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Ausgabe:

1880 Nr. 2

Spalte:

34-37

Autor/Hrsg.:

Steinmeyer, F. L.

Titel/Untertitel:

Der Brief des Kirchenregiments beleuchtet 1880

Rezensent:

Köhler, Karl

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 2.

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Stellen wie fie Brofch p. 296 fr.; 320 n. 60; 354 n. 60
aus zeitgenöffifchen Berichten wiedergiebt.

Aus den handfchriftlichen Quellen hat Brofch nur
einzelne Schriftftücke vollftändig veröffentlicht; mein;
giebt er nur kleinere Partieen aus den wichtigeren De-
pefchen, Tagebüchern und Chroniken in den am Schlufs
zufammengeftellten Noten. Der Nachweis der gedruckten
Quellen ift leider allzufehr vernachläffigt. Der Abdruck
der handfchriftlichen ift anfechtbar: wozu foll es dienen,
dafs die Eigennamen mit Minuskel begonnen, und eine
ganze Reihe von Abkürzungen unaufgelöft abgedruckt
werden: fie find ja freilich meift leicht verftändlich zumal
bei lateinifchen, nicht fo für Jedermann bei italienifchen
Stücken. Aber noch angenehmer auch für den Kundigen
lieft es fich doch, wenn man einen vollftändig glatten Text
vor fich hat. — Die Sprache ift einigemale nicht ganz
frei von Phrafe, aber durchweg fchwungvoll, das Buch lieft
fich mit Genufs. Um fo bedauerlicher ift es, dafs häufig
Wendungen, Wörter und Wortbildungen auftreten, die
höchftens provinciell gebräuchlich, im Schriftdeutfeh aber
kaum berechtigt fein dürften, fo z. B. p. 19 behufs feiner
Darnachachtung. P. 23 er nimmt fich eine offene Gegner-
fchaft heraus. P. 45 etwas zu jemanden äufsern, p. 241
fich zu jemanden beklagen, p. 120 eine Sache befchwei-
gen, p. 146 Zweifel beheben, p. 249 Schwierigkeiten
begleichen, fodann der Gebrauch von neuerlich = neu
(P- 55- 313 u. ö.); p. 95 heidenmäfsig viel Geld, p. 155
ergattert; p. 165 Ausmafs Q Uebermafs), p. 173 Füfsler
( = Infanteriften, wozu die Bemerkung Wilh. Grimm's
im deutfehen Wörterbuch IV, ia p. 1035 zu vergleichen
wäre/ u. ä. m.

Doch das find Nebenpunkte, deren Befeitigung dem
Buch vielleicht ein noch angenehmeres Aeufsere gegeben
hätte, die aber feinem innern Werth keinen Eintrag
thun.

Tübingen. Carl Müller.

1. Natorp, Confift.-R. Pfr. A., Adolf Ciarenbach und die
evangelische Diaspora am Niederrhein. [Evangelifche
Bruderliebe. Vorträge, hrsg. v. A. Natorp, 2. u.
3. Hft.] Barmen 1879, Klein. (49 S. 8.) M. — 75.

2. Rogge, Hofpred. Bcrnh., Die Friedens- und Gnadenkirchen
in Schlesien. [Evangelifche Bruderliebe. Vorträge
, hrsg. v. A. Natorp, 4. Hft.] Barmen 1879,
Klein. (42 S. 8.) M. — 60.

3. Scheuffler, Pfr. Heinr. Joh., Hans Fabian von Ponickau,

der Defenfor der Oberlaufitzcr Glaubensfreiheit zur
Zeit des dreifsigjährigen Krieges. [Evangelifche
Bruderliebe. Vorträge, hrsg. v. A. Natorp, 2. Bd.
1. Hft.] Barmen 1879, Klein. (42 S. 8.) M. - 60.

In den angeführten Heften wird das Unternehmen
fortgefetzt, von welchem bereits Nr. 5 der Theol.Lit.-Ztg.
von 1879 berichtet hat. Der Herausgeber felbft hat in
dem zuerfl genannten Doppelhefte in recht anfprechen-
der Weife das Leben des rheinifchen Blutzeugen A.
Ciarenbach nach den Quellen erzählt, um auf diefem
bedeutungsvollen hiftorifchen Hintergrunde dann ein
Bild der evangelifchen Diafpora am Niederrhein zu geben,
welches der anziehenden und ermunternden Züge viele
enthält und in wohlthuender Weife bezeugt, dafs dem
evangelifchen Glauben, für welchen Ciarenbach den
Flammentod erlitten hat, noch heute Opfer gebracht
werden. — Die lange Leidensgefchichte des evangelifchen
Schlefiens führt Rogge in gefchickter Zufammenfaffung
des Stoffes dem Lefer vor, anknüpfend an jene drei
Friedenskirchen , den kläglichen Erfatz für viele Plünderte
evangelifcher Gotteshäufer, der uns vor Augen
Hellt, wie fchutzlos der w eftfälifche Frieden das öfter-
reichifche Schlehen liefs, und an jene Gnadenkirchen mit

ihrer ebenfo befchämenden Erinnerung daran, dafs es
erft des Druckes des Schwedenkönigs Karl's XII auf den
Kaifer in der Altranftädter Convention bedurfte, um den
Evangelifchen, welche an den deutfehen Ständen keinen
Rückhalt fanden, einige Erleichterung zu fchaffen, und
auch da nur — gegen Bezahlung. — Die von Haus aus
j ähnlichen Verhältnifse der ebenfalls durch ihre Abhängigkeit
von der Krone Böhmen in die Gegenreformation
hineingezogenen Oberlaufitz, die aber durch die Inpfand-
nahme und fchliefslich (im Prager Frieden 1635) Befitz-
ergreifung feitens Kurfachfens eine andere Wendung
nahmen, fchildert Pfr. Scheuffler im dritten der obengenannten
Hefte, indem er die Geftalt eines Mannes in
den Vordergrund ftellt, welcher in zahlreichen Gefandt-
fchaften das politifche und kirchliche Intereffe feiner
Landfchaft mit zu vertreten hatte und nach dem fchnellen
Erlöfchen der auf den Winterkönig gefetzten Hoffnungen
Verbannung und fchwere Verlufte erlitt. Leider reichen,
wie es fcheint, die Quellen nicht recht aus, ein wirklich
lebensvolles Bild der Perfönlichkeit zu gewinnen; Hauptfache
bleibt auch hier das Gefchick der Landfchaft in
kirchlicher Beziehung.

Wir wünfehen dem Unternehmen im Intereffe des
Guftav-Adolfs-Vereins, deffen Beftrebungen durch Darftellungen
wie die vorliegenden nur gefördert werden
können, beften Fortgang, und möchten, was die Aus-
ftattung betrifft, noch das fefte Papier loben, durch welches
diefe Publication vor vielen ähnlichen fich auszeichnet
.

Kiel. W. Möller.

Steinmeyer, F. L., Der Begriff des Kirchenregiments beleuchtet
. (A. u. d. T.: Beiträge zur praktifchen Theologie
. V.) Berlin 1879, Wiegandt & Grieben. (147 S.
gr. 8.) M. 2. 50.

Der Verf. nimmt feinen Ausgang von ^em Worte
Mt. 20, 26, wo Chriftus den Jüngern jedes xaTCtxvQUVSiv
u. ■/.aitSorau'tCetv nach der Weife weltlicher Herren un-
terfagt: or% ol'ccog s'pvat iv V/.ÜV. Dies fei ein ,Reichsgefetz',
welches unbedingt mafsgebend bleiben müffe (S. 19);
von irgend einer Gewalt, welche ,durch gemeffenen Befehl
' oder gar durch Zwang ihren Willen durchfetze,
dürfe darum in der Kirche nicht die Rede fein (S. 52).
Man fragt freilich, warum jenes Gefetz nur auf die
Kirche anwendbar fein folle. Nimmt man die Worte

1 Chrifti, gleich fo manchen ähnlichen, als gefetzliches Gebot
anftatt als Ausdruck eines fittlichen Princips (was
S. 20 fcharf abgelehnt wird), dann ift der Confequenz
der Schwarmgeifter fchwer zu entgehen, welche auch
das Recht der weltlichen Obrigkeit unter Chriften in
Frage geftellt haben, man müfste denn das gefammte
aufserkirchliche Gebiet von dem Geltungsbereich der
Reichsgefetze Chrifti ausfchlicfsen. Wie dem nun fei,
die Grundanfchauung des Verf.'s ift offenbar der Art,

j dafs der Rechtsbegriff auf die Kirche überhaupt nicht
anwendbar, eine Rechtsordnung in derfelben als begriffswidrig
erfcheint. Gleichwohl gefleht er die Noth-
wendigkeit einer kirchlichen Gewalt zu, man fleht nicht,
mit welchem Recht; denn wenn ihr Dafein in der Kirche
durch ein Reichsgefetz Chrifti ausgefchloffen ift, fo kann
ein darauf gerichtetes Bedürfnifs doch nur ein fchein-
bares fein. Doch lehnt er die Begründung derfelben
auf das Bedürfnifs guter Ordnung innerhalb der Kirche
und die Mannigfaltigkeit der charismatifchen Begabung,
wie fie namentlich von Nitzfeh durchgeführt worden iit,
entfehieden ab: Nitzfeh mache das Kirchenregiment zu
einem nothwendigen Uebel (S. 29), die Verfchiedenheit
der Gaben bedinge keine Superiorität eines Gliedes

1 (S. 5), auch fei auf die eine Stelle, wo Paulus neben
anderen Gaben die der y.vßigi^oig erwähne (1 Cor. 12, 28),
nicht viel zu bauen, da die concrete Art, wie diele Gabe