Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1880 Nr. 8

Spalte:

194

Autor/Hrsg.:

Pank, O.

Titel/Untertitel:

Das zeitliche Leben im Lichte des ewigen Wortes. Predigten. XI - XX 1880

Rezensent:

Wächtler, August

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

193

Theologifche Literaturzeitung. 1880. Nr. 8.

194

dafs diefelbe alle Menfchen, den ganzen Menfchen und fchiichtert finden. Denn über das Dilemma, entweder
den Menfchen in allen Momenten feines Dafeins angehe, göttliche Auctorität oder verbrecherifcher Betrug, ift
wenn es wirklich feine wahre Beftimmung fein Tolle, gerade er längft hinaus. Den meiften diefer Vorträge
ferner dafs Epikur, Plato und die Stoa, d. h. Glückfelig- fühlt man es ab, dafs die franzöfifche Theologie die
keit, Wiffen und Tugend, nur theilweife diefen Anfor- Schule der kritifchen Philofophie nicht durchgemacht
derungen entfprechen und endlich dafs die Löfung nur hat und dafs fie, wie fie felber faft durchweg dogmatiftifch
gefunden werde, wo der Menfch in Gott, Gott im Men- denkt, fo auch beim Gegner immer Dogmatismus vorausgehen
fich treffe. Godet fpricht feffelnd, doch mehr in fetzt. Dem in Deutfchland gefchulten modernen Zweifel
der Art eines deutfchen Gelehrten, als eines franzöfifchen möchten fie nicht gewachsen fein. Sie find für ein
Redners. Gegen das Ende zu erhebt er fich aber auf Publicum berechnet, welchem moderne Kritik und mo-
die volle Höhe warmer und lebendiger Anfprache an I derne Philofophie fremd geblieben.

die Hörer. A-T Strafsburg i. E. Alfred Kraufs.
Eduard Monod, Pfarrer in Marfeille, nimmt fich die

wahren Bedingungen des Glücks zum Gegenftand. Ab- Pank, Superint. Part. O., Das zeitliche Leben im Lichte

gefehen davon, dafs es wefentlich eine Predigt, nur ohne j ues ewigen Wortes. Predigten. XI—XX. Berlin 1879,

biblifchen Text, ift, was er uns bietet befindet er fich j Fr Schulze's Verl. (S. 123—240. gr. 8.1 M. 2. <0;

in dem unglücklichen Fall, in welchem fich jede Apolo- h M —

getik des Eudämonismus befindet. Mit dem Chriftenthum j §eCl- m- 3-

geht nun einmal der Glückfeligkeitstrieb fchwer zufam- Das zweite Heft der Sammlung, über deren erften

men. Auch der Troft, dafs Chriftus die Welt überwun- Theil wir fchon berichteten (vgl. Theol. Lit.-Zeitung

den hat, ändert doch an der Thatfache Nichts, dafs der
Chrift in der Welt Angft hat. , Tont etre humain veut
etre heurcux, c'est bien juste et naturel; et il veut l'etre
(c'est son droit) du bonkeur le plus grand possible. Mais

1879 Nr. 20), bringt die Fortfetzung der dort begonnenen
Betrachtungen über das zeitliche Leben im Lichte des
ewigen Wortes. Da der Prediger die Ordnung des Kirchenjahrs
bei der Wahl der Gegenftände berückfichtigt

il a aussi le devoir de Petre du bofikeur le meilleur pos- < hat, fo wird nach ,der erften Abendmahlsfeier', mit wel-
sib/e, et de eelui — la seulement1. Gegen folche Thefen j eher die vorige Reihe abfchlofs, hier zunächft ,der Lichthat
der Peffimismus leichtes Spiel. weg des Berufes' nach Joh. 11, 9. 10 behandelt, dann
Ueber die Bücher des neuen Teftamentes trägt Pro- ; folgt eine Anwendung des Kampfes in Gethfemane auf
feflbr Jean Monod von Montauban vor. Die einem ge- j die Gethfemaneftunden im Chriftenleben unter dem
fchichts- und naturkundigen Sohne unferes Jahrhunderts Thema: ,Mir nach! auf der Stiege des fchweren Gehor-
an der Authenticität der biblifchen Bücher auffteigenden fams!' Hieran fchliefsen fich Betrachtungen über Jüng-
Zweifel werden nicht einmal berührt. Dagegen entwirft lingsfreude, Jungfrauenfchöne, Brautzeit, Hoch-
der Redner ein in fich zufammenftimmendes Bild vom zeit, Haupt und Herz des Haufes, über das Band
Zweck und von der Veranlaffung der h. Schriften, wie der Ehe, den Sonntag und den Hausfehatz (eine
er fie fich denkt, und da er in der Hauptfache den Bibelfeftpredigt). Das Lob, mitweichem wir die erfteSamm-
Nachdruck auf den ethifch-religiöfen Gehalt der Bücher lung anzeigten, verdient diefe in unbefchränktem Mafse, ja
und auf den von denfelben dargelegten Gang der Ent- > wir müffen ausdrücklich hinzufügen, dafs die dort be-
wicklung des Reiches Gottes auf Erden legt, fo gelangt | merkte künftlichc Verbindung des Textes mit dem Thema,
er zu einem die Zuhörer äfthetifch befriedigenden Ab- und die nicht immer ganz einfache Hinweifung auf das
fchlufs, wenn er auch allerdings nicht mit einem Finger Kirchenjahr in den Predigten der zweiten Sammlung gar
an den eigentlichen Stein des Anftofses gerührt hat. nicht vorkommt. Hier bedarf es auch nicht mehr der
Um den achten Vortrag, der von Profeffor Charles emblemartigen Faffung des Thema's, um die kleinen
Bois in Montauban über das Wunder und die Naturge- Momente des Menfchenlebens felbftändig unter das volle
fetze gehalten wurde, zu charakterifiren, citire ich p. 283: Licht des Wortes zu ftellen; hier bedarf es keiner alle-
,La volonte de i'komme modific perpetuellement la creation gorifchen Textesdeutung, fondern es handelt fich um
de Dieu. A la place de la volonte de Pkomme, mettez la die grofsen Aufgaben und Verhältnifse des Chriftenlebens,
volonte de Dieu, et vous avez le mir acte1. Alfo fei kein welche im Wort fchon ihre felbftändige Behandlung ge-
Widerfpruch zwifchen dem Wunder und dem Naturge- funden haben. Die Gefahren der grofsftädtifchen Verhältfetz
, diefes durch jenes nie durchlöchert. Diefe Löfung nifse für einen Prediger, dafs entweder die Gewohntheit
kann einem Gemüthe zufagen, welches denfelben Gottes- 1 und Allgemeinheit wirklicher Zuftände zu einer Conceffion
begriff hat wie Prof. Bois, der p. 291 fagt: Si l'komme von der vollen Forderung der chrifllichen Wahrheit ver-
est libre, et peut introduire des commencements nouveaux führen, oder dafs die bitteren Erfahrungen des Amtslebens

dans le cours des ckoses, on comprend qu'il faul que Dieu
le soit aussi et qu'il possede aussi ce souverain pouvoir, ce
pouvoir createur'. Der moderne Zweifel leugnet diefen
Gott, und darum leugnet er auch das Wunder. Letzteres
wird nicht vertheidigt, indem man einen Gottesbegriff
einfach poftulirt, welcher der erfte Anftofs am
Wunder ift. Petilio prineipii heifst diefes Verfahren in der
Logik.

Der letzte der neun Vorträge, von Pfarrer Coulin
aus Genf über die göttliche Auctorität Chrifti gehalten,

einen trüben Schatten auf die evangelifche Verkündigung
werfen könnten, — Gefahren, welche gerade bei folchen
Gegenftänden wie den hier behandelten, z. B. das Leben
der Jugend, das eheliche und Familienleben, nahe genug
liegen, find überall glücklich vermieden, vielmehr gewinnen
die Predigten durch den Reichthum von Beziehungen
, welchen eine folche Gemeinde dem Prediger eröffnet
. Die ideale Schönheit und die ernfte Wirklichkeit
des chrifllichen Lebens in allen feinen Verhältnifsen, —
beides ift mit zartfinnigem Verftändnifs und mit ergreifwendet
fich am allerwenigften an die Zweifler, fondern | ender Kraft behandelt. Die Predigten find in hohem
vielmehr direct an die Gläubigen, um aus der Plerophorie
ungebrochenen Glaubens heraus ein Zeugnifs für den
Gottmenfchen und wider den Unglauben abzulegen. Die
klare Entfchiedenheit mufs imponiren. Infofern ift dem
Apologeten nur Beifall zu zollen. ( Ein Schwankender,
der noch nicht völlig mit dem Kirchenglauben gebrochen
hat, kann durch einen folchen Vortrag feftgehalten werden,
befonders wenn ein der -formalen Logik und der rheto-
rifchen Kunft in fo hohem Mafse mächtiger Mann fpricht.
Der moderne Zweifel aber wird fich fchwerlich einge-

Mafse praktifch, anziehend, erbaulich und lehrreich, und
verdienen die weitefte Verbreitung in allen Kreifen; das
dritte, Schlufs-Heft, ift noch zu erwarten. Es wäre zu
zu wünfehen, dafs der Preis, welchen die Verlagshandlung
geftellt hat, der Verbreitung weniger im Wege ftände.

Halle aS. A. Wächtler.