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Ausgabe:

1880 Nr. 21

Spalte:

504-512

Autor/Hrsg.:

Lommatzsch, Siegfr.

Titel/Untertitel:

Luther’s Lehre vom ethisch-religiösen Standpunkte aus und mit besonderer Berücksichtigung seiner Theorie vom Gesetze dargestellt 1880

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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503 Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 21. 504

zeigt fich alfo doch fehr ftark der confervative Standpunkt
des Verf.'s. In einem Punkte ift er fogar hinter
Meyer zurückgegangen, nämlich in der Ablehnung jedes
Zufammenhangs des johanneifchenLogosbegriffes mit
der jüdifch-helleniftifchen Speculätion (S. 49 ff.). Freilich
war in diefer Hinficht die Stellung des Verf.'s bereits
bekannt, konnten daher feine diesbezüglichen Ausführungen
auch nicht überrafchen. Bemerkenswerth ift
aber das Zugeftändnifs S. 27: ,Nicht mit Unrecht hat
man behauptet, dafs eine höhere philofophifche (helle-
niftifche) Bildung des Evangeliften, befonders die fogen.
Logoslehre, mit dem Galiläifchen Fifcher Johannes (vgl.
auch Act. 4, 13) nicht zu reimen fei'. Wir fürchten:
wenn die johanneifche Abfaffung nur um den Preis zu
halten ift, dafs man die helleniftifche Bildung des Evangeliften
in Abrede ftellt, dann ift fie eben nicht zu halten.

Weit weniger ftark als Weifs hat Wold. Schmidt
in feiner Bearbeitung des Epheferbriefes in den
Meyer'fchen Text eingegriffen. Er hat fich nur die Aufgabe
geftellt, diejenigen Ergänzungen vorzunehmen,
welche durch die feit der letzten Meyer'fchen Auflage
erfchienene Literatur nothwendig geworden waren. Namentlich
waren bei der Einzelauslegung die Arbeiten von
Hofmann (1870), Ewald (1870) und Braune (2. Aufl. 1875)
zu berückflchtigen. Hat dies auch zu vielen Ergänzungen
im Einzelnen geführt, fo ift doch in der Hauptfache
der Meyer'fche Text unverändert geblieben. Stärkere
Abweichungen weift nur die Einleitung auf, wo namentlich
in Betreff der Echtheitsfrage die Unterfuchungen
von Hilgenfeld, Pfleiderer, Hitzig, Hönig und befonders

nesbriefe (14. Abth.), keine Veranlaffung zu einer we-
fentlichen Umgeftaltung feines Textes gehabt. Auch
hier befchränken fich die Neuerungen auf Nachbeffer-
ungen im Einzelnen und auf Berückfichtigung der feit
der letzten Auflage erfchienenen Literatur, von welcher
hier befonders die Auslegung des erften Johannesbriefes
von Haupt (1869) und die praktifche Erklärung desfelben
Briefes von Rothe (aus deffen Nachlafs herausg. von
Mühlhäufser, 1878), fowie zwei eigene Abhandlungen Hu-
ther's (Jahrbb. f. deutfche Theol. 1872, I u. 1873, IV) in
Betracht kamen.

Für die zu erwartenden neuen Auflagen der
fämmtlichen Abtheilungen des Meyer'fchen
Commentares erlaube ich mir abermals, wie fchon im
Jahrg. 1876, Nr. 14, den dringenden Wunfeh auszu-
fprechen : es möchte am Schluffe der Einleitung
eines jeden Bandes ein Verzeichnifs der exe-
getifchen Literatur gegeben werden. Ohne ein
folches bilden die zahlreichen im Commentar citirten
Namen für den Anfänger eine leere Nomenclatur, mit
welcher er gar keine Vorftellung verbinden kann.

Giefsen. E. Schür er.

Lommatzsch, Privatdoc. Lic. Dr. Siegfr., Luther's Lehre

vom ethifch-religiöfen Standpunkte aus und mit be-
fonderer Berückfichtigung feiner Theorie vom Gefetze
dargeftellt. Berlin 1879, Schleiermacher. (XV, 670 S.
gr. 8.) M. 11. —

Holtzmann (Kritik der Ephefer- und Kolofferbriefe, I Das oben verzeichnete Werk von Lommatzfch weifl

1872) zu berückflchtigen waren. Während hinfichtlich einen Uebelfland auf, der feiner Wirkfamkeit mehr Minder
Echtheit das Urtheil Meyer's beibehalten ift, hat der dernifse bereiten dürfte, als der zum Theil problema-
Herausgeber hinfichtlich anderer Fragen dasfclbe zum tifche Charakter feiner Ideen über Luther's Lehre, das
Theil mit Recht verlaffen. Die Worte fo 'Ecpeoqi werden ift die eigenthümlich umftändliche und fchwerfällige Dis-
zwar als urfprünglicher Beftandtheil des Textes feftge- pofition des Stoffes, die fleh in ihm findet, eine Dispo-
halten, dagegen die Anfleht Meyer's, dafs der Brief nur j fltion, die hervorgegangen ift aus dem Verflache, vielfür
die ephefinifche Gemeinde beftimmt gewefen fei, mit leicht etwas zu viele Intereffen zugleich zu befriedigen.
Recht aufgegeben. Freilich fcheint dem Ref. die An- Der Verf. hat im Allgemeinen einen doppelten Zweck
ficht des Herausgebers, dafs der Brief an die Gemeinden im Auge. Einmal will er gefchichtlich orientiren über
,im proconfularifchen Aflen und Umgegend' gerichtet die Lehre Luther's. Und in. diefer Hinficht hat er fich
fei (S. 16 f.), angeflehts der Stellen 1, 15. 3, 1—4. 4, 21 das Ziel möglichft hoch gefleckt. Es kommt ihm vor
ebenfo unmöglich, fofern nämlich die paulinifche Ab- ; Allem darauf an, ,den aus Luther's eigener Geiftesarbeit
faffung vorausgefetzt wird. Als Ort der Abfaffung nimmt 1 fich ergebenden Zufammenhang feiner Lehren' zu erder
Herausgeber nicht Cäfarea fondern Rom an (S. 20); 1 faffen. Auf der anderen Seite verfolgt er aber auch das
und hinfichtlich des Verhältnifses zum Kolofferbriefe ent- 1 Intereffe, ein Urtheil über den Gehalt der Theologie
fcheidet er fich wegen Kol. 4, 16 für die Priorität des Luther's anzubahnen. Er will ,auch den dogmatifchen
Epheferbriefes (S. 21). Maafsftab an Luther's Lehre anlegen und dicfelbe in

Die Bearbeitungen der Theffalonicherbriefe (10. ( ihrem idealen und fyftematifchcn Werthe prüfen'. Aus
Abth.) und des Hebräerbriefes (13. Abth.) von diefer Abficht erklärt fich der Zufatz auf dem Titel des
Lünemann find in den neuen Auflagen von dem Verf. Werkes: ,vom ethifch-religiöfen Standpunkte aus'. Ganz
ebenfalls auf Grund der neu hinzu gekommenen Litera- klar fpricht fich L. nicht darüber aus, was er dabei
tur mannigfach ergänzt. Eine grofse Bereicherung hatte eigentlich beabfichtige. Ich hoffe, dafs ich die Tendenz
namentlich die Literatur zum Hebräerbrief erfahren. Es des Werkes richtig interpretire, wenn ich meine, dasfelbe
waren hier feit der letzten Auflage Lünemann's (1867) wolle die Lehre Luther's befonders nach der Beziehung
neu hinzugekommen die Commentare von Kurtz (1869), prüfen, wiefern die ethifchen Mafsftäbe, die für eine
Ewald (1870), Hofmann (1873), Wörner (1876), aufser- richtige Deutung des Chriftenthums zuoberft in Betracht
dem zahlreiche Abhandlungen über einzelne Punkte und : kommen, darin zu ihrem Rechte gelangen. Dabei hat
Befprechungen der einfehlägigen Fragen in umfaffen- ; der Verf. Luther's Theorie vom Gefetze ,befonders be-
deren Werken. Allerdings ift diefe reichhaltige Literatur rückfichtigt'. Der Einleitung zufolge beftimmt ihn dazu
von L. nicht fo durchgängig berückfichtigt worden, wie theils der Umftand, dafs der Einflufs diefer Lehre auf
es von Meyer zu gefchehen pflegte. Namentlich fällt die die Entwicklung der ganzen Theologie Luther's bisher
fpärliche Berückfichtigung Hofmann's auf, von welchem , noch nicht genügend gewürdigt fei, ,wie fie auch befon-
vielfach noch der ,Schriftbeweis' citirt wird, wo jetzt ; ders geeignet fcheint, die fich ftetig offenbarende Einheit
der Commentar zu nennen gewefen wäre. Wenn Ref. j und die Veränderungen derfelben anfehaulich zu machen',
auch den thatfächlichen und bleibenden Gewinn, der aus | theils der Umftand, dafs fie einen der wichtigften Punkte
der Hofmann'fchen Exegefe zu ziehen ift, felbft nicht ergebe ,für die Weilerbildung unferer ethifch-religiöfen
fehr hoch anfchlagen kann, fo hätte fie doch fchon um Vorftellungen im Anfchluffe an das von den Reforma-
ihrer Eigenthümlichkeit willen und wegen der Bedeu- ! toren zunächft nur in unvollkommener Weife Darge-
tung, die Hofmann fonft als Theologe hat, eingehender ! botene'. Gemäfs dem Gewichte, welches diefer Lehre
berückfichtigt werden müffen. ; beigemeffen wird, ift die Dispofition getroffen worden.

Wie Lünemann fo hat auch Huther, der inzwifchen Es war gewifs fchwierig, die verfchiedenen Intereffen,
(am 17. März 1880) verdorbene Bearbeiter der Johan- die der Verf. verfolgt, in einer überfichtlichen Darftel-