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Ausgabe:

1880 Nr. 10

Spalte:

239-240

Autor/Hrsg.:

Flegel, Joh.

Titel/Untertitel:

A. Günther’s Dualismus von Geist und Natur 1880

Rezensent:

Lemme, Ludwig

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Seite 1

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239

Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 10.

240

Das Mitgetheilte dürfte genügen, auf das Intereffe
aufmerkfam zu machen, welches dies anziehend ge-
fchriebene Werk bei allen beanfpruchen kann, denen
um genauere Orientirung in der Gefchichte der ruffifchcn
Kirche zu thun ift.

Dorpat. N. Bonwetfch.

Stähelin, Prof. Rud., W. M. L. de Wette nach feiner theo-
logifchen Wirkfamkeit und Bedeutung gefchildert.
Rede, gehalten bei der Säcularfeier feines Geburtstages
den 12. Januar 1880. Bafel 1880, Bahnmaier.
(56 S. gr. 8.) M. L 40.

Eine wenn auch etwas breit angelgte, doch an-
fprechende und zweckmäfsige Gedächtnifsrede, zerfallend

in zwei Haupttheile, deren erfter die Bedeutung des Ge- I Umfchlag in den Monismus ift die in Descartes wur

tifcherfeits wenig oder gar nicht beachteten katholifchen
Philofophen, der vor lauter Polemik nicht Zeit gefunden
hat, diefe felbft in fyftematifchem Zufammenhange zu
entwickeln. Durch feine Darftellung, die in dankenswerter
Weife aus der Fülle der Schriften Günther's
fchöpft, möchte Flegel den Beweis erbringen, dafs fich
Günther's Dualismus kühnlich den grofsen philofophi-
fchen Hypothefen wie Spinoza's Monismus an die Seite
ftellen dürfe als ein Verfuch, die dualiftifche Anfchau-
ung des Verhältnifses von Geift und Natur durch die
Faffung des Unterfchiedes als eines qualitativen gegen
die Gefahr des Umfchlagens in den Monismus der Sub-
ftanzialität ficherzuftellen und fo wiffenfchaftlich dauernd
zu begründen. Dafs diefer Beweis hier erbracht fei,
dürfte kaum behauptet werden können. Gegen den

feierten für die Theologie überhaupt, der zweite die- zelnde Günther'fche Philofophie um fo weniger gefichert,
jenige für Bafels Univerfität und Kirche fpeciell behan- : als dem ,Wefensdualismus' der Subftanzbegriff als gedeih
In erfterer Richtung wird ein Doppeltes hervor- ! meinfame Baus zu Grunde liegt, und als auch der Natur
gehoben und ausgeführt: ,die Ermittlung eines hiftorifch wie dem Geifte Denken (wenn auch ein qualitativ von
treuen Schriftverftändnifses und die Herftellung einer j jenem verfchiedenes) und Bewufstfein zugefchrieben wird,
ebenfowohl dem Glauben als dem Denken gerecht wer- j Der Günther'fchen Formulirung des Dualismus von Geift
denden chriftlichen Religionswiffenfchaft' (S. 11). Be- : und Natur, durch die der Menfch zu einer Addition
ftimmtere Kennzeichnung der kritifchen Refultate de I zweier ganz heterogener ,Principe' wird, fehlt aber die
Wette's, wie fte bezüglich des A. T. wenigftens theil- j rechte Fundamentirung. Haben wir aus der Naturwiffen-
weife ftattfindet, vermifst man bezüglich des N. T. ,Zci- | fchaft irgend etwas für die Frage nach dem Verhältnifs
gen ihn uns die altteftamentlichen Arbeiten in erfter ! von Geift und Natur gelernt, fo ficher dies, dafs das
Linie als den bahnbrechenden Entdecker, den Begründer j pfychologifche Problem auf's ftrengfte vom theologifchen
einer neuen Gefchichtsauffaffung, fo tritt am N. T. vor [ und kosmologifchen gefchieden werden mufs: in der
Allem feine Gabe des Auslegens, des befonnenen Ab- Vermifchung diefer Probleme aber ruht die Günther'fche
wägens und klaren Orientirens hervor, und es ift mehr ! Philofophie. Es wird doch bei Zeller's Urtheil fein Be-
die gründliche gewiffenhafte Vorarbeit zu jener gefchicht- ' wenden haben, der fte ,fcholaftifch' nannte. Denn fie
liehen Reconftruction, die wir als die theologifche Auf- , ift dogmatifch, infofern fie ihre Metaphyfik ohne eine
gäbe unferer Zeit bezeichnet haben, als diefe felbft, was j Kritik der Fähigkeit des Erkenntnifsvermögens aufbaut
wir ihm hier zu danken haben' (S. 20 f.). Der Schilder- [ (vielmehr ihre PAkenntnifstheorie auf metaphyfifche Be

hauptungen bafirend , und fie ift fcholaftifch, infofern
fie das kirchliche Lehrfyftem auf doctrinalem Wege mit
den Mitteln philofophifcher Erkenntnifs deduciren will.

Breslau. Lic. Lemme.

ung feiner Leiftungen auf dem Gebiete der Glaubens
und Sittenlehre wird mit Fug eine kurze Charakteriftik
der PAies'fchen Religionsphilofophie eingefügt (S. 28 f.),
aber nicht minder richtig auf die Abbiegung hingewiefen,
welche die von Fries gezogene Linie bei de Wette unter
dem Einfluffe Schleiermacher's erlitten hat (S. 32 f.). I Häring. Diac. Theod., Ueber das Bleibende im Glauben an
,Es ift der Fortfehritt zu einer immer entfehiedeneren Christus. Eine chriftologifchc Studie. Stuttgart 1880,
Anerkennung der Abhängigkeit in welcher das rehg.öfe j j p g j k f ( g_ g ) M , ^
Leben des-Einzelnen zur chriftlichen Gemeinichaft und J r «. /

vor Allem zu ihrem Urfprung, der gefchichtlichen Got- ! Der Vcrfaffer erklärt es in dem Für und Wider der
tesoffenbarung in Chrifto fleht' (S. 35). Die Anerkenn- j modernen Streitigkeiten über die Chriftologie für eine

ung, welche er je länger je mehr dem gefchichtlichen
und gemeindlichen Element zu Theil werden liefs, wird
in vorliegender Rede, nachdem übrigens die wahren
Motive zur Berliner Amtsentfetzung wahrheitsgetreu berichtet
und beurtheilt worden (S. 38 f.), mit Vorliebe

Aufgabe, die bisher zu wenig beachtet worden, und
deren Bearbeitung doch allein die Ausficht auf Ver-
ftändigung eröffne, die bleibenden religiöfen Beweggründe
des Glaubens an Jefus Chriftus, an feine Perfon
zu unterfuchen. Einen Beitrag zu diefer Unterluchung

hervorgehoben und dabei auch Manches berührt, was giebt feine Schrift. Als Gegenfatz wird namentlich die
man auf anderer Seite in Bafel vielleicht unter die , moderne Unterfcheidung von Perfon und Princip ins
Rubrik ,Menfchliches, Allzumenfchliches' zu ftellen ge- ! Auge gefafst und geltend gemacht, dafs diefe, da fte
neigt wäre (S. 42 f.). Den Schlufs bildet eine dankbare ; auf die Werthfehätzung der Perfon Jefu blofs als reli-
Gedächtnifsfeier feiner Thätigkeit für die Reorganifation giöfes Vorbild herauskomme, dem Thatbeftand der
der Univerfität und der theologifchen Studien in Bafel. ! chriftlich-frommen Ueberzeugung nicht gewachfen fei.
Man findet hier Manches, was über den Inhalt der Wie- ! Vielmehr, je höher der Glaube Jefum als Vorbild ftelle,
gand'fchen Säcularfchrift von 1879 hinausgeht, welche j defto dringender werde das Bedürfnifs des Gläubigen,
ihrerfeits, worauf der Verfaffer aufmerkfam macht (S. 4), | der in dem Vergleich mit ihm feinen eigenen Unwerth
von Hagenbach's akademifcher Gedächtnifsrede von 1850 i inne werde, in der Perfon Jefu vor allem eine Offen-
abhängig ift, einem Denkmal de Wette's, welches ,unter barung der Liebe Gottes zu den Sündern zu erkennen:
allen ihm gewidmeten bei weitem das Belle und Lebens- [ die Art aber, wie die moderne Theologie die Offenbar-
vollfte geblieben ift' (S. 3). ung als ein Moment im religiöfen Procefs fafse, genüge

_ .. ._ tt 11 u ! dem nicht. Das ift alfo darnach die bleibende Bedeut-

Strafsburg i/E. _rl^Jdoltzmann. ung der perfon Jefu, dafs er Offenbarung Gottes an uns

Flegel, Dr. Joh., A. Günther's Dualismus von Geist und Natur. ift- Als folche hat er fich den er(len Jungern durch

Aus den Quellen dargeftellt. Breslau 1880, Gofo- den Gefammtemdruck feiner Perfon bezeugt, und

, , ,¥TT ° 0 ..... -r rs ' dies ift auch für uns, denen fein Bild durch die Schrift

norsky s Sort. (III, 42 S. gr. 8. m. 2 l.th. Taf.) M. 1.— vermittelt ift, das Entfcheidende, der eigentliche Erkennt-

Flegel'sDiffertation bietet eigene Gedankenarbeit nicht; nifsgrund der Offenbarung Gottes in ihm. Lehre und
was fie intereffant macht, ift die objective getreue Be- Leben ftimmen bei ihm vollkommen zufammen. Wie
richterftattung über die Grundanfchauung des proteftan- jene das Reich Gottes als höchfte religiöfe Idee und