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Ausgabe:

1880 Nr. 24

Spalte:

584-585

Titel/Untertitel:

Neubaur, Beiträge zu einer Geschichte der römischen Christengemeinde in den beiden ersten Jahrhunderten 1880

Rezensent:

Harnack, Adolf

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583 Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 24. 584

Aufgabe ftellt, zur Ergänzung des von der Academie
des Inscfiptions et Belles-Lettres herausgegebenen Recueil
des Historiens des Croisades diejenigen auf die Gefchichte
der Kreuzzüge bezüglichen Quellen herauszugeben, welche
von jenem grofsen Sammelwerke ausgefchloffen find.
Nach den Statuten der Gefellfchaft, welche auch dem
uns vorliegenden Bande der Itinera vorangebunden find,
umfaffen die Publicationen der Gefellfchaft eine geo-
graphifche und eine hiftorifche Serie. Die geogra-
phifche foll die Pilgerreifen nach dem heiligen Lande
und die fonftigen Befchreibungen des heiligen Landes
bringen (in 11 Abtheilungen: 1. lateinifche, 2. franzöfifche,

3. italienifche, 4. fpanifche, 5. deutfehe, 6. englifche,
7. fkandinavifche, 8. flavifche, 9. griechifche, 10. hebrä-
ifche, 11. arabifche), und zwar in allen Abtheilungen je
die älteren vollftändig, von den jüngeren nur die un-
edirten oder fchwer zugänglichen. Die hiftorifche Serie
foll die im Recueil des Historiens des Croisades nicht aufgenommenen
Quellen zur Gefchichte der Kreuzzüge
bringen: Gedichte, Urkunden, Briefe, kleine Chroniken
etc. Sämmtliche Publicationen werden in 500 numerirten
Exemplaren gedruckt, wovon 300 in den Buchhandel
kommen. Für Deutfchland hat den Commiffions-Verlag
O. Harraffowitz in Leipzig. Aufser den Texten giebt
die Gefellfchaft auch eine Serie photo-typographifcher
Nachbildungen heraus, die aber nur in 9c Exemplaren
gedruckt werden und nur für die Mitglieder der Gefellfchaft
benimmt find.

Von den hiftorifchen Quellen ift bis jetzt er-
fchienen: 1. La prise d'Alexandrien par Guillaume de
Alacliaut, herausg. von de Mas Latrie, 2. Quinti belli
sacri scriptores minores, herausg. von Röhricht, Bd. I
(der II. Bd. unter der Preffe). Von den geographi-
fchen Quellen liegen bis jetzt nur die hier anzuzeigenden
Itinera vor (Bd. I in zwei Abtheilungen 1877—1879).
Die Herausgabe derfelben hatte noch der Altmeifter der
Paläftinakunde Titus Tobler übernommen. Mitten in
der Arbeit dafür ift er abgerufen worden, und an feine
Stelle trat der franzöfifche Gelehrte A. Molinier. Etwa
die Hälfte des vorliegenden Bandes ift noch von Tobler
felbft bearbeitet. Ein Vorbericht giebt genaue Auskunft
darüber, was auf Rechnung Tobler's und was auf die
feines Nachfolgers kommt. Für die Solidität der Arbeit
bürgt fchon der Name Tobler's fowie der an der Spitze
des ganzen Unternehmens flehenden franzöfifchen Gelehrten
.

Wie fchon der Titel andeutet, find hier nicht nur die
eigentlichen Pilgerfchriftcn, fondern auch die Befchreibungen
des heiligen Landes von folchen, die nicht dort
gewefen find (z. B. des Eucherius), zufammengeftellt, und
zwar hier nur die in lateinifcher Sprache gefchriebenen.
Nach dem Plane des Unternehmens follen diefe bis zum
14. Jahrhundert vollftändig gegeben werden, hingegen
aus dem 15. und 16. Jahrhundert nur die bisher un-
edirten oder fchwer zugänglichen. Die Sammlung diefer
ganzen Literatur ift in hohem Grade dankenswerth.
Denn es handelt fich dabei um Schriften, die bisher fehr
zerftreut, z. Th. nur fchwer oder gar nicht zugänglich
waren. Erlt durch ihre Vereinigung in einem Sammelwerke
wird eine folide Grundlage für die hiftorifche Geographie
von Paläftina gefchaffen.

Der vorliegende 1. Bd. enthält 16 Stücke aus dem

4. bis 11. Jahrhundert, darunter einige bisher noch un-
edirte. Den Reigen eröffnet 1. Das Itinerarium Burdi-
galense, für das hier zum erftenmale die drei bekannten
Handfchriften (Veronensis, Sangallensis, Parisiensis) vollftändig
benützt find. Denn die früheren Ausgaben ruhen
entweder nur auf einer oder zwei jener Handfchriften,
oder fie geben, wie die Ausgabe Tobler's in feinen
Palacstinae Descriptioncs (1869), nur den auf Paläftina bezüglichen
Ausfchnitt aus dem Itinerarium. — Es folgt
2. Die Peregrinatio S. Paulae von Hieronymus, die Tobler
in feinen Palaestinae Descriptioncs nur auf Grund der gedruckten
Ausgaben gegeben hatte. Für die jetzige Ausgabe
find zwei wichtige Münchener Handfchriften benützt
. — 3. Paulae et Eustochii epistola ad Marcel/am de
locis sanetis, nach der Vallarfi'fchen Ausgabe des Hieronymus
. — 4. Eucherius, für welchen Tobler leider nur
den fehlerhaften cod. Vaticanus, auf welchem auch fein
I Text in den Palestinae Descriptioncs ruhte, benützen
konnte. Werthvolle Varianten eines Parisiensis giebt
Molinier in den Prolegomenis. — 5. Ein Brcviarius de
Hierosolyma nach einem Mailänder Codex, bisher un-
edirt. — 6. Thcodosius [denn fo lautet nun fein Name,
nicht Theodoras, wie Tobler früher fchrieb) in zwei Re-
cenfionen: a. in der von Tobler fchon in den Palaestinae
I Dcscriptiones mitgetheilten, jedoch mit Vergleichung neuer
I Handfchriften, und b. in einem Auszug, mit vielfach
anderer Ordnung (der Text des letzteren von Molinier
bearbeitet). — 7. Antoninus Martyr. — 8. Arculfus. — 9.
Beda Venerabiiis. — 10. u. II. Wilibaldi Hodoeporicon,
in zwei Relationen. — 12. CommemOratorium de casis dei
vel monasteriis. -- 13. Bcrnardus Monachus. — 14. Eine
Dcscriptio parrochiae Jerusalem, vermuthlich aus dem 5.
oder 6. Jahrh., bisher gedruckt bei Schelstrate, Antiqu.
eccl. II, 744. — 15. Eine damit verwandte Notitia patri-
archatuum Antiochiac ac Jerosolymae, die den Werken
! des Guilelmus Tyrius angehängt ift, aber ficher viel älter
j ift. — 16. Eine bisher unedirte kurze Befchreibung
, der Stadt Jerufalem aus einem Codex der Bibliotheque
1 de rArsenal zu Paris, welcher Molinier defi Titel giebt
i Qnaliter sita est Evitas Jerusalem. — Als Nr. 17 folgen
noch Lectiones variae zu Theodofius, Antoninus, Arculfus
.

Wir haben die Nrn. 7—-16 nur kurz aufgezählt, und
begnügen uns in Bezug auf fie mit der allgemeinen Be-
j merkung, dafs für Alle ein reiches Handfchriften-Material
I herangezogen ift. Schon die blofse Inhalts-Angabe ge-
| nügt, um von dem Werthe des hier Gebotenen eine Vor-
ftellung zu geben. Die Prolegomena geben über alles
4 Nothwendige hinreichenden Auffchlufs. Da die erfte
! Hälfte der Prolegomena von Tobler im Manufcript nur
f deutfeh hinterlaffen wurde und von Molinier ins Lateinifche
i überfetzt ift, fo fcheinen dabei ein paar Verfehen mit
! untergelaufen zu fein. Der Titel der von Tobler im J.
1869 herausgegebenen Sammlung, welche Proleg. p. XV
u. XVI citirt wird, ift nicht Descriptioncs Terrae Sanctae,
fondern Palaestinae Dcscriptiones. Eriteres ift der Titel
der im J. 1874 herausgegebenen Sammlung. Auch fteht
die Peregrinatio Paulae in der Sammlung vom J. 1869
nicht p. 1—9 (wie es Proleg. p. XVI heifst), fondern
p. 10—26.

Zum Schlufs noch ein Defideratum. Da nach dem
Plane des Werkes auch folche Befchreibungen Paläftina's

! Aufnahme finden, die nicht von Augenzeugen herrühren
, fo hätten im Intereffe der Vollftändigkeit noch
ein paar Sachen aufgenommen werden follen, die hier
fehlen, namentlich die auf Paläftina bezüglichen Ab-
fchnitte aus der Notitia Dignitatum und dem Geographus
Ravennas (über letzteren f. Teuffel, Gefch. der röm.

j Literatur §. 497). Vielleicht kann dies in dem zu erwartenden
2. Bde. noch nachgeholt werden.

Giefsen. E. Schürer.

Neubaur, Beiträge zu einer Geschichte der römischen
Christengemeinde in den beiden ersten Jahrhunderten.

Elbing 1880. (Realfchulprogramm, 43 S. gr. 4.)

Diefe beiden Beiträge bringen zwar nichts Neues,
find aber dankenswerth als eine gründliche und ver-
ftändige Ueberficht über die einfchlagenden Arbeiten der
letzten 20 Jahre. Der Verf. hat in den c. 200 literarifchen
Anmerkungen, die er feiner Abhandlung angehängt hat,
eine wirklich vollftändige Ueberficht über den heuerten
Stand der alten Fragen gegeben; felbft die verfteckteften
Recenfionen find ihm bekannt geworden; aber er hat