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Ausgabe:

1880

Spalte:

30-31

Autor/Hrsg.:

Bauer, Bruno

Titel/Untertitel:

Das Urevangelium und die Gegner der Schrift: Christus und die Cäsaren 1880

Rezensent:

Franz Overbeck

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 2.

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105 (rf/.üf). 107 (2 Theff. 3). 127 und 128 (Huther
ftatt Meyer;. 152 (nri). 190 [X<tt&%(uv).

Strafsburg i. E. H. Holtzmann.

Weiss, Confift.-R. Prof. Dr. Bernh., Lehrbuch der biblischen
Theologie des Neuen Testaments. 3. umgearb.
Aufl. Berlin 1880, Hertz. (XI, 708 S. gr. 8.) M. 11. —

Je feltener umfaffendere Leiftungen auf dem Gebiete
neuteftamentlicher Schriftforfchung in jüngfter Vergangenheit
hervorgetreten find, defto erfreulicher ift's, aus
der wachfenden Verbreitung bewährter Arbeiten zu bemerken
, dafs der Sinn für biblifche Studien nicht im
Rückgang begriffen ift. Das vorliegende Werk hat wenig
mehr als ein Decennium bedurft, um zum dritten Male
feinen Lauf zu beginnen, und eben damit auch den Beweis
geliefert, dafs es als ,Lehrbuch' einem vorhandenen
Bedürfnifs in zweckdienlicher Weife entgegenkommt. Dem
Verf. ift dies zum Anlafs geworden, in der Anlage des
Werkes nirgends etwas zu ändern. Capitel- und Paragraphenzahlen
find diefelben geblieben, und wie der Inhalt
der Paragraphen keine Modificationen erfahren hat,
fo find auch (foweit wir fehen, nur § 36 ausgenommen)
die beigefügten Erläuterungen und Begründungen ihrer
äufseren Gruppirung nach die früheren. Infofern fleht
die dritte Auflage der zweiten (1872) ungleich näher
als diefe letztere der erften (1868). Dennoch darf fie
mit Recht eine ,umgearbeitete' heifsen. Mit der ihm
eigenen Sorgfalt ift der Verf. darauf bedacht gewefen,
mit einfchlagenden Arbeiten aus neuefter Zeit (ich auseinander
zu fetzen, mögen diefelben compendiarifcher
oder monographifcher Natur fein. Zu jenen gehören
vor Allem die Theologie des Neuen Teftaments von
Immer 1877 (vgl. S. 25 u. ö.) und das Chriftusbild der
Apoftel von Schenkel 1879 (vgl. S. 28 u. ö.); aber auch
dogmatifche Werke in ihren biblifch-theologifchen Ausführungen
wie das chriftliche Lehrfyftem von Kübel
1873 (vgl. S. 27 u. ö.), die lutherifche Dogmatik von
Kahnis 2. Aufl. 1874 und die evangelifch-proteftantifche
Dogmatik von Lipfius 1876. Unter diefen bemerken
wir vornehmlich die Darftellung des Lehrbegriffs der
Apokalypfe von Gebhardt 1873 (vgl. S. 481 u. ö.), die
Studien zur femitifchen Religionsgefchichte (II.) von
Baudiffin 1878 (S. 152 u. ö.) u. A. Dafs dabei abfolute
Vollftändigkeit erzielt worden fei, läfst fleh nicht behaupten
; doch fagt der Verf. felbft mit Recht: ,Es ift
eben nicht möglich, fich mit Ausführungen, die zu keinem
klaren, greifbaren Rcfultate gelangen oder jeder eingehenden
Begründung entbehren, aus einander zu fetzen'.
Jedenfalls haben diefe Beziehungen auf abweichende Anflehten
Anderer dazu beigetragen, die eigene Anfchauung
noch klarer auszuprägen und ihrer Befonderheit nach
in helleres Licht zu Hellen, ohne dafs der Umfang des
Buches (708 S.) gegen fonft (704 S.) wefentlich gewachfen
ift. Auch mag es als Vorzug in der äufseren Einrichtung
der neuen Auflage befonders hervorgehoben fein,
dafs diefe Literatur üb er fichtlicher als früher an geeigneter
Stelle vorausgerückt (vgl. S. 52. 76. 101. 163
u. ö.), nicht blofs innerhalb der Entwicklung benützt
wird. Die Eigenthümlichkeit der Weifs'fchcn Darftellung
zu zeichnen und aus der Eülle des Stoffes, welcher ausgebreitet
wird, zu fpecieller Befprechung Einzelnes herauszuheben
, dürfen wir einer dritten Auflage gegenüber
überhoben fein. Wir machen nur den Wunfeh des Verf.'s
zu dem unfrigen, dafs das Werk auch ferner dazu
helfen möge, in den vollen Reichthum der Schriftwahrheit
immer tiefer einzuführen und feine Schätze zu
heben.

Leipzig. Wold. Schmidt.

Bauer, Bruno, Das Urevangelium und die Gegner der
Schrift: Chriftus und die Cäfaren. Berlin 1880, Groffer.
(III, 78 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Der Titel diefer Brochüre entfpricht nicht ganz ihrem
Inhalt. Sie befchränkt fleh im Grunde auf eine Aus-
einanderfetzung des Verfaffers mit dem Kritiker feines
auch in diefer Zeitung (1878 Nr. 13) angezeigten Werkes
,Chriftus und die Cäfaren' in der Nationalzeitung,
Karl Frenzel. Die flüchtigen Erwähnungen einiger weniger
anderer Recenfionen, deren Berückfichtigung überdies
von S. 13 an ganz verfchwindet, find nicht der Rede
werth , nicht mehr als es dem Verf. die eben erwähnte
Anzeige in diefer Zeitung erfchienen ift, falls fie ihm
überhaupt zu Geflehte gekommen ift. Es handelt fleh
für den Verf. darum, gegen Frenzel, der fich die Dinge
mehr in Straufsifcher Art denkt, fein Recht zu behaupten,
Seneca als Schöpfer des Heilandsideals und im Uebrigen
das Chriftenthum als die Schöpfung der ,dunklen', vom
Stoicismus vorbereiteten römifch-griechifchen .Mafien' des
erften u. zweiten Jahrhunderts hinzuftellen, die, fonft für
uns unflehtbar, ,die plaftifche Darfteilung ihrer eigenen
Kämpfe und Erfahrungen' uns in unferen Evangelien
hinterlaffen haben. Die Aufgabe führt den Verf. diefes
Mal unmittelbarer auf feine Anficht von den Evangelien,
die Kritik derTraditionshypothefe und die eigenthümliche
Geftalt, die er der Urevangeliumshypothefe giebt. Man
hört dabei kaum etwas Neues, und werden nur Wenige
von der unglücklich abftracten Art des Verf.'s alle Fragen
zu behandeln fich fehr gefördert fühlen, fo mag
doch Niemand ohne Theilnahme den Schwung wahrnehmen
, zu welchem der Verf. fleh durch feine treu gehegten
Einfichten erheben läfst (f. befond. S. 51). Kein
Prophet kann mit mehr Begeifterung uns feine himm-
lifchen Gefichte ans Herz legen, als der Verf. die .weltliche
Leuchte', mit welcher er die Entftehung des Chriften-
thums erhellt haben will. Liefse nur diefe Leuchte, bei
aller .Weltlichkeit', die irdifchen Dinge, die fie umftrahlt,
etwas deutlicher erkennen, auf diefem Gebiete, wo noch
fo Manches feiner wiffenfehaftlichen Aufhellung harrt
und diefe, das will auch Ref. nicht in Abrede (teilen, nur
gefundem und muthigem Menfchenverftande gelingen
wird! Allein was foll auch wer vielleicht im Allgemeinen
nicht viel beffer als der Verf. über die altkatho-
lifche Tradition denkt, mit dem ungemein oberflächlichen
Gerede über Papias, Irenäus und Tertullian (S. 14 ff.) anfangen
? S. 39 ff. findet man eine Kritik der bekannten
Baur'fchen Abhandlung über Seneca und Paulus. Diefe
mag wirklich durchaus nicht die Löfung des Problems
des Verhältnifses des Chriftenthurns zum Stoicismus gefunden
haben, Schwächen mögen es wirklich fein, was
hier und da der Verf. daran ausfetzt, im Ganzen weifs
er ihr doch nicht viel mehr entgegen zu fetzen, als immer
wieder die Behauptung, dafs Baur keine Ahnung
von einer Geburt der neuteftamentlichen Sprüche aus
dem römifchen Geifteswerk Seneca's habe. Von einer
beim Verf. feltenen Bcftimmtheit und Fafsbarkeit find
feine Ausführungen über die ftiliftifche Verwandtfchaft der
neuteftamentlichen Sprüche mit Seneca (S. 54 ff.) Aber
hier liegt auch die Ucbertreibung auf der Hand. In
feiner Art weifs auch der Verf. die Literatur des Ur-
chriftenthums zu erheben, ja bei der Art, wie er fie
entftanden denkt, kann er nicht der Unempfindlichfte
für ihren Contraft mit der fpäteren fein. .Woher' fragt
er, ,die Unbeholfenheit und Mattheit der kirchlichen
Schriftfteller feit dem Ende des 2. Jahrhunderts'? und
fährt fort: ,Ich antworte: Woher die Ermattung der tra-
gifchen Mufe nach dem athenifchen Dreigeftirn? Woher
nach den Meiftern Raphael und Michel Angelo
und deren ebenbürtigen Zeitgenoffen der Uebergang
der italienifchen Malerei zum Gebuchten und Uebertrie-
benen?' u. f. w. (S. 52 f.) Die Antwort ift dürftig, ja
eigentlich ein leeres Spiel, da Frage und Antwort ihren

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