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Ausgabe:

1880

Spalte:

242-244

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Woldemar

Titel/Untertitel:

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte 1880

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Theologifche Literaturzeitung. 1880. No. 10.

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oberftes fittliches Ideal zu ihrem Gegenstand hat, fo hat | beitragen möge, wie fie dazu geeignet i(t. Sein Verfuch
fein Perfonleben das Sohnesbewufstfein zum Mittelpunkt , jedoch, dem Gedanken der Sühne einen neuen Inhalt
und den Sittlichen Beruf der Reichsgottesftiftung als ; zu geben, ift für mich nicht überzeugend gewefen. Ein-
deffen Bewährung zu feinem Inhalt. Der Tod ift als die 1 mal fchon vermag ich nicht einzufehen, dafs der Ge

Vollendung des Bcrufsgehorfams ein unentbehrliches
Moment diefer Offenbarung Gottes in feiner Perfon, aber
auch die Auferftehung gehört dazu als Bestätigung des
Eindrucks, den fein Leben macht, dafs der Tod nicht
..das Ende desfelben fein kann. Endlich Schliefst Sich

fichtspunkt einer Vertretung der Menfchen vor Gott in
Chrifto, fobald er dem der Offenbarung untergeordnet
wird, eine irgend mafsgebende Bedeutung behalten kann,
weil es fich da meines Erachtens um ein Entweder — oder
handelt. Abgefehen davon ift zwar zuzugeben, dafs die

daran der Erhöhungsftand an, deffen Bedeutung unver- j Conftruction der Sühne durch den Verf. in keiner Weife
kennbar ift, wenn er Sich auch nicht in derfelben Weife | gegen den christlichen Glauben von Gott verftöfst und
wie das Leben als Mittel der Offenbarung faffen läfst. ebenfowenig den Werth der Leistung Chrifti nach Art
Ift aber fo der Gefichtspunkt der Offenbarung ent- : einer Sache fchätzt, aber über zwei andere Bedenken

fchieden der oberfte in der christlichen Auffaffung der
Perfon Jefu, fo tritt doch daneben nothwendig der
andere einer Vertretung der Menfchheit in Chrifto vor
Gott. Der reformatorifche Grundgedanke, die Selbftän-

kommt man nicht hinweg. Erftlich ift es kühn, die Er-
kenntnifs Chrifti von der Sünde als Aequivalent des
Schuldgefühls derSünder hinzuftellen, obgleich die Theil-
nahme an diefem Gefühl — mit Recht — von der Per-

digkeit der'Sündenvergebung, fordert diefe Betrachtung, j fon Chrifti abgewehrt wird. Namentlich aber überwindet

Die erneuerte energifche Betonung des erfteren durch
Ritfehl hat daher auch eine Erneuerung diefer Auffaffung
nach Sich gezogen. Darin Stimmt der Verf. Ritfehl alfo
bei, ebenfo in der Ablehnung der orthodoxen Satisfac-
tionstheorie. Dagegen hält er im Unterfchied von Ritfehl
dafür, dafs der alten Theorie ein religio fer Kern einwohnt
, und diefen, den er unter dem Titel der Sühne
begreift, Sucht er im weiteren Verlauf herauszustellen
und neu zu begründen. Das gefchieht aber durch folgende
Gedankenreihe. Die Bedingung der Verzeihung
ift die volle Erkenntnifs der Sünde und Anerkennung
der Schuld auf Seiten deffen, dem verziehen wird. Je
höher der Verzeihende Sittlich Steht, defto bestimmter
kann er davon nicht Umgang nehmen; andrerfeits ift
die Erfüllung diefer Bedingung auch für den nothwendig
, der die Verzeihung empfängt, wenn er das
volle Vertrauen dazu gewinnen foll. Nun ift aber
der Gläubige Sich bewufst, dafs er die Bedingung nicht
in dem erforderlichen Umfang erfüllt. Jedoch wird für
ihn der Mangel ergänzt durch den Glauben, dafs Chriftus
Sie in vollkommener Weife erfüllt hat. Zwar nicht als
hätte Chriftus perfönliches Schuldgefühl gehabt oder in
diefer Form die Sünde der Menfchheit über fich nehmen
können, aber er hat die vollkommene Erkenntnifs der
Sünde gehabt; das war gerade das mit feinem Beruf
verbundene Leiden, dafs er in der Durchführung desfelben
die Sünde der Menfchen als Widerspruch gegen
feine Perfon und gegen Gott im vollsten Mafs zu erfahren
bekam. Deshalb ift die Vertretung der Menfchen
vor Gott durch Chriftum, wie fie in feinem ganzen Berufswerk
gefchah, auch in der Weife näher zu bestimmen,
dafs es ein fühnendes Eintreten für die Menfchen
war. Eben durch die vollkommene Erkenntnifs der
Sünde ift in ihm etwas zu Stande gekommen, was der
Gläubige als Bedingung der Sittlichen Verzeihung kennt,
ohne es felbft im vollen Mafs leisten zu können. Er
wird daher der Verzeihung erft mit ganzem Vertrauen
gewifs, indem er fich hier des fühnenden Eintretens
Chrifti getröftet. — Endlich wird wiederum im engen
Anfchlufs an Ritfehl gezeigt, dafs fich diefe Sühne dem
obersten Gefichtspunkt der Offenbarung Gottes unterordnen
läfst, weil das von der Vertretung der Menfchen
vor Gott gilt, deren Näherbeftimmung fie ift.

Anziehend ift diefe kleine Schrift durch die be-
fonnene und umfichtige Weife, in welcher alle Erwägungen
angeftellt werden. Auch ift es unzweifelhaft richtig
, dafs nur auf dem Weg, die Nothwendigkeit des
bleibenden Glaubens an die Perfon Chrifti im Zufammen-
hang der christlichen Religion zu erweifen, diefer Glaube
wieder in fein volles Recht eingefetzt werden kann, dafs
dazu aber der Gefichtspunkt der Offenbarung, die kein
Moment blofs der Religion ift, als der mafsgebende betont
werden mufs. Wenigstens Stimme ich dem Verf.

des Verfaffers Theorie fo wenig wie ähnliche Verfuche
folgendes Dilemma. Entweder find die Prämiffen richtig
, dafs Gott nur unter der Bedingung des vollkommenen
Schuldgefühls Sittlicher Weife verzeihen kann,
und dafs wir diefe Bedingung nicht erfüllen können.
Dann ift die Verzeihung überhaupt unmöglich, weil die
Bedingung in einem folchen fittlichen Verhältnifs nicht
von der Perfon gelöft werden kann. Nie wird in menfeh-
lichen Verhältnifsen der Vater jene Bedingung für erfüllt
halten, wenn ein anderes Kind als das der Verzeihung
bedürftige eine lebhafte Erkenntnifs von dem
Fehler diefes letzteren an den Tag legt. Alfo entweder
find die Prämiffen richtig, dann beweifen fie zu viel, die
Unmöglichkeit der christlichen Religion. Oder fie find
unrichtig, wie wir fie denn christlicher Weife dafür halten
müffen, dann fällt mit ihnen die Begründung des
Sühnegedankens, welche der Verf. geben will, weg.
Wie gefagt, nicht feine Theorie imBefonderen hält diefem
Dilemma nicht Stand, fondern jede Theorie, welche zu-
erft etwas für fittlich nothwendig erklärt und dann
doch dies fittlich nothwendige von der Perfon trennt,
in der es zuerft als nothwendig erwiefen ward. Dabei
weifs ich wohl zu fchätzen, dafs der Verf. eine fehr ausgeprägte
Ueberzeugung gerade in der gläubigen Gemeinde
für fich hat, indem er den Gedanken der Sühne,
wenn auch in neuer Weife, ficher zu Stellen unternimmt.
Es wird eine Aufgabe bleiben, die in diefer Ueberzeugung
wirkfamen Motive zu unterfuchen und auf deren legitime
Befriedigung in der Theologie bedacht zu fein. Als
Anregung des Bewufstfeins von diefer Nothwendigkeit
kann des Verf.'s Schrift auch denen dienen, die feiner
Conftruction der Sühne nicht beizustimmen vermögen.

Bafd. J. Kaftan.

Hülfsmittel zum christlichen Religionsunterrichte.

Laffen wir's wie in früheren Jahrgängen (zuletzt 1879
Nr. 11 und 23) unfere Aufgabe fein, mit folchen Schriften
neuefter Zeit bekannt zu machen, welche Lehrenden
oder Lernenden beim christlichen Religionsunterricht
Handreichung thun wollen, fo fehen wir uns diesmal an
Hülfsmittel für den Unterricht auf der oberen Stufe ge-
wiefen; denn das jüngft Erfchienene ift entweder für reifere
Schüler der Volksfchule oder für Schüler höherer
Lehranstalten beftimmt.

An erfter Stelle fei ein Werk Gerh. von Zezfch-
witz's genannt, welches die .Christenlehre im Zusammenhange
' zu entwickeln verfpricht. In feiner erften Abtheilung
, welche uns vorliegt, behandelt es die zehn Gebote
und den erften Glaubensartikel (Leipzig 1880, Hinrichs.
230 S. 8. M. 3. —), während zwei andere, welche noch
folgen follen, theils die übrigen Katechismusftücke, theils
den befonderen Lehrftoff vermitteln werden, der für Conin
allen diefen Fragen vollkommen bei und wünfehe leb- | Armanden gehört. Aus den Anfängen läfst fich auf den
haft, dafs feine Schrift zur Förderung diefer Erkenntnifs | Charakter des Ganzen fchliefsen. Der Verf. will keine