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Ausgabe:

1880

Spalte:

554-555

Autor/Hrsg.:

Lagarde, Paul de

Titel/Untertitel:

Veteris Testamenti ab Origene recensiti fragmenta apud Syros servata quinque 1880

Rezensent:

Nestle, Eberhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1860. No. 23.

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nius buch über mafse und gewichte zum erften
male vollftän dig'), es zeigt ihn dem erftrebten Ziel
bedeutend näher (S. 137/48 ,Vorbemerkungen zu
meiner Ausgabe der Se ptuaginta'), es führt
den Kampf für Wahrheit und Recht ,mit Ormuzd
gegen Ahriman' ohne irgend unlautere Nebenablichten
(S. 41/87 .Moabitica', S. 89/136 .Zwei proben moderner
kritik'; auch der erfte Theil des Bandes S.
1/40 ,Aus zeitfchriften'gehört theilweis hieher). Aber
auch mit Schmerz: nicht blofs deswegen, weil dies Buch
deutlicher als alle früheren desfelben Verf.'s uns zeigt,
unter welchen Opfern Lagarde diefe Förderung unferer
Wiffenfchaft fich abgerungen hat und welche Hinder-
nifse fich ihm auf dem Weg zum Ziel entgegenftellten,
fondern noch mehr, weil es den Kampf mit Mitteln führt,
die dem hohen Gut, um deffen willen, und dem edlen
Sinn, in dem er geführt wird, nicht gemäfs find, nicht
zu reden davon, ob diefelben dem auch von Lagarde
und gerade von ihm hochgehaltenen ,Evangelium' gemäfs
find (Mt. 5, 39. Joh. 18, 23), mit Waffen, die nur verwunden
, nicht heilen. ,Wer mich kennt, weifs', fchreibt Lagarde
im Vorwort, ,wie fchwer es mir, einem mit fich auf
das gründlichfte unzufriedenen und todmüden manne,
wird, gegen andere an, und von feinem eigenen noch fo
langen Wege ab zu gehen, ich bitte alle, welche diefen
band lefen wollen, fich vorher durch meine deutfchen
fchriften auf den ton zu Bimmen, auf welchen mein leben
und meine fchriften geftimmt find'. Ich gehöre nicht zu
den erfteren, d. h. zu den ihn perfönlich kennenden,
aber feine Schriften fuche ich mehr und mehr kennen
zu lernen, feit ich aus Anlafs einer akademifchen Aufgabe
über die LXX den Weg zu denfelben mehr felbft
gefunden habe, als gewiefen worden bin; und das letztere
habe ich auch gethan und eben deswegen, wenn
ich z. B. an S. 51 ff. der deutfchen Schriften denke,
thut mir das vorliegende Buch wehe und berührt mich
manches an demfelben doppelt fchmerzlich nach den in-
zwifchen im neueften Heft der Zeitfchrift der Deutfchen
morgenländifchen Gcfcllfchaft crfchienenen Entgegnungen
. Es ift ein im vollften Sinne des Worts tragifches
Buch, weil fein Verfaffer in dem edlen Kampf, den er
unternommen, durch die hier vorliegende eigene, wenn
auch noch fo kleine Schuld unterliegen, zum wenigften
fich felbft aufzehren mufs. Der theologifche Charakter
diefes Blattes hätte wohl erlaubt, von diefer perfönlichen
Seite des Werks ganz abzufehen: ich wollte das doch
nicht, wende mich aber jetzt um fo lieber dem für alle Zeiten
wichtigften Beftandtheil des Buches zu, der Bearbeitung
von de pondetibus et mensuris des Epiphanius. Diefes
Werk im Jahr 392, wie wir aus dem vorliegenden Buch
erfahren, in Conftantinopel, auf Bitten eines perfifchen
Priefters jVTia geichrieben, enthält nach den bisherigen
Ausgaben feinem gröfsten Theile nach C. 1—23 einen
Bericht über den Kanon und die verfchiedenen Ueber-
fetzungen des Alten Teftaments und über die textkri-
tifchen Arbeiten desürigenes; nur das letzte Capitel 24
(und ganz zufammenhangslos fchon C. 21) giebt eine
kurze Aufzählung meift biblifcher Mafse und Gewichte
mit kurzen Anmerkungen über den Urfprung ihrer Namen
und dergleichen. Nun fand fich im Britifchen Mu-
feum eine fyrifche Ueberfetzung diefes Buchs in 2 Hand-
fchriften, von denen die ältere fchon zwifchen 650 und
660 gefchrieben ift; beide bieten nicht blofs im zweiten
Theil die oft fo fremdartigen Namen mit griechifchen
Buchftaben auf den Rand gefchrieben, fondern fie offenbaren
uns erft das eigentliche Werk des Epiphanius de
mensuris et ponderwut, zu welchem das bisherige letzte
Capitel 24 eigentlich nur die Inhaltsüberficht bietet. Wir
haben jetzt ftatt 24, nach der von Lagarde vorgenommenen
Eintheilung nicht weniger als 84 Capitel oder
Paragraphen. Die letzten derfelben handeln allerdings
nicht mehr von Mafsen und Gewichten, fondern C. 61 79
■ziept oroitariov xom/MV ev itepei — der Grund der Auswahl
ift nicht erfichtlich —, C. 80 ff. von den in der
Bibel erwähnten Himmelsgegenden, Sternen und Winden,
C. 84 bricht plötzlich ab. Vorausgefchickt ift im fyr-
ifchen Text nicht blofs ein kurzer Bericht über die Ent-
ftehung des Buches, fondern auch eine Inhaltsüberficht,
welcher aber das Buch felbft fo wenig entfpricht, wie

I der in das 21. Cap. verfprengten. Aus diefen und manchen
andern Anzeichen fchliefst Lagarde, gewifs mit
Recht, dafs wir hier nicht ein vollendetes Werk des
Epiphanius, fondern nur von ihm gefammelte, noch nicht
genügend verarbeitete Notizen vor uns haben. Für den
chriftlichen, wie für den claffifchen Archäologen und
Metrologen hat diefer zweite, hier zum erften Mal in

j deutfeher oder grieqhifcher Rücküberfetzung gebotene
Theil befondern Werth; für uns gewöhnliche Theologen
bietet der erfte, vom Kanon handelnde, immer mehr
Intereffe. Und wie ganz anders erfcheint nun hier der
Text gegenüber dem erften Druck des Oporinus 1544
und dem nicht viel verbefferten des Petavius 1622 und
Dindorf. Ich habe hier nur Petavius in feinen beiden
Auflagen zur Hand und habe ihn nicht vollftändig mit
Lagarde's Text verglichen; aber jedes Capitel bietet
Verfchiedenheiten genug. Wie ganz anders lautet z. B.

! jetzt das die Bücher des jüdifchen Canons aufzählende
C. 4, das in dem Artikel Apokryphen des A. T. bei

! Herzog2 merkwürdigerweife ganz übergangen ift, trotzdem
es die Quelle von Luther's Begriffsbeftimmung ift:
,Bücher, die der h. Schrift nicht gleich zu achten, aber
nützlich und gut zu lefen find'. Wie viel vollftändiger
ift C. 9, das nach dem neuen Text (aus dem Arifteas-
brief) die Namen fämmtlicher 72 Ueberfetzer des A. T.'s
enthält, etc. Bei manchen Punkten wird fich allerdings
über die Berechtigung ftreiten laffen, auf Grund des fyr-
ifchen Textes allein derlei Ergänzungen in den Text aufzunehmen
; im allgemeinen find aber fchon die äufsern
Zeugnifse für den fyrifchen Text viel zu günftig, um das
vom Herausgeber eingefchlagene Verfahren mifsbilligen
zu können. — An einzelnen Stellen find Accente abge-
fprungen; S. 156, 15 mufs es meines Erachtens orcih'j ftatt
aar)'.'' heifsen; 155, 97 ift avvihnaaai gefchrieben, 170,42
diefe Schreibung verworfen, etc.

Dafs in dem Band noch ein Blatt einer dem 9. Jahrhundert
angehörigen Handfchrift der Clementinen abgedruckt
ift, und dafs unter den wiederholten Artikeln fich
der de spectaculis des Tertullian, die Anzeige von Gut-
fchmid's neuen Forfchungen, Neubauer und Driver's Jef.
53 und von 8 eigenen Publicationen Lagarde's findet
, fei in aller Kürze zum Schluffe noch erwähnt.

Münfingen. E. Neftle.

Veteris Testamenti ab Origene recensiti fragmenta apud Sy-
ros servata quinque. Praemittitur Epiphanii de mensuris
et ponderibus liber, nunc primum integer et
ipse syriacus Paulus de Lagarde edidit. Göttingen
1880, Dieterich's Verl. TV, 356 S. gr. 8.) M. 15. —

Das kurze Vorwort berichtet, dafs wir die Vollendung
diefes Bandes dem Trinity-College in Cambridge
und dem neuen preufsifchen Cultusminifter von Putt-
kamer verdanken; dem erfteren verkaufte Lagarde
einen Theil feiner Bibliothek, die felteneren arabifchen
und perfifchen Bücher, um die Kotten eines 50tägigen
Aufenthalts in London und Paris zu beftreiten, der letztere
bewilligte einen Beitrag zu den Kotten des Drucks.
Aufser der bei Befprechung von Symmicta II fchon genannten
fyrifchen Ueberfetzung von de mensuris des
Epiphanius S. 1—76 enthält diefer mit hebräifchen Typen
auf vorzügliches Papier gedruckte Band Theile der
von Paul von Telia im Jahr 617,8 gefertigten hexaplarifch
fyrifchen Verfion des Alten Teftaments, nämlich die Bücher
Exodus, Numeri, Josue, Regnonou III. und IV.,
foweit diefelbe in den Londoner und Parifer Handfchrif-