Ende des 8. Jahrhunderts
zur Zeit der 7. ökumenifchen Synode der erfte