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Ausgabe:

1880

Spalte:

521-525

Autor/Hrsg.:

Hofmann, J. Chr. K. von

Titel/Untertitel:

Biblische Hermeneutik. Nach Manuscripten und Vorlesungen hrsg. von W. Volck 1880

Rezensent:

Lemme, Ludwig

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.
Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 22. 23. October 1880. 5. Jahrgang.

Hof mann, Biblifche Hermeneutik, hrsg. von

Volck (Lemme).
Hommel, Abrifs der babylonifch-affyrifchen

und ifraelitifchen Gefchichte von den älteften

Zeiten bis zur Zerftörung Babel's (Schräder).
Töttermann, Die Weiflagungen Hofea's bis

zur erften afTyrifchen Deportation (I—VI, 3)

erläutert (Stade).

Nowack, Der Prophet Hofea erklärt (Derf.).

Guillemard, Hebraisms in the Greek Testament
, exhibited and illustrated by Notes and
Extracts from the Sacred Text (Schürer).

Theodori episcopi Mopsuesteni in epistolas Ii.
Pauli commentarii. The latin Version with

the greek fragments, ed. by Swete, Vol. I.
(Schürer).

Garns, Die Kirchengefchichte von Spanien,
3 Bde. in 5 Abthlgn. (Möller).

Zöckler, Die Lehre vom Urftand des Menfchen,
gefchichtlich und dogmatifch-apologetifch
unterfucht (Thönes).

Hofmann, weil. Prof. J. Chr. K. von, Biblische Herme- flehend anerkannt; aber unter diefem Titel, dafs fie
neutik. Nach Manufcripten und Vorlefungen hrsg von völlig felbftverftändlich feien, werden fie auch bei Seite
Prof. Dr. W. Volck. Nördlingen 1880, Beck. (X, j groben (S. 27 28), um Hofmann's heilsgefchichtlicher
^ c Q. M ö v Auffaffung der heiligen Schrift Platz zu machen. Und

fo tritt denn Hofmann in diefem feinem Buche zu der
allgemeinen Hermeneutik im Ganzen wie im Einzelnen
in principiellen Widerfpruch.

Während diefe mit dem Einfachften beginnt und vor-
fchreitet ,zum Zufammengefetzten, vom Einzelnen zum
gröfseren Ganzen, vom Wort zum Satz, vom Satz zum
Satzgefüge', geht Hofmann einen umgekehrten Gang,
er beginnt mit der heiligen Schrift in .ihrer Ganzheit und

Der Herausgeber macht im Vorwort S. VII die in-
tereffante Bemerkung, dafs er auf dem Umfchlage des
hier edirten Hofmann'fchen Manufcripts aufser dem cha-
rakteriftifchen Motto : ,Nil nisi quod prodest carum est'
eine Verweifung auf Landerer's Artikel .Hermeneutik' in
Herzog's Realencyklopädie gefunden habe. Wenn er
aber den Sinn jener Verweifung darin findet, dafs diefer

Artikel ausführlichere Literaturangaben enthalte, als fie j gefchloffenen Einheit' (S. 28) im I. Haupttheil, um erfl
Hofmann zu geben pflegte, fo kann ich dem nicht zu- im II. Haupttheil, in dem es fich im Grunde genommen
ftimmen. Jene Verweifung hat vielmehr darin ihren ! doch auch um ihre Einheit handelt, ihre Unterfchiedlich-
Grund, dafs, während die Hermeneutik des alten und i keit zur Sprache zu bringen (hinfichtlich 1) des Unterneuen
Teftaments nichts anderes ifl und fein kann als t fchieds des alten und neuen Teftaments und 2) der Be-
die fpecielle Anwendung der allgemeinen philofophifchen ' zeugung von Gefchehenem, Gegenwärtigem und Zu-
Disciplin der Hermeneutik, welche die Regeln der Aus- künftigem). Denn nach Hofmann's Anforderung geht der
legung giebt, auf ein befonderes Sprach- und Literatur- j Ausleger, weil er fich von vornherein der heiligen Schrift
gebiet, Hofmann mit Landerer das Beftreben theilt, der J als einem Ganzen gegenüber befindet, welches als fol-
biblifchen Hermeneutik durch Zuweifung einer theolog- ches die heilige Schrift der Chriftenheit in, an fie heran
ifchen Aufgabe die Würde einer befonderen theolog- ; mit dem Vorurtheil, dafs fie fich in ihrer Einheitlichkeit
ifchen Disciplin zu erobern. Indem Hofmann betont, als das bewähren werde, was fie feinem Glauben ift.
dafs da, wo die Regeln der allgemeinen Hermeneutik ,Wie er deffen im Glauben gewifs ift, dafs diefe einheit-
auf die befondere Gattung fchriftlicher Rede, welche die j liehe Wahrheit es ift, deren urkundliche Bezeugung die
heilige Schrift ausmacht, angewandt werden, nicht eine 1 Kirche an der Schrift hat, fo geht er mit der Erwarteigentlich
theologilche Thätigkeit ausgeübt werde, weift ! ung an fein Gefchäft, dafs fich alles, was er in ihr fin-
er S. 5 der biblifchen Hermeneutik die Beantwortung , det, unter fie zufammcnfchliefsen werde' (S. 90). Ohne

der Frage zu, weffen es aufser der gemeinen Kunft wif
fenfehaftlichen Verftehens fonderlich bedarf, um die
heilige Schrift zu verftehen: ohne eine allgemeine Her

dafs wir eine wiffenfehaftliche Begründung oder einen
irgendwie zwingenden Beweis dafür erhielten, wird es
uns als eine Glaubensgewifsheit aufoctroyirt, dafs die

meneutik vorauszufchicken oder zur Bafis zu nehmen, ! Heilige Schrift, als einheitliches Ganzes angefehen, dazu
will er nur fragen, was zu den allgemeinen Gefetzen der I gegeben ift, für die chriftliche Kirche mafsgebend zu
Auslegung hinzukommen müffe, damit man fie fo an- 1 fein (S. 34), und diefe vorgeblich erfahrungsmäfsige Er-
wende, wie die Eigenthümlichkcit des Gegenftandes er- kenntnifs bildet nun für die Entwickelung der Schriftfordert
. Es ift hier fchon zu entgegnen, dafs diefes theorie die Vorausfetzung, bei der alle Folgerungen
äufserliche Verhältnifs mechanifcher Verknüpfung un- ; felbftverftändlich find. Nach den feftftehenden Regeln
möglich die Sache richtig beftimmen kann, dafs vielmehr i der Hermeneutik ift jede Schrift zunächft auf ihren ge-
die Regeln der allgemeinen Hermeneutik die Anforder- j fchichtlichen Urfprung hin anzufehen und daraus zu er-
ung ftellen, der formellen Eigenart und dem eigenthüm- klären; erft nachdem fo die einzelnen Schriften unbe-
lichen Gciftesgehalt jeder befonderen Schriftgattung ge- fangen in fich gewürdigt find, läfst fich gefchichtlich die
recht zu werden, dafs alfo auch die befondere Werth- ! Zulammenfchliefsung zu einem gröfseren Complex zu-
fchhtzung der heiligen Schrift gerade aus den allgemei- ' nächft im altteftamentlichen, fodann im neuteftament-
nen Gefetzen der Hermeneutik folge, nicht zu ihnen liehen Schriftthum verfolgen; und erft am Schlufs diefer
hinzukomme. Aber diefe mechanifche Nebeneinander- j Unterfuchung läfst fich die Frage aufwerfen, wie weit
ftellung ift nur die Bafis für die Gewinnung einer felb- I fich in der Entftehung und Sammlung diefes einheitlichen
Händigen Pofition, von der aus die Hofmann'fche Schrift- Schriftthums die Zwecke einer göttlichen Teleologie ver-
theorie, deren Darlegung diefe fogen. .biblifche Herme- [ folgen laffen. Indem aber H. die heilige Schrift in der
neutik' gewidmet ift, in Gegenfatz zu der allgemeinen fertigen Einheit des Kanons als gefchloffenes Buch aus
Hermeneutik tritt. Scheinbar nämlich werden die Re- | den Händen der Kirche übernimmt und a limine für fie
geln und Gefctze derfelben völlig als zu Recht be- | als Einheit es als eine .Glaubensgewifsheit' decretirt,

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