Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1880 Nr. 11

Spalte:

260-262

Autor/Hrsg.:

Ohly, Emil

Titel/Untertitel:

‘Dein Gott, mein Gott!’ Sammlung von Traureden 1880

Rezensent:

Sachsse, Eugen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

259

Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 11.

260

betont, dafs das Thieropfer auch bei den lfraeliten nur
die Bedeutung haben könne, das Menfchenopfer zu er- j
fetzen (vgl. S. 19 ff. und S. 320); der Befchneidung wird j
eine ,erlöfende und ftellvertretende Bedeutung' zuge- I
fchrieben (S. 422), und die Sacramente feien nicht nur !
mit einer geiftigen, fondern auch mit einer Naturwirkung
begabt. In letzterer Beziehung heifst es S. 452 f.: ,Da
aber die Sünde, das Böfe, nicht eine blofs ideelle, ab-
ftract geiflige Potenz, fondern in die menfchliche Natur,
dem Menfchen ins Blut gedrungen ift: fo bedarf es nicht
nur der geiftigen Gegenwirkung des Wortes in der hei- j
ligen Schrift, fondern auch der Naturwirkung des Sacra- I
ments. Der Glaube als nur menfchlicher Glaube ift und
bleibt unficher. Unfer Geift mit feinen Gedanken und
Gefühlen ruht auf dem Naturgrunde unferes Wefens.
Darum mufs diefes esse, das vnoyidfitvov, diefer Grund,
wenn er erfchüttert ift, neu befeftigt werden. Unfere j
Natur, unfer phyfifches Wefen mufs, wenn es getrübt
ift, gereinigt und in der Reinheit erhalten werden. Dies
und nur dies(!) gefchieht durch Taufe und Abendmahl'.
Von der Satisfactionstheorie Anfelm's erklärt Peip zwar,
dafs fie nur bedingte Wahrheit habe; es ift aber doch j
fehr fraglich, ob leine Antwort auf das von Anfelm, wie j
behauptet wird, richtig formulirte Dilemma: ,11071 potcst
nisi deiis, fion debet nisi lioino' das theologifche Denken I
beffer befriedigt, als die Anfelm's. Peip's Antwort geht
nämlich dahin, dafs der Menfch, weil zum Guten unfrei
und unkräftig, nur mit Widerwillen die Strafe feiner
Sünde leiden könne. Ein folches Strafleiden habe aber !
keine ethifch-fühnende Wirkung. So bleibe alfo nichts 1
anderes übrig, als dafs Gott felbft Menfch werde und J
fühnend an des Menfchen Stelle trete (S. 230 ff.). —
Bei Gelegenheit der Befprechung des Trinitätsdogma's
wird in einer längern Anmerkung eine harte Philippica i
gegen die modernen ,Samofatener' gehalten, die, in der j
Mitte zwifchen Glauben und Unglauben flehend, mit j
der Trinitätslehre nichts anderes anzufangen wüfsten,
als fie, wie Schleiermacher, am Schluffe der Glaubenslehre
anhangsweife zu behandeln. Diefe fogenannten i
gemäfsigten Kritiker repräfentirten den zeitgemäfsen An-
tichrift (S. 442 f.). — Das volle Chriftenthum wird nach
Peip nur von der lutherifchen Reformation ein- und auf-
gefchloffen, welcher deshalb auch die Zukunft gehöre.
Diefem Standpunkte entfpricht es, dafs die Union bei
Peip keine Gnade findet. Wenig geiftvoll wird in diefer |
Beziehung aus dem Umftande, dafs nach altteftament-
lichem Gefetze niemand zweierlei Vieh oder Saaten und
dergleichen vermengen foll, die zeitgemäfse Nutzanwendung
gezogen: ,Niemand foll Unvereinbares fynkre-
tiftifch vermengen oder ,,uniren"!'

Wir kommen zum zweiten der erwähnten Punkte.
Die Religionsphilofophie von Peip zerfällt, wie üblich,
in 2 Theile, einen fpeculativen und einen hiftorifchen j
Theil. Denfelben folgt eine kritifche Vergleichung beider
Theile. Im fpeculativen Theile ift überall eine ftarke |
Abhängigkeit von Auctoritäten, namentlich von Trendelenburg
und Ulrici, fehr bemerkbar. Und wie wenig
den Forderungen ftrenger Beweisführung oft genügt wird,
mag an einem Beifpiele gezeigt werden. Im § 19 wird
grofser Nachdruck darauf gelegt, dafs auf fpeculativem
Wege deducirt werden könne, wie das Böfe fich als !
,Uebel, als Verderben, Unheil, Negation oder Nichtigkeit
des natürlichen Lebens, Materialität, Sterblichkeit,
Tod' äufsern und fich auch dem gefammten Weltorganismus
irgendwie mittheilen müffe. Aber die Ausführung
giebt an Nachweis für diefe Behauptung wenig mehr,
als die kurze Bemerkung, das Uebel müffe aus der Sünde
wegen der Einheit und Ganzheit des innern und äufsern j
Menfchenwefens entftehen und andrerfeits die Verbreitung
des Böfen und des Uebels durch den ganzen Weltorganismus
hindurch aus der Herrfcherftellung des Menfchen
gegenüber der übrigen Schöpfung. — Der ge- !
fchichtliche Theil behandelt feinen Stoff unter den Ueber- 1

fchriften: ,die natürliche Religion' und: ,die geoffenbarte
Religion'. Peip ift bemüht, zu Gunften der letztern den
Werth der erftern möglichft gering abzufchätzen. Zwar
giebt er eine (pctvegwoig Gottes auch im Heidenthume
zu, aber Gott offenbare fich in den heidnifchen Religionen
als öffentlichen, objectiven nur mittelbar, indirect
und negativ. Ein innerer Fortfehritt der heidnifchen
Religionen als folcher fei durchaus nicht erfichtlich; nur
ein Fortfehritt in pejus fei nachweisbar (S. 241. 295.) —
Die Befchreibung der natürlichen Religion, d. h. der einzelnen
Heidenthümer und des Judaismus — auch den
letzteren rechnet Peip zur natürlichen "Religion — ift
meift fecundären Quellen entnommen und viel ausführlicher
, als nothwendig fcheint. Recht ermüdend ift auch
die zur Einleitung in den gefchichtlichen Theil in $ 21
gegebene fehr ausführliche Darlegung der fpäteren Lehre
Schelling's, welche nicht weniger als 40 Seiten umfafst.
— Dafs der Islam anhangsweife nach der geoffenbarten
Religion befchrieben wird, ift nicht auffällig, wohl aber
dies, dafs der dritte Haupttheil, der im Plane vorgefehen
war und eine ausführliche kritifche Vergleichung des
fpeculativen und hiftorifchen Theils geben follte, nur
einen Paragraphen und eine Seite umfalst. Indeffen
liegt die Erklärung für diefen Umftand darin, dafs der
Verfaffer felbft fein Manufcript nicht druckfertig gemacht
hat.

Ueberhaupt fällt es in Bezug auf die Form der Darfteilung
öfter auf, dafs den Ausführungen Peip's die
letzte Feile gefehlt hat. Es ift ja vielleicht unvermeidlich
, dafs in einem Buche, wenn dasfelbe in Paragraphen
abgefafst ift, denen längere Erläuterungen folgen, mähnig-
fache Wiederholungen vorkommen. Aber in dem Buche
von Peip find folche Wiederholungen doch allzuhäufig,
und mitunter ftimmt mit dem Paragraphen die Erläuterung
eine ganze Strecke lang faft wörtlich überein (vgl.
z. B. S. 153 mit S. 155). —- Der Ton der Darfteilung ift
zuweilen burfchikos; man vgl. z. B. die ,allgemeine Heiterkeit
' auf S. 329, den dummen Teufel ,Unglauben' auf
S. 440 u. a. Stellen. Manchmal will Peip auch tieffinnig
fein. Aber wenn er S. 262 die Schelling'fche Deutung
des Ausdrucks ,vi6q dv^geonov', nach welcher derfelbe
dem Umftande feinen Urfprung verdanken foll, dafs fich
der Menfch der zeugenden Potenz des Vaters bemächtigt
und den Sohn vorn Vater getrennt habe , mit der
Bemerkung begleitet: ,Auf diefe Deutung ift vor Sendling
kein Exeget gekommen. Es bleibt das Vorrecht des
Genius, auch im Irrthum bewundernswerth zu fein durch
die Gabe der Erfindung', fo wird nicht jeder für diefe
Erfindung Peip's Bewunderung theilen. Aehnlich verhält
es fich mit der S. 423 ausgefprochenen Bemerkung
über den Segen Abraham's. ,Nebenbei wollen wir bemerken
', heifst es hier, ,was freilich fehr merkwürdig
ift, dafs in unferer deutfehen Sprache fchon das Wort
,Segen' eine eminent profetifche Bedeutung hat {sekan,
Zeichen, signutn enteis)'.

Um unfer Urtheil zufammenzufaffen, fo glauben wir.
dafs das Peip'fche Buch weder der Wiffenfchaft der
Religionsphilofophie, noch dem pofitiven Chriftenthum
wefentliche Dienfte leiften wird.

Lennep. Lic. Dr. Thönes.

Predigtliteratur.

1. Ohly, Pfr. Emil, Was soll ich predigen? Sammlung
von Grabreden und Leichenpredigten bei feltener vorkommenden
und darum fchwieriger zu behandelnden
Trauerfällen. In Verbindung mit Freunden herausgegeben
. Wiesbaden 1880, Niedner. (IV, 415 S. 8.)
M. 4. —

2. Ohly, Pfr. Emil, ,Dein Gott, mein Gott!' Sammlung von