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Ausgabe:

1880 Nr. 16

Spalte:

395-397

Autor/Hrsg.:

Freiensehner, H. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Schwarz und Curtman, Lehrbuch der Erziehung. Ein Handbuch für Eltern, Lehrer und Geistliche. 8. Aufl. 1. Thl. Allgemeine Erziehungslehre 1880

Rezensent:

Strack, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 16.

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warth hat Depping eine ausführliche Studie publicirt in
Revue Jästorique 1879; die Hugenottencolonien in Brandenburg
hat Beheim-Schwarzbach in feinem oben angeführten
Buche behandelt, eine Ergänzung dazu fchrieb
Tollin in Zeitfchrift für preufsifche Gefchichte Bd. 1876
u. 1877; die Gefchichtsblätter für Magdeburg 1876 u.
1877 enthalten ebenfalls Nachrichten über franzöfifche
Colonien in Sachfen, in feiner fehr genauen Gefchichte
der Reformirten Gemeinde in Leipzig (1874) hat A.
Kirchhoff der Franzofen ausführlich gedacht, und die
Anfiedelungen in Württemberg haben durch Stalin in
den württembergifchen Jahrbüchern 1868 eine acten-
mäfsige Darfteilung gefunden.

Stuttgart. Theodor Schott.

Schwarz und Curtman, Lehrbuch der Erziehung. Ein

Handbuch für Eltern, Lehrer und Geiftliche hrsg. von
Pfr. H. Freienfehner. 8. Aufl. 1. Thl. Allgemeine
Erziehungslehre. Leipzig 1880, C. F. Winter. (X,
488 S. gr. 8.) M. 4. —

Während der letzten Jahre find weniger neue be-
achtenswerthe Schriften über Pädagogik erfchienen: dagegen
find neue Ausgaben und Bearbeitungen älterer Werke
der Art zu verzeichnen. Wir erinnern an: A. H. Nie-
meyer's Grundfätze der Erziehung und des Unterrichts
. Mit Ergänzung des gefchichtlich literarifchen
Theiles und mit Niemeyer's Biographie herausgegeben
von Dr. W. Rein, Seminardirector in Eifenach, Langen-
falza 1878; weiter A. H. Niemeyer, Grundfätze der
Erziehung und des Unterrichts. Geordnet und mit Einleitung
undCommentar verfehen von Dr. G. A. Lindner,
Wien 1877 und 78; Dr. H. Gräfe's deutfche Volks-
fchule oder die Bürger- und Landfchule nach der Ge-
fammtheit ihrer Verhältnifse. In neuer Bearbeitung von
Dr. J. Chr. Gottlob Schumann, Jena 1878. Diefter-
weg's Wegweifer erfchien in neuer Bearbeitung in 3 Bänden
mit einer kurzen Biographie des Verewigten, und
einer Gefchichte des Wegweifers felbft. Effen 1875—77.
Rouffeau's Emil wurde überfetzt und mit Einleitung
verfehen von Carl Reimer. Leipzig, Siegismund und
Volkening. Von noch älteren Werken find zu erwähnen:
Salzmann, Konrad Kiefer oder Anweifung zu einer vernünftigen
Erziehung der Kinder; und aus noch älterer
Zeit: Arnos Comenius, grofse Unterrichtslehre. Einleitung
, Commentar und Ueberfetzung vom Seminardirector
Lindner. Warum follte nicht auch das (liefen
Schriften gewifs ebenbürtig zur Seite flehende Lehrbuch
der Erziehung von Curtman mit Verbefferungen
und Zufätzen aufs neue bei dem pädag. Publikum anklopfen
und Einlafs begehren. Es hat die Probe in 7
verfchiedenen Auflagen beftanden und fleh vielfeitigen
Beifall erworben. Auch ift der neue Herausgeber nicht
ohne äufseren und inneren Beruf an die Arbeit gegangen.
Er war auf dem Seminar zu Friedberg Schüler von
Curtman und hat fpäter feine theoretifchen pädag.
Kenntnifse als Lehrer an der höheren Töchterfchule zu
Giefsen, fowie alsSchulinfpector praktifch bewährt, fowie
er auch heute noch als Pfarrer zu Jugenheim in Rhein-
heffen an einem Knabeninftitut befchäftigt ift. Um fo
freudiger ging er an die Arbeit, da er fleh noch heute
mit den pädag. Grundfätzen Curtman's im Grofsen und
Ganzen in Uebereinftimmung weifs. Dies ergiebt fleh
fleh auch daraus, dafs er namentlich in dem vorliegenden
erflen Theil nur wenige Aenderungen vorgenommen und
Zufätze beigefügt hat. Weggelaffen ift die noch in der
dem Ref. vorliegenden fechften Auflage befindliche
kurze Biographie des verftorbenen Kirchenraths Schwarz,
denen Erziehungslehre die urfprüngliche Grundlage von
Curtman's Bearbeitung war. Auch in der Anordnung
find manche Veränderungen vorgenommen worden, fo-
dafs die in der neueften Ausgabe den früheren nicht

mehr entfprechen. In der fechften Auflage — die 7.
konnte Ref. nicht einfehen — fanden fich folgende Ab-
fchnitte: A. Grundverhältnifse der Erziehung. B. An-
thropologifche Vorbegriffe der Pädagogik. C. Erziehungslehre
im engeren Sinne, a. Wahrheit in der Erziehung
, b. Gemüthlichkeit in der Erziehung, c. Harmonie
in der Erziehung. Sodann: Specielle Erziehungslehre
. In der neueften Auflage find folgende Abfchnitte:
1. Anthropologifche Vorbegriffe der Pädagogik. 2. Grundverhältnifse
der Erziehung. 3. Grundfätze der Erziehung*
A. Wahrheit der Erziehung. B. Gemüthlichkeit der Erziehung
. C. Harmonie der Erziehung. 4. Erziehungsmittel
. A. Erziehungsmittel im weiteren Sinne. B. Die
Erziehungsmittel im engeren Sinne. 5. Einzelaufgaben
der Erziehung.

Schon bei oberflächlicher Betrachtung wird man erkennen
, dafs die zweite Eintheilung und Ueberficht vor
der erften den Vorzug verdient. Die Ueberfchriften einzelner
§5 fhmmen dagegen vielfach ganz überein, ja
grofsentheils auch der Text. Wir billigen diefe rück-
fichtsvolle Behandlung, da in der That die Darftellung
Curtman's meiftens keinen Grund zu Veränderungen bot,
ja in ihrer Eigenthümlichkeit durch folche eher verloren
als gewonnen haben würde. Zu den anerkennenswerthen
Vorzügen derfelben gehört die klare, leicht verftänd-
liche und gründliche Behandlung, fodafs auch jeder
einigermafsen gebildete Laie für die pädag. Behandlung
feiner Kinder fich in diefem Buch Belehrung und Rath
holen kann. Namentlich gilt dies auch von den anthro-
pologifchen, refp. pfychologifchen Erörterungen, die als
befonders gelungen zu bezeichnen find, zumal, wenn
man erwägt, dafs es keine leichte Aufgabe ift, bei folchen
mit verhältnifsmäfsiger Popularität Gründlichkeit und
Wahrheit zu vereinigen. Als einen weiteren, nicht hoch
genug anzufchlagenden Vorzug betrachtet Ref. den chrift-
lich-religiöfen Geift, der fich von Anfang bis Ende faft
auf allen Seiten kund giebt. Der Verf. gehörte nicht zu
den Pädagogen, welche von der blofsen Förderung der Intelligenz
das Heil des Volkes erwarten und welche meinen,
je mehr Wiffen im Volke, defto mehr Moralität werde
vorhanden fein. Er zeigt das Unwahre diefer Behauptung
durch die Hinweifung auf die zunehmende Unfittlichkeit
in der Gegenwart bei namhafter Verbefferung des Schulunterrichts
; er weift fogar aus der Gefchichte nach, dafs
die Periode blühender Cultur bei verfchiedenen Völkern
mit dem Sittenfalle in Verbindung flehe. Unfere Schulen
müfsten auch Erziehungsanftalten, nicht blofs Unterrichtsanftalten
fein. Dabei verkennt er nicht, dafs die Schulerziehung
auf faft unüberwindliche Schwierigkeiten ftofse,
wenn fie nicht die häusliche zur Grundlage habe und
mit derfelben Hand in Hand gehen könne. Leider fei
aber bei unferen focialen Verhältnifsen und namentlich
bei dem Verfall des Familienlebens nur allzuhäufig die
häusliche Erziehung faft zur Unmöglichkeit geworden.
Wiederholt kommt der Verf. darauf zurück, wie ohne
Religion und insbefondere ohne das Chriftenthum keine
Erziehung gedeihen und erfreuliche Früchte hervorbringen
könne. Wir möchten die ausgefprochenen Anflehten
allen denjenigen, welche irgend welchen Einflufs auf die
Volkserziehung und auf das Schulwefen haben, dringend
zur Beherzigung empfehlen. Auch die neuerdings vielfach
empfohlene, hier und da eingeführte fog. ,allgemeine
' Volksfchule für alle Kinder ohne Unterfchied des
Standes und derVermögensverhältnifsebiszum 10. Lebensjahre
verwirft der Verf. Man müffe die Kinder ihren
Verhältnifsen gemäfs erziehen, fonft fei die Erziehung
und Bildung theilweife fruchtlos, theilweife verderblich.
Man müffe das Gleichartige in den Schulen möglichft
vereinigen, um gleichmäfsigen Fortfehritt zu erzielen, um
auf der einen Seite Hochmuth und Selbftüberfchätzung,
auf der andern das Gefühl der Befchämung, des Neides
u. f. w. zu verhüten. Ref. war auch als Gymnafiaft ein
Schüler Curtman's, der allerdings damals noch weit ent-