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Ausgabe:

1880

Spalte:

420-421

Titel/Untertitel:

Unter dem Schatten der Palme. Geistliche Lieder von A. D 1880

Rezensent:

Lindenberg, H.

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Theologifchc Literaturzeitung. 1880. No. 17.

420

Aber wer einmal ein folches Buch fchreibt, tollte doch
im Ganzen gut orientirt fein. Da ifl aber z. B. der Un-
terfchied zwifchen den beiden Miffionsgefellfchaften der
englifchen Staatskirche, der evangelifch gefinnten Church
Missionary Society und der hochkirchlichen Propagation
Society durchaus nicht klar -feftgehalten. Vollends an
der geographifchen Orientirung fehlt es fo fehr, dafs
man denken könnte, das Buch fei von einem Franzofen
gefchrieben. Wir wollen nicht davon reden, dafs zwifchen
die katholifche und die evangelifche Miffion in
Guayana die Miffion in Patagonien eingefchoben ift, aber
dafs die Basler Miffion in Oftindien auf die Oftküfte
verfetzt wird, das ift doch ftark. Süd-Mahratta wird
S. 344 als nahe an Tinnevelly grenzend bezeichnet. Ein
Blick auf die Karte zeigt, dafs man mit demfelben Recht
etwa Dänemark ein nahe an Frankreich grenzendes Land
nennen könnte. In dem Abfchnitt über Hinterindien,
zwifchen Tonkin und Siam, wird Korea behandelt, jene
wenig bekannte Infel, im Nordotten von China gelegen'
(S- 395)- Kalkar fagt in der Vorrede, er habe Burk-
hardt-Grundemann's Miffionsbibliothek feiten benützt,
weil er feine eigenen Wege gehe. Er hätte offenbar
beffer daran gethan, fie mehr zu benützen. Der Abfchnitt
über Amerika, wo die Verhältnifse einfacher find,
giebt immerhin noch ein gutes Bild, und man erfährt
hier, wie die katholifchen Miffionare nach der Befetzung
des Landes durch die Europäer ähnliche Nöthe um der
fchlimmen Weifsen willen durchgemacht haben, wie heutzutage
die evangelifchen auf fo manchen Miffionsge-
bieten. Aber der Abfchnitt über Oftindien ift dürftig
und enthält auch abgefehen vom Geographifchen fo
viele Confufionen, dafs es kaum der Mühe werth ge-
wefen ift, denfelben ins Deutfche zu überfetzen, da wir
in deutfcher Sprache in den vorhin recenfirten Schriften
beffere Handbücher befitzen.

Plath's Reife nach Oftindien ift eine anziehende
Jugendfchrift. Unter die Miffionsliteratur kann fie kaum
gerechnet werden; denn fie führt zwar auf ein Miffions-
feld, aber das Intereffe der Lefer wird durch die Auswahl
des Stoffs mehr auf Elephanten, Pferde u. f. w. als auf
die Miffion gerichtet werden.

Möffingen bei Tübingen. P. Wurm.

Dörpfelrl, Rect. Fr. Wilh., Der didaktische Materialismus.

Eine zeitgefchichtliche Betrachtung und eine Buch-
recenfion. Gütersloh 1879, Bertelsmann. (III, 152 S.
gr. 8., M. 1. 60.

Der Verf. ift ein treuer Anhänger der pädag. Anflehten
Herbart's und Zillers und fomit des ,erziehenden
Unterrichts'. Die nächfte Veranlaffung zur Ausarbeitung
diefer Brofchüre, die urfprünglich in dem vom Verf. herausgegebenen
Ev. Schulblatte erfchien, war ein Schriftchen
von Seminardirector Rein und einigen Lehrern an
der Seminarfchule zu Eifenach: ,Das erfte Schuljahr'.
In diefem Schriftchen find nach des Verf.'s Anflehten die
Grundfätze des erziehenden Unterrichts praktifch durchgeführt
, und fomit fei es leichter geworden, fich mit der
Theorie des Lehrplans und des Lehrverfahrens nach
Herbart's Grundfätzen vertraut zu machen, was bisher
eine beträchtliche Arbeit gewefen wäre. Er hofft, dafs
fo allmählich der didaktifche Materialismus überwunden
werde. Er verlieht darunter jene oberflächliche
pädagogifche Anficht, welche den eingelernten
Stoff, gleichviel, wie er gelernt fei, ohne weiteres
für die geiftige Kraft hält und darum das blofse
Quantum des abfolvirten Materials fchlecht-
weg zum Mafsftab der intellectuellen und fitt-
lichen Bildung macht'. Man folle ja nicht glauben,
der didaktifche Materialismus flamme von geifern oder
1872 her. Er habe auch zur Zeit der alten Regulative
gelebt und damals befonders beim Religionsunterricht.
Die neueren Fehler desfelben lägen in dem Uebermafs

von Lernfloff und in dem Mangel einer ftärkeren Betonung
des Erziehungs- und Bildungszweckes entgegen
dem Anfammeln blofser Kenntnifse, und einer be-
ftimmten Hinweifung auf die Mittel und Bedingungen,
ohne welche jene Ziele nicht zu erreichen find.

An der Verbreitung des gerügten Grundfehlers fei
die jetzige Schulaufficht nicht zum geringen Theil fchuld.
Die Volksfchule in Preufsen fei einer vierfachen Aufficht
unterworfen: 1) durch den Local-Schulinfpector,
2) durch den Kreis-Schulinfpector, 3) durch den Regier-
ungs-Schulrath, 4) durch den Seminar - Director. Zudem
feien die wenigften diefer Infpectoren durch eine
Arbeit in der Volksfchule für die Infpection genügend
ausgebildet. Die Lehrer wollten bei den Vifitationen
beliehen; darum fei ihr hauptfächliches Beftreben darauf
gerichtet, dafs fie den Schülern ein nicht geringes Mafs
von Kenntnifsen einprägten, unbekümmert darum, ob
es für die wahre Bildung gehörig verarbeitet werde.

Eine fehr bedauerliche Thatfache fei der Umfland,
dafs auf den preufs. Univerfitäten die Wiffenfchaft vom
Culturerwerb, die Pädagogik, nicht einmal einen einzigen
felbftändigen Lehrlluhl befitze, während jede der-
felben wenigftens zwei haben folltc.

Doch hofft der Verf., dafs eine Befferung immer mehr
eintreten werde; fchon fei der Anfang gemacht. Er
rechnet hierher: qualitative Vervollfländigung des Lehrplans
; gründliche allgemeine Vorbildung der Schulamts-
afpiranten durch Errichtung ordentlicher Präparanden-
anftalten; Hebung der beruflichen Vorbildung der Lehrer
durch Verlängerung des Seminarcurfus und durch flär-
kere Berückfichtigung der Berufswiffenfchaften; Anordnung
der Rectorenprüfung, wodurch zugleich die allgemeine
Einführung des Hauptlchramtes angebahnt fei;
Beförderung der Mittelfchulen, Anordnung der Mittel-
fchullehrer-Prüfung und Anftellung felbfländiger Kreis-
Schulinfpectoren. Ganz befonders hebt er hervor, dafs die
einzelnen Unterrichtsfächer ein in fich zufammenhängen-
des Ganze bilden, fich gegenfeitig ergänzen und unter-
flützen müfsten. Aus diefem Grunde ift er ein entfehiede-
ner Gegner der paritätifchen oder Simultanfchule. Wenn
irgendwo dem Geifte des didaktifchen Materialismus
Thür und Thor geöffnet fei und die Einheitlichkeit oder
Concentration des Unterrichts geftört werde, fo fei es
in der paritätifchen Schule, wo der Religionsunterricht,
welcher den Mittelpunkt des Sachunterrichts und fomit
aller Lehrfächer bilden müffe, mehr auf die Seite ge-
fchoben werde. ,Wäre Herbart's Begriff von dem erziehlichen
Unterricht in den deutfehen Schulen, Seminarien
und Regierungsftuben anerkannt gewefen, fo würden wir
es nicht erlebt haben, dafs zeitweilig ein Theil der Lehrer
und Schuloberen für eine Schuleinrichtung gefchwärmt
hätte, bei welcher der Religionsunterricht ifolirt dafleht'.

Doch wir brechen ab, indem wir glauben, durch das
Mitgetheilte das Buch genügend charakterifirt zu haben.
Wir können uns nur über folche Gaben aus der Lehrerwelt
von Herzen freuen.

Langgöns. Strack.

Unter dem Schatten der Palme. Geiftliche Lieder von A. D.
Hannover (1880;, Brandes. (VIII, 92 S. 12.) geb.
M. 2. —.

Wenn die Gefinnung allein den Dichter machte, fo
würde diefe Liederfammlung manche Freunde finden.
Denn es fpricht fich in derfelben eine einfache unge-
fuchte Frömmigkeit aus, und die mitgetheiltcn Gedanken
und Erfahrungen find, wenn auch nicht neu und tief,
doch richtig und wahr. Von Pocfie aber, wofern man
nicht eine Anzahl mehr oder minder gefchickt gereimter
Zeilen mit diefem Namen bezeichnet, ift in dem
Buche nicht viel zu finden. Ref. glaubt daher, der ungenannte
Verfaffer (Verfafferin ?) hätte beffer gethan, fich
an der Befriedigung, die das Niederfchreibcn folcher Ge-