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Ausgabe:

1880 Nr. 16

Spalte:

393-395

Autor/Hrsg.:

Poole, Reginald Lane

Titel/Untertitel:

A history of the Huguenots of the dispersion at the recall of the edict of Nantes 1880

Rezensent:

Schott, Theodor

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 16.

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Kirchengebäude, gegen den Begräbnifsplatz verübten
Gewaltthaten, einander fehr ähnlich find, ohne Frage
etwas ermüdendes, — was freilich dem Herausgeber,
fofern er eine ,Ueberfetzung' und nicht eine .Bearbeitung'
geben wollte, nicht zur Laft fällt. Sein Wunfch, in der
deutfchen evangelifchen Kirche Theilnahme für die pol-
nifchen evangelifchen Gemeinden zu wecken, wird erreicht
werden, wo nur fein Werk gelefen wird, denn es
zeigt uns das Bild einer Gemeinde, die unzählige Leiden
*ind Verfolgungen ftandhaft erduldet hat.

Die Vorrede des Paftor Wengierski ift unterfchrie-
ben: .gegeben am Ofterfefte, den 29. März, im Jahre
des Heils 1651'. In diefer Angabe mufs ein Irrthum
fein. Obwohl die Chronik bis zum Jahre 1657 reicht,
wird die Vorrede fchon 1651 gefchrieben fein, als der
Verfaffer fein Werk begann, denn er fagt S. VII, dafs
er 14 Jahre an diefer Gemeinde ftehe, und ward nach
S. 97 im J. 1637 in Krakau eingeführt. Aber im Jahr
1651 war Oftern weder nach dem gregorianifchen noch
nach dem julianifchen Kalender am 29. März; dafs
man damals bei den Evangelifchen in Polen nach dem
gregorianifchen Kalender rechnete, zeigen die Daten
auf Seite 138 bis 141 (wo freilich zu S. 140 zu bemerken
ift, dafs i. J. 1657 Himmelfahrt auf den 10. Mai und
Pfingften auf den 20. Mai fiel), und ift auch fonft wahr-
fcheinlich. Wie das Datum unter der Vorrede zu
berichtigen fei, bleibt fraglich; nach dem julianifchen
Kalender war i. J. 1657 Oftern am 29. März, aber wir
dürfen nach dem Gefagten wohl hier weder an diefes
Jahr denken, noch den julianifchen Kalender als den zu
Grunde liegenden anfehen.

Hamburg. Carl Bertheau.

Poole, Reginald Lane, A history of the Huguenots of the

dispersion at the recall of the edict of Nantes. London
1880, Macmillan & Co. (XII, 208 S. 8.)

Seit Ch. Weifs durch feine treffliche Histoirc des
refugics protestans de France. T. I. 2. 1853 ein umfaffen-
des Gefammtbild von jener für Frankreich fo verhäng-
nifsvollen Austreibung feiner tüchtigften Bürger gegeben
hat, ift eine neuere zufammenfaffende Darfteilung diefes
nach verfchiedenen Seiten hin intereffanten Gegenftan-
des dem Ref. nicht bekannt. An tüchtigen Monographien
über einzelne Länder und Städte, in welche fich
der Strom der franzölifchen Auswanderung ergoffen hat,
fehlte es allerdings nicht: Mörikofer (Gefchichte der
evangelifchen Flüchtlinge in der Schweiz 1876; hat für
fein fchönes Vaterland dasfelbe gethan, was Agnew
{Protestant Exiles front France in the reign of Louis XIV
or the Hugucnot refugecs and their descendants in Great
Britain & Ire/and 1871) für das britifche Infelreich und

Beheim-Schwarzbach in: HohenzollernfchcColonifationen, Gemeinden aus rein religiöfen Gründen find ohnedies

feine Aufgabe und wenn man ihn begleitet hat auf feiner
Wanderung durch die nahen und fernen Staaten, welche
den vertriebenen Glaubensgenoffen gaftlich ihre Grenzen
öffneten, ihnen Heimathrecht gewährten und damit eine
neue Exiftenz möglich machten, wenn man dabei in der
Kürze den Einflufs erfährt, den die fleifsigen, intelligenten
, zum Theil auch bemittelten Franzofen auf Handel
und Induftrie, Ackerbau und Obftcultur, Gefellfchaft
und Bildung ihrer neugewonnenen Mitbürger in Holland
und England, in der Schweiz und in Deutfchland ausübten
, fo hat man allerdings einen im Ganzen recht
richtigen Ueberblick erhalten über jene merkwürdige
Einwanderung und ihre ungemein weit gehenden Folgen.
Mit Holland beginnend führt uns der Verf. über Hamburg
in die Staaten am baltifchen Meere, in welchen nur
vereinzelte Häuflein Zuflucht gefunden haben, nach England
, deffen Nachbarinfei Irland und nach feinen Colo-
nienNeu-England und dem (damals holländifchen) Cap. Die
Schweiz, durch ihre Lage von jeher ein offenes Afyl der
aus religiöfen oder politilchen Abrichten verfolgten Flüchtlinge
, bildet den Uebergang zu der II. Gruppe von gaft-
freundlichen Staaten, den deutfchen: Frankfurt, Sachfen,
Pfalz, Württemberg und befonders Heffen treten mit
ihren Colonien der Reihe nach auf, Brandenburg endlich
fchliefst die geographifche Rundfchau. Dafs Holland,
England und Brandenburg ausführlicher befprochen werden
, liegt in der Natur der Sache; eine Schilderung der
Hugenotten zu Haufe und der Politik Ludwig's XIV
bildet die Einleitung zu der Anführung der entfetzlichen
Gewaltmafsregeln, welche die Auswanderung der Pro-
teftanten veranlafsten. Das nothwendige Gegenftück dazu
ift im Schlufscapitel die Schilderung der gewaltigen Ein-
bufse, welche Frankreich finanziell, intellectuel und mo-
ralifch durch die unglückfelige Politik feines ,grofsen
Königs' erlitten hat. Unter den Annexen find die wichtig-
ften die chronologifchen Zufammenftellungen über die
franzöfifchen Kirchen in London, die Colonien in Heffen
und Preufsen. — Neues Material hat der Verf. fehr
wenig beigebracht, aber das Vorhandene kennt er gut
und hat es gefchickt gruppirt, in Zahlen und Citaten ift
er pünktlich und die ganze Betrachtung der Hugenotten
und ihres jammervollen Gefchicks frei von Declamation,
aber in ihrer Objectivität wohlthuend. Die Behauptung
(S.2), dafs die Hugenotten ftets eine politifche Partei
gewefen feien und dafs dadurch Ludwig's XIV Verfahren
gegen fie in letzter Inftanz erft verftändlich fei, ift
fchwerlich haltbar; nach der Eroberung von Rochelle
1628 hörte jede politifche Bedeutung derfelben auf, in
die Kämpfe der Fronde haben fie fich nie gemifcht,
ihre vornehmen adeligen ruhrer wurden der Reihe nach
abtrünnig, die Hugenotten waren feit jener Zeit eine
Secte, aber keine Partei mehr; Austreibungen ganzer

Leipzig 1874, für die preufsifchen Lande. Das Bidletin nicht unerhört in der Weltgefchichte, man denke an die
de la societe de l'histoirc du protestantisme francais, ganz Vertreibung der Morisken durch Philipp III, der Salz

unentbehrlich für einen jeden, der auf diefem Pfade der
gefchichtlichen Forfchung wandelt, hat in feinen 28 Bänden
eine unendliche Menge einzelner Berichte, Notizen
und Documente gebracht, fo dafs eine Umarbeitung des
Weifs'fchen Werkes nach dem gegenwärtigen Stande
der Wiffenfchaft nicht ohne Werth wäre, zumal da die

burger durch den Erzbifchof Firmian. Auch der Satz
von Betty (S. 8), dafs in jedem Staate gerade die Partei
befonders Handel treibt, welche Anflehten bekennt, die
von den herrfchenden und ftaatlich anerkannten abweichen
, ift mehr originell als richtig; die Ueberlegen-
heit der franzöfifchen Proteftanten über ihre katholifchen

letzten Jahre die Gefchichte der Hugenotten überhaupt Mitbürger in Handel und Gewerbe rührt davon her,
durch gediegene Publicationen mannichfach bereichert 1 dafs die Reformation gerade bei diefen Ständen mehr
haben. Eine folche Neubearbeitung ift nun das vorliegende Eingang gefunden hatte, als bei dem Landvolke. End-
Werk allerdings nicht, es ift vielmehr, hervorgegangen j lieh fei es geftattet, die bibliographifche Nachweifung
aus einer hiftorifchen Preisaufgabe, eine knapp aber gut j durch einige neuere Schriften und Auffätze zu ergänzen,
gefchriebenc Skizze der franzöfifchen Flüchtlingsgefchichte 1 welche dem Verf. entgangen find. Ueber eine nordfeit
der Aufhebung des Edictes von Nantes (1685,. Dem amerikanifche Colonie giebt Auskunft: G. F. Daniels,
ausgefprochenen Zwecke des Verfaffers gemäfs foll fie The Huguenots in the Nipmuth country. Boston 1879;
befonders bibliographifchen Werth haben und durch über die Capcolonie handelt: Peringney, Les refugies
einen reichen Apparat von Quellen und Citaten über huguenots au cap de Bonne Esperance. Bulletin de la
die betreffende Literatur den Lefer und Forfcher orien- 1 societe de geographie de Bordeaux: 1878; über den S. 88
tiren. Mit ziemlicher Vollftändigkeit löft auch der Verf. angeführten proteftantifchen Banquicr Barthelemy Her-