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Ausgabe:

1880

Spalte:

202-203

Autor/Hrsg.:

Zill, Leonh.

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Hebräer. Uebersetzt und erklärt 1880

Rezensent:

Schmidt, Woldemar

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Theologische Literaturzeitung.

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.

Erfcheint Pfeis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinriclis'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

No. 9. 24. April 1880. 5. Jahrgang.

Haneberg, Evangelium nach Johannes überfetzt
und erklärt, herausg. von Schegg, 2. Bd.
(Weifs).

Zill, Der Brief an die Hebräer, überfetzt und

erklärt (Wold Schmidt).
Gregorii Abulfarag bar Ebhraya in evangelium

Matthaei scholia e recognitione Joh. Spa-

nuth (Neftle).
Rinck, Vom Zuftand nach dem Tode, biblifche

Unterfuchungen etc. 3. Aufl. (Wold. Schmidt).

Weifs, Apologie des Chriflenthums vom Standpunkte
der Sittenlehre, I. u. 2. Bd. (Kraufs).

Splittgerber, Aus dem inneren Leben, Er-
fahrungsbeweife für die Einwirkungen einer
höheren Welt in das Seelenleben desMenfchen
(Koehler).

Volkelt, Immanuel Kant's Erkenntnifstheorie
nach ihren Grundprincipien analyfirt (Gott-
fchick).

Frommholz, Sammlung von Predigten zum
Gebrauch an Bord (Wächtler).

Ut omnes unum, Auf dafs Alle Eisn feien, Corre-
fpondenzblatt zur Verftändigung und Vereinigung
unter den getrennten Chriften, hrsg.
von Seitmann, 1. Quartalbd. (Koehler).

Mariano, Chriftenthum, Katholicismus und
Kultur (Benrath).

Lange, Die Menfchen- und Selbltverachtung
als Grundfehaden unferer Zeit (Koehler).

Oeningen, Goethe's Fauft, I. u. 2. Thl., Text
und Erläuterung in Vorlefungen, 2 Thle.
(Otto Harnack).

Haneberg, Bifchof Dr. Dan. Bonif. v., Evangelium nach
Johannes übersetzt und erklärt, redigirt, ergänzt und
herausgegeben von Prof. Dr. Peter Schegg. 2. Bd.
X—XXI. [Die heiligen Evangelien überfetzt und erklärt
. 10. Thl.] München 1880, Stahl. (VI, 710 S.
gr. 8.) M. 10. —

Seiner Anzeige des erften Bandes diefes Buchs (Jahrgang
1878. Nr. 3) weifs der Referent wenig hinzuzufügen
, da fich der Charakter desfelben im zweiten
nicht wefentlich geändert hat. Im Vorwort theilt der
Herausgeber mit, dafs der anfänglich reiche Strom der
Aufzeichnungen Haneberg's über das Johannesevangelium
leider zu fchnell verfiegte, und wenn er auch die ,faft
nur mehr aus innerfter Herzenstiefe intermittirend aufquellenden
Ergüffe mit ängftlicher Treue zu fammeln
befliffen war', fo haben wir es doch hier mehr mit einer
Arbeit des Herausgebers als Haneberg's zu thun. Die-
felbe zeigt eine achtungswerthe patriftifche Belefenheit,
fowie philologifchen und antiquarifchen Sammlerfleifs,
befonders in den ,Anmerkungen'; auch die Berückfichtig-
ung der proteftantifchen Ausleger fcheint mir, und zwar
je länger je mehr, unter der Hand des Herausgebers
zugenommen zu haben; aber dafs die oft etwas fchwer-
fällig zufammengehäufte Gelehrfamkeit dem Verftändnifs
des Johannesevangeliums viel Frucht brächte, wüfste ich
nicht zu fagen. Es fehlt durchaus nicht an einzelnen
feinen extgetifchen Bemerkungen; aber es wird doch
alles Lehrhafte fo ausfchliefslich vom Standpunkte der
kirchlichen Lehre oder der erbaulichen Betrachtung aus
behandelt, dafs von einer biblifch-theologifchen, oder
gar gefchichtlichen Erklärung der Chriftusreden keine
Rede fein kann. Man lefe eine Erörterung, wie die über
Joh. 14, 18 (p. 239 f.), um fich zu überzeugen, dafs hier
jede Brücke zwifchen der Art, wie unfere proteftantifche
Wiffenfchaft dergleichen anfafst und zwifchen der Behandlungsweife
unferes Buches fehlt. Bei aller Vers für
Vers fortfehreitenden Genauigkeit find doch oft Fragen
von entfeheidendfter Bedeutung fehr kurz abgethan und
die einfachften oder unerheblichften Dinge mit ermüdender
VVeitfchweifigkeit behandelt.

Dem Verfaffer des ,Leben Jefu' giebt natürlich diefer
zweite Theil noch ungleich mehr Veranlaffung, in ge-
fchichtliche und antiquarifche Details einzugehen, und er
bewegt fich offenbar mit Vorliebe darin. Da finden fich
denn freilich auch folche Sonderbarkeiten wieder, wie
die, dafs er die Tempelweihe Joh. 10, 22 in das Laub-
hüttenfeft verfetzt und bei yßlfiwv nur an fchlechtes
Wetter denken will. Im Uebrigen haben wir hier natür

Reflexionen aufgeputzt. Für ein gefchichtliches Verftändnifs
der Hergänge kommt dabei wenig heraus. Es
könnte einem wehethun, dafs fo viel ernfte Arbeit und
fo viel unleugbarer Scharffinn an eine unlösbare Aufgabe
verfchwendet wird und für die Wiffenfchaft fo wenig
Frucht bringt. Aber für feine Kreife mag das Buch
Nutzen ftiften, da es des werthvollen Materials immerhin
genug enthält und man fich auf die Länge doch nicht
fo weit, als es das thut, mit der Wiffenfchaft einlaffen
kann, ohne endlich zu erkennen, dafs man derfelben
auch noch weitergehende Rechte einräumen und gar
manches über Bord werfen mufs, das fleh jetzt wie ein
Petrefact aus einer verfchwundenen Welt daneben ausnimmt
.

Berlin. Dr. Weifs.

Zill, Dr. Leonh., Der Brief an die Hebräer. Ueberfetzt
und erklärt. Mainz 1879, Kirchheim. (XLI, 708 S.
gr. 8.) M. 10. —

Einen Commentar zum Hebräerbrief, welcher neben
der Einleitung 708 S. gr. 8. beanfprucht, nimmt man
mit der Erwartung zur Hand, dafs er entweder als
fleifsiges Sammelwerk die Gefchichte der Auslegung und
vornehmlich die fprachlichen Eigenthümlichkeiten des
Briefes zur Darftellung bringt oder, wenn er fich deffen
überhebt, in die Gedankenbewegung des Sendfehreibens
und den Reichthum feines Lehrgehaltes einführt. In
beiderlei Hinficht ift unfre Erwartung der vorliegenden
Arbeit gegenüber unerfüllt geblieben , wiewohl gefagt
werden mufs, dafs die letztgenannte Aufgabe dem Ver-
faffer augenfeheinlich mehr am Herzen gelegen hat als jene
Erftere. Sein Beftreben, allenthalben in den Bahnen der
römifchen Tradition zu bleiben, hat ihm von vornherein
fehr beftimmte Grenzen gezogen. Er vindicirt dem Briefe
auf Grund gefchichtlicher Zeugnifse und um feines Lehrbegriffes
willen paulinifche Autorfchaft. Ob der Apoftel
einen Concipienten vorher fchriftlich oder mündlich in-
ftruirt oder kurzweg nur den Auftrag zur Abfaffung
eines Briefes gegeben, ift ihm von keinem Belange, weil
13, 18 f. das ganze Schreiben vom Apoftel als das Seinige
adoptirt fei. Aus fprachlichen Gründen entfeheidet
fich Zill für Lucas als Concipienten des Briefes. Unter
deffen Hülfe habe Paulus noch in Rom, d. h. i. J. 63,
kurz nach Befreiung aus der erften Gefangenfchaft, fein
Wort an judenchriftliche Gemeinden in Paläftina, fpeciell
Jerufalem gerichtet, um diefe vor dem Rückfall in jüdifches
Wefen zu bewahren. Die Behauptung freilich, dafs die
Diction des Hebräerbriefes mit der der lucanifchen
Schriften harmonire (S. XXXIII), entbehrt im Weiteren
lieh die fubtilfteHarmoniftik, mit allerlei pragmatifirenden j des Beweifes; und dafs der Apoftel Paulus, gegen den
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