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Ausgabe:

1880 Nr. 18

Spalte:

430-432

Autor/Hrsg.:

Goebel, Siegfr.

Titel/Untertitel:

Die Parabeln Jesu, methodisch ausgelegt. 3. Abth 1880

Rezensent:

Weiß, Bernhard

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429 Theologifche Literaturzeitung. 1880. No. 18. 430

Aus der Menge von Einzelheiten, wozu ich Ausheilungen
zu machen hätte, will ich nur einige wenige
erwähnen. Auffallend ift, dafs der Verf. den ausgezeichneten
Genefiscommentar von Dillmann offenbar
nicht kennt. Andere Leute wie Nork (S. 314) hätte er
beffer nicht gekannt. Gewundert hat mich, dafs zu Genens
9, 27 die alte Ueberfetzung ,ruhmreiche Zelte' erneuert
wird (S. 29), da im Zufammenhang, wo foeben von
Sem die Rede war, doch auch hier offl wohl der Eigenname
fein mufs. Dafs auf der S. 90 befprochenen ba-
bylonifchen, angeblich den Sündenfall darhellenden Abbildung
ein Mann und ein Weib zu finden feien, ih
neuerdings von Joachim Menant behritten worden. S.
552 ih dem Verf. die ausgezeichnete Conjectur von Gut-
fchmid's f-Ja^titov hatt 'E&wdiwv (Fleckeifen's Jahrb. f.
claff. Philol. 1876. S. 514) entgangen. Dafs Typhon oder
Typhaon ,nicht von einem femitifchen Archetypos' fich
ableitet (S. 571; übrigens ih nicht Cephün, fondern nur
yici: nachweisbar), noch mehr, dafs es einen phönicifchen
Gott Jao (S. 578) nicht giebt, glaube ich in meinen Studien
I nachgewiefen zu haben.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

Steffann, Pah. emer. Emil, Die Gleichnisse des Herrn. Fingerzeige
zu deren Deutung. Nördlingen 1879, Beck.
(188 S. 8.) M. 1. 80.

Wir haben hier eins von den Büchern, bei welchen
man fich vergeblich fragt, wiederVerfaffer fich eigentlich bewogen
finden konnte, dasfelbe zu veröffentlichen. Nicht
als ob nicht mancherlei Schönes und Fruchtbares darin
enthalten wäre, manch tiefer Blick in das innere Leben,
manche kernige Anwendung auch auf die Lebensverhältnisse
im Grofsen. Aber zu Ehren unferes geihlichen
Standes möchten wir doch behaupten, dafs es nicht über
das hinausgeht, was jeder tüchtige Homilet gelegentlich
ebenfo zur Deutung und Anwendung der Gleichnifse beibringen
wird. Und wo es darüber hinausgeht, da möchten
wir nicht gerade einen Vorzug unferes Buches fehen,
das doch auch des Erkünftelten in der Deutung und des
Schiefen und Halbwahren in der Anwendung gar mancherlei
enthält.

Von einer methodifchen Auslegung der Gleichnifse
kann ja nicht die Rede fein, fondern von einer homile-
tifchen Verwendung, der mit Recht gröfsere Freiheit zu-
geftanden wird. Das zeigt fchon die Art, wie Bilderreden
und concrete Veranfchaulichungen mit erklärt
werden, die doch nur in fehr uneigentlichem Sinn zu
den Gleichnifsen gerechnet werden können. Oder follen
wir wirklich die Sprüche Matth. 5, 39—41 zu den Gleichnifsen
rechnen und gar die Vögel unter dem Himmel
oder die Lilien des Feldes 6, 26—29? Dann freilich darf
es uns nicht mehr wundern, dafs auch Matth. 17, 24—26
unter den Gleichnifsen vorkommt und darin die biblifche
Begründung für die frühere Steuerfreiheit der Diener der
Kirche gefunden wird. Die Behandlung des Einzelnen
ift fehr ungleich. Bald werden die gangbarften Erläuterungen
in ziemlicher Breite beigebracht, bald wird nur
eine kurze Anwendung dem Gleichnifswort hinzugefügt;
bald bleibt der Verf. bei den Grundgedanken des Gleich-
nifses flehen, bald geht er fehr tief in die allegorifirende
Ausbeutung des Einzelnen ein. Zwar ob die drei Scheffel
Mehl die drei Völkergruppen, die den Söhnen Noah's entflammen
, bezeichnen, läfster dahin geftellt; aber im Gleich-
nifs vom Schatz legt er Gewicht darauf, dafs derfelbe
ohne Graben nicht gefunden werden kann, obwohl er
felbft bemerkt, dafs der Herr das nicht hervorhebt.

Ein Beifpiel allegorifirender Willkür ift auch hier die
Deutung des Gleichnifses von den zehn Jungfrauen.
Hauptfächlich quält fich der Verf. mit der Frage, was
die Gefäfse neben den Lampen bedeuten und wer die
find, die das Gefchrei erheben, dafs der Herr kommt, oder

I wer die Krämer find. Es kann aber nichts Schieferes
geben, als feine eigene Deutung der Gefäfse, und schliefs-
lich kommt der Verf. zu der richtigen Einficht, dafs diefe
allegorifirende Deutung nothwendig macht, das Gleich-
nifs nicht auf das letzte Gericht, fondern auf die Theil-

| nähme am taufendjährigen Reiche zu beziehen, wofür

| doch Text und Context auch nicht die geringfte Andeutung
geben. Zu Matth. 13, 52 bemerkt der Verf.: .Wollte
darin Mancher der Herrn Prediger ihm nachzuahmen
fuchen, fie würden weniger über die Köpfe dahin predigen
. Aber freilich dazu bedarf es einer reichen Schatzkammer
und eines forgfältigen Hervortragens; das foge-

j nannte aus dem Aermel Schütteln thuts nicht!' Gewifs
nicht, aber in diefen .Fingerzeigen' ift doch neben manchem
Tiefen und Treffenden auch gar Manches ,aus dem
Aermel gefchüttelt'. Dabei fehlt es nicht an kleinen
gehäffigen Seitenhieben auf Theologen, Paftoren, Con-
fiftorialräthe, auf Verhältnifse in Staat und Kirche, die
gerade, weil fie mehr andeuten als ausführen, nach Be-

| rechtigung und Frucht gleich zweifelhaft find.

Doch, wie gefagt, wir wollen den Lefern nicht den
Genufs des vielen Guten, das in dem Buche fleht, verkümmern
. Es fehlt auf den 185 Seiten desfelben kein
Bildwort des Herrn, auch nicht aus Johannes. Das Ge-

j gebene wird manchen Homileten anregen und wenn er
über das Gegebene hinausgeht und auch hier die Spreu
vom Weizen fondert, wird's der Verfaffer ihm am we-
nigften verargen wollen.

Berlin. Weifs.

Goebel, Hofpred. Siegfr., Die Parabeln Jesu, methodifch
ausgelegt. 3. Abth. Gotha 1880, F. A. Perthes. (IX,
232 S. gr. 8.) M. 4. —

In der hier vorliegenden Schlufsabtheilung des Werkes
werden, der in den früheren Theilen angelegten felt-
famen Auswahl und Eintheilung entfprechend, eine Anzahl
.Parabeln der letzten Zeit' fpeciell gedeutet; denn
die Parabeln von den ungleichen Brüdern, dem Haus-

! herrn und dem Diebe, dem treuen und untreuen Knecht

| werden nur andeutungsweife befprochen und aus Matth.

I 18 die Parabel vom Schalksknecht aufgenommen, während
die vom verlorenen Schaf fchon früher untergebracht
ift. Die ermüdende Breite der Deutungsmethode
tritt hier noch greller hervor, wie in den früheren Theilen
, die Sätze werden womöglich noch länger und ge-

1 wundener als fonft. Im Einzelnen ift auch hier viel

| Tüchtiges in der Erklärung und viel Feinfinniges in der
Deutung, wenn auch die philologifchen Bemerkungen

! des Verf. oft recht fonderbar find. Was foll es heifsen,
dafs die Faffung eines xai als epexeg. ,überaus hart' er-
fcheint (p. 26), während die Richtigkeit einer folchen
doch blofs nach dem Verhältnifs der verbundenen Begriffe
entfehieden werden kann; oder dafs man aus einem

[ xai kein blofses ,und' machen dürfe (p. 301), während
es das doch eben zunächft heifst ? Wie foll man fich das
grammatifch denken, dafs ein Acc. temp. unmittelbar

j zu einem Subftantiv gehört (p. 29), oder lexikalifch, dafs
enohioev yduov die Einladung einfchliefst, weil diefelbe
nachher vorausgefetzt ift (p. 92)? Dagegen enthält der
Verfuch, die ganze Situation der Parabel von den zehn
Jungfrauen anders zu faffen, als fie gewöhnlich gefafst
wird, unftreitig viel Beachtenswerthes. Aber woher die
oöoi, die der Verf. nach feiner Deutung aufserhalb der
Stadt denkt, da, wo fie fich kreuzen, .befonders verkehrsreiche
Stätten' find (p. 100), ift doch nicht abzufehen;
und wenn er Matth. 22,13 die Schlufsworte von der
Rede des Königs lostrennt, weil fie allerdings zu dem
Befehl an die Diener fo wenig wie möglich paffen
(p. 106), fo find es doch nicht die Gegner, welche die-
felben dem Worte des Königs .einverleiben', fondern
der Evangelift, der durchaus nicht andeutet, dafs hier
ein Wechfel des Redenden eintritt.