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Ausgabe:

1880 Nr. 11

Spalte:

252-253

Autor/Hrsg.:

Druffel, Aug. v.

Titel/Untertitel:

Ignatius von Loyola an der Römischen Curie. Festrede 1880

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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251 Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 11. 252

Betten feines Itolzen Wandels, den er Chrifto zuwider
fortführt, durch feinen angeblichen Kreuzzug!

Ferner würde die Leetüre und die Ueberficht der j
Gedanken namhaft erleichtert worden fein durch ge-
fperrten Druck folcher Worte, welche das Thema eines ■
Abfchnitts oder die Hauptpunkte einer Ausführung,
eines Beweifes u. dgl. bezeichnen; z. B. C. V. de pri-
matu apostolorum, C. VII. ronianus pontifex, C. IX. de
eleccione paparum duorum u. f. w.

Auf die öfters recht unbedeutenden Randbemerkungen
der Handfchrift A hätte Ref. gerne verzichtet
und an deren Stelle fachgemäfse Inhaltsanzeigen des
Herausgebers gewünfeht. Die Anmerkungen find weit- !
aus zum gröfsten Theil kritifcher Art, feiten erklärend,
obwohl das hie und da erwünfeht wäre. — Gegen den j
Schlufs hin fcheint der Druck oder die Revifion flüchtiger
geworden zu fein: fulsos ftatt falsos g 121, tuos ft.
snos % 122 und Aehnliches war leicht zu vermeiden.

Den Abkürzungen bei Citaten von Schriften kann
Ref. keinen Gefchmack abgewinnen; wer nicht fo glücklich
ift, fich folche Chiffern leicht einzuprägen, ift ge- ,
nöthigt, immer aufs neue nachzufchlagen. Es würde nicht
viel Zeit und Raum gekoftet haben, leicht erkennbare
Abbreviaturen zu gebrauchen, z. B. Shirlcy Catal. ftatt
COW.xx. f. w.

Wenden wir uns fchliefslich noch mit einigen Bemerkungen
der Sache zu, d. h. dem Tractate felbft. An
der Echtheit, d. h. an der Abfaffung durch Wiclif ift
nicht zu zweifeln. Dafs der Auffatz den letzten Jahren
des Mannes angehört, davon hat fich Ref. fchon 1863
überzeugt, wo er diefen Tractat ltudirte und aus Wie- i
ner Handfchriften excerpirte. Es ift intereffant, dafs
Wiclif hier mit feiner Perfönlichkeit in den Vordergrund
tritt, z. B. Cap. X. § 92, wo er bekennt, er habe
felbft die Erfahrung gemacht, dafs, wer den Satz be- 1
Breitet, der Papft fei der heilige Vater und das Ober- I
haupt der Kirche, als Ketzer verfolgt werde. Ferner, I
er fühlt fich offenbar getragen von einer Gruppe gleich- j
gefinnter Männer, wenn er fich Cap. VIII gegen den
Schlufs, auf Volksfchriften gläubiger Männer beruft,
welche in der Mutterfprache geäufsert haben, wie gut j
es wäre, einen Papft zu haben, der Chrifto und dem Ap.
Petrus in Lehre und Wandel nachfolgte, während ein
Papft, der Chrifto zuwiderhandle, ein wahrer Antichrift
fei. Diefe Gedanken eignet er fich felber an, fie feien 1
dem Chriften-Glauben entfprechend.

Der Schwerpunkt des Tractates liegt, wie fchon
der Titel: de Christo et suo adversario erkennen läfst,
in der Erörterung über den Papft als den Widerchrift.
In diefer Beziehung, glaubt Hr. Dr. Buddenfieg, diene j
diefe Schrift zur Charakteriftik der Wiclif'fchen Oppofi-
tion gegen den Papft. Diefelbe fei nicht fo rückfichts- I
los und fchroff, wie nach der Zeichnung des Referenten
in feinem Johann von Wiclif I, 581 ff. gedacht werden
könnte. Ungeachtet die gegenwärtige Schrift den letzten
Lebensjahren des Mannes angehöre, alfo aus dem Höhepunkte
feines Kampfes gegen dasPapftthum flamme, gehe
Wiclif hier doch an keiner Stelle fo weit, den Papft ohne
Weiteres und direct mit dem Antichrift zu identificiren;
er fpreche vielmehr nur in vorfichtiger und ftets bedingter
Weife aus: infofern, als der Papft dies oder
jenes thut, refp. verfäumt, ift er der Antichrift. — Es
ift Thatfache, dafs der Tractat, der überhaupt (ehr fy-
ftematifch zu Werke geht, in Betreff des Papftthums vor
allem nur den Grundfatz aufftellt: falls der Papft in
Lehre und Leben Chrifto zuwider ift, dann ift er ein
Widerchrift in hervorragender Weife {praecipuns anti-
christus) Cap. XI Anfang. Nun lefe man aber die Aus- !
führung! Sie befiehlt in dem Beweife, dafs der Papft in
12 Stücken Chrifto zuwider handle: Chriftus ift die Wahrheit
, der Papft ftreut in Wort und Schrift Lügenfamen
aus u. f. w. u. f. w. Das alles wird aber nicht hypo-
thetifch, fondern kategorifch aufgeftellt, ja mit ganz be- |

fonderem Nachdruck geltend gemacht. Z. B. Cap. XII
$ 119 heifst es: ,man fieht aus diefem Contraft, dafs
der Papft der offenbare Antichrift ift', vgl. $ 124. Oder
wir hören den Verf. lebhaft fragen: ,wer könnte in diefem
Stücke Jefu Chrifto mehr zuwider fein?' (§ 112).
,Wie ftimmet Chriftus zu Belial?' 132). Ein andermal
drückt er fich farkaftifch genug fo aus: ,der Papft
fcheint unter den Sterblichen zu glänzen durch teuflifchen
Hochmuth und fimoniftifche Habfucht' (§ 133). Man
wird kaum fagen können, das hier gebrauchte videtur
oder das anderswo wiederholt vorkommende papa dici-
tüf esse u. f. w. mildere den Gedanken. Das dürfte
alles nur vorfichtige Redewendung fein, die an dem Kern
des Gedankens nichts ändert. In der Hauptfache findet
Ref. durch diefen Tractat die Schilderung nur aufs neue
beftätigt, die er von Wiclif's Polemik gegen das Papft-
thum gegeben hat. Möge es dem fleifsigen Herausgeber
möglich werden, noch mehrere ungedruckte Schriften
Wiclif's an das Licht zu bringen. Darüber wird
fich Niemand mehr freuen, als der Unterzeichnete. In
diefem Falle wird Herr Dr. Buddenfieg gewifs auch
Winke beachten, welche im Obigen, rein um der Sache
willen, gegeben find.

Leipzig. D. Gotthard Lechler.

1. Druffel, Aug. v., Ignatius von Loyola an der Römischen
Curie. Feftrede, zur Vorfeier des Allerhöchften Ge-
burts- und Namensfeftes Sr. Maj. Ludwig IL, Königs
von Bayern gehalten in der öffentlichen Sitzung der
k. b. Akademie der Wiffenfchaften zu München am
25. Juli 1879. München 1879, (Franz;. (44 S. gr. 4.)
M. 1. 30.

2. Baumgarten, Herrn., Ignatius von Loyola. Vortrag,
zum Berten der Ueberfchwcmmten Spaniens am 17.
Septbr. 1879 m Strafsburg gehalten. Strafsburg 1880,
Trübner.' (34 S. gr. 8.) M. —. 80.

In der an errter Stelle genannten Schrift — einer
Gelegenheitsfchrift, aber einer fehr reichhaltigen und
mit den erforderlichen Nachweifungen verfehenen —
fchöpft der Verf. aus der feit 1874 durch Jefuiten in
Madrid herausgegebenen Sammlung von Briefen Loyola's,
von welcher bisher 3 Bände (bis 1553 reichend) er-
fchienen find (ein vierter Band wird noch erwartet).
Vierhundert bisher nur zum Theil bekannte Briefe und
Documente Loyola's find hier zugänglich gemacht, und
Druffel conrtatirt, dafs kein Grund vorliege, an der
nöthigen Treue und Gewiffenhaftigkeit in der Textbehandlung
zu zweifeln, während allerdings die Erläuterungen
der Herausgeber vielfach Widerfpruch erwecken
müfsten. Druffel weifs nun mit kundiger Hand aus der
in Deutfchland noch wenig bekannten und benutzten
Quelle fehr charakteriftifche Züge herauszuheben und in
die volle hiftorifche Beleuchtung zu rücken, Züge, welche
vor Allem den Eindruck davon hinterlaffen, bis zu wie
hohem Grade fchon in Ignatius felbft während feiner
römifchen Zeit die fchwärmerifche Gluth fich umgefetzt
hat in fchlaue, zähe und gefchmeidige, in den Mitteln
durchaus nicht wählerifche geiftliche Diplomatie. Der Verf.
weift fchon auf dieBefchaffenheit der brieflichen Mittheilungen
Loyola's hin: keine unbewachten Herzensergiefsun-
gen des Augenblicks, fondern mit peinlicher Sorgfalt
abgefafst und wieder und wieder erwogen, die Hauptbriefe
abgefafst um gezeigt zu werden, die hierfür ungeeigneten
Mittheilungen in Beilagen gebracht; daher auch wohl
eine officielle und epideictifche Verfügung eines I laupt-
briefs in einem Nebenbrief wieder aufgehoben. —- Erlangung
von Einflufs und Macht, um den kirchlichen
Zwecken, wie er fie fafst, dienen zu können, ift das Ent-
fcheidende. Durch einige unangenehme Vorfälle vor-
fichtig gemacht, fucht Ignatius kluger Weife feine Ge-