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Ausgabe:

1880 Nr. 14

Spalte:

326

Autor/Hrsg.:

Langen, Jos.

Titel/Untertitel:

Johannes von Damaskus. Eine patristische Monographie 1880

Rezensent:

Herrmann, Wilhelm

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 14.

326

fich S. 98 gelegentlich recht deutlich für die Stellvertretungstheorie
vom Opfer erklärt. Aus dem zweiten
Haupttheile hebe ich noch folgenden Satz als eine trotz
der vielfachen Bearbeitung der Unfterblichkeitslehre nicht
genügend beachtete Wahrheit hervor: ,eigentlich verneint
Unfterblichkeit die Auferftehung und das meffia-
nifcheReich' (S. 110). ZuS. 109 f.:, durch die Entwickelung
der Vergeltungsidee gelangte der Hebraismus zu der von
vorne herein ihm verfchloffenen Lehre einer Auferftehung
, eines zweiten Lebens nach dem Tode, zunächft
nicht der Unfterblichkeit jenfeits; fondern eben weil man
an letztere und an Vergeltung jenfeits nicht glaubte,
dachte man eine Auferftehung . . . .' vgl. dagegen
Theol. Liter.-Ztg. 1879 C. 419. — Dem fiebenten
Capitel (über den Meffias) find vier Anhänge beigegeben:
1. ,Vom Standpunkte des Neuen Teftaments in Bezug
auf die Perfon des Meffias' (S. 122), 2. ,Die Berechnung
der Zeit' (S. 126), 3. ,Der Meffias Sohn Jofephs' (S. 129),

4. ,Vom Antichrift' (S. 130—132).

Der Inhalt diefes letzten Capitels der Bibl. Theol.
ift weitläufiger behandelt in einer zweiten Vorlefung, über
,Meffianifche Weiffagungen', welche der Herausgeber mit
der erften zugleich hier veröffentlicht (S. 133—215). Da
an diefer Stelle Manches aus der Bibl. Theol. wiederholt
war, hat der Herausgeber öfters auf diefe verweifen
können und dann den betreffenden Paffus an zweiter
Stelle geftrichen. Wo die Erklärung einzelner Propheten-
ftellen fich deckte mit veröffentlichten Commentaren
Hitzig's, hat der Herausgeber ebenfalls geftrichen und
auf die Commentare verwiefen. Einiges in den einleitenden
Bemerkungen abgerechnet (Namen und Begriff

5. 135, Ürfprung der meffianifchen Hoffnung S. 136,
Kern und Belang der meffianifchen Hoffnung S. 137,
Umfang der idealen Theokratie S. 138 f.), verfährt auch
hier der Verf. nicht hiftorifch, fondern rubricirt nach
fachlichen Gefichtspunkten. Er mufs dies für zweckdienlicher
gehalten haben, da hier das gefchichtliche
Verfahren fehr leicht durchzuführen gewefenwäre; braucht
man doch nur die Propheten der zeitlichen Folge nach
zu befprechen. Wiederholungen, welche dabei freilich
unvermeidlich find, würden mir, durch Verweifungen verkürzt
, ein geringeres Uebel fcheinen als der falfche
hündruck, welchen Hitzig's Darftellung ohne feine Abficht
hervorbringen mufs, als feien die einzelnen Zukunftserwartungen
jemals in der prophetifchen Zeit zu einem
einheitlichen Gefammtbilde zufammengefafst worden.
Sehr richtig finde ich es dagegen, dafs der Verf. den
,unechten Meffianismus', d. h. die auf Grund falfcher
Exegefe zu der Bedeutung meffianifcher Weiffagungen
erhobenen Stellen, zuerft ausfondert (S. 140—189), um
dann unter ,echte meffianifche Weiffagung' fS. 189—215)
ein rein pofitives Bild zu geben. Nur hat der Verf. im
Ausfcheiden m. E. zu viel gethan, wenn, wie er will,
unter .echten' Meffianismus alles das gehört, was fich
überhaupt auf die Endzeit, nicht nur was fich auf die
Perfon des Meffias bezieht. Auf jene zielt doch wohl
die Schlangenüberwindung des Protevangeliums ab
(Hitzig, wie Dillmann erklärend, findet hier nur die Zu-
fage eines Kampfes, nicht eines Sieges S. 142), und Jef.
c. 52. 53 kann ich nicht anders verftehen als von einem
künftigen, Verföhnung befchaffenden Dulder, deffen Perfon
die Späteren, um ein einheitliches Bild von der prophetifchen
Verheifsung zu gewinnen, mit dem Meffias
identificiren mufsten. Die ,echte meffianifche Weiffagung'
wird in folgenden Rubriken behandelt: A. der Gerichtstag
S. 189, B. die Bekehrung der Heiden S. 191, C. die
Wiederherftellung der alten Theokratie S. 200, D. das
Hemmnifs und feine Befeitigung S. 202, E. das Oberhaupt
der idealen Theokratie S. 204, F. die Aufer-
weckung der Todten S. 212, G. der neue Bund S. 213.

Der Herausgeber hat fehr forgfältige Regifter der
Namen und Sachen, der Wörter in femitifcher und der- i
jenigen in indogermanifcher Schrift fowie der biblifchen |

Stellen (S. 216—224) hinzugefügt, wie überhaupt die Cor-
reetheit feiner Ausgabe, foweit ich fehe, wenige unlchein-
bare Druckfehler ausgenommen, nichts zu wünfehen
übrig läfst. Kann ich kaum vermuthen, dafs dies Buch
fich in weiteren Kreifen mehr einbürgern wird als der
Name des verftorbenen Verfaffers es veranlaffen mufs,
fo werden doch Fachgenoffen dem Herausgeber immer
verbunden bleiben für diefe in manchen Einzelpunkten
fördernde Veröffentlichung.

Strafsburg i. E. Wolf Baudiffin.

[ Langen, Prof. D. Jof., Johannes von Damaskus. Eine pa-
triftifche Monographie. Gotha 1879, F. A. Perthes.
(VIII, 311 S. gr. 8.) M. 5. 60.

Den Hauptbeftandtheil diefer Monographie bilden
vortreffliche Referate über den Inhalt der einzelnen
Schriften des Joh. Damascenus. Wer keinen Anlafs hat,
die Autoren felbft zu lefen, kann fich aus diefen Inhaltsangaben
ein Bild des Charakters verfchaffen, den die
griechifche Theologie feit der Mitte des 5. Säe. gewonnen
hat. Den Referaten läfst der Verf. fein Urtheil
über den Werth und kurze Unterfuchungen über die
Echtheit der Schriften folgen. In diefer Beziehung bemerke
ich, dafs der Verf. den Brief an Zacharias über
die Euchariftie und das ihm folgende Schriftftück gleichen
Inhalts gegen das Urtheil von Lequien und Steitz dem
J. zufchreibt. Das Bedenken, dafs nach der hier vorgetragenen
Lehre der Körper des Aufcrftandenen ohne
Blut gewefen fei, während Fid. ortli. IV, 1 das Gegen-
theil behauptet werde, fucht der Verf. durch die Bemerkung
zu entkräften, auch nach der dogmatifchen
Hauptfchrift fei der auferftandenc Leib Chrifti dem Er-
nährungsprocefs nicht mehr unterworfen, woraus fich
leicht die Folgerung ergebe, dafs das der Ernährung
dienende Blut ihm ebenfalls abzufprechen fei. Hinzugefügt
wird, dafs auch in der Stelle Fid. orth. IV, 1, wo die
volle Integrität der menfehlichen Natur für den Auferstandenen
beansprucht wird, zwar die Theile der Seele
aber nicht die des Leibes aufgezählt werden. Aber
Lequien bemerkt wohl nicht mit Unrecht, dafs die immer
wiederkehrende Rückficht auf die monotheletifchen Gegner
nur die Erwähnung der erfteren verlangte. Ferner
ift es wohl nicht im Sinne feines Autors, wenn der Verf.
das Blut als Mittel der Ernährung auffafst. Denn Fid.
I ord. II, 12 wird die im Blute pulfirende Kraft als das
X.WXVMV von dem ÜQ£7i,Tiyiov unterfchieden.

In einer Einleitung macht der Verf. den Auguftin
dafür verantwortlich, dafs im Abendlande der Faden
der Tradition nicht mit der Strenge festgehalten
wurde, welche für das Gedeihen der Kirche wünfehens-
werth gewefen wäre. Seine epochemachenden Gedanken
feien lediglich aus feiner eigenen leidenfehaftlichen
Natur entfprungen; fie feien daher nicht blofs erleuchtend
und wärmend, fondern auch verfengend über die
Kirche gekommen. Am Schlufs fcheint der Verf., indem
er in etwas äufserlicher Weife die Dogmen der
römifchen und griechifchen Kirche an der Dogmatik
des Damasceners mifst, den letzteren als den Vertreter
der gefunden Mitte hinstellen zu wollen, zu welcher jene
beiden fich zurückwenden müfsten, um zu einer einheitlichen
Entwicklung zu gelangen. Darauf würde der
Verf. fchwerlich gekommen fein, wenn er die bei feinem
Autor vielleicht allein intereffante Frage ernstlich in Angriff
genommen hätte, nämlich inwiefern fich derfelbe
von den griechifchen Theologen des 4. Säe. unter-
feheide. Durch die Bemerkung, dafs jener im Wefent-
lichen nur fammle, während diefe produciren, ift der
Aufgabe nicht Genüge gethan.

Marburg. W. Herr mann.