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Ausgabe:

1879

Spalte:

161

Titel/Untertitel:

Martens, Festblüthen aus den Sonntags- und Festtags-Evangelien des Kirchenjahres. 1. Theil. Vom 1. h. Advent bis zum h. Osterfeste 1879

Rezensent:

Carstens, Carl Erich

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iCi Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 7- 162.

Das 4. Heft der .Beiträge etc.' von Windel bringt
einen gehaltreichen Vortrag über .das Recht der Natur
im Bereiche chriftlicher Seelenpflege', und bildet in ge-
wifler Hinficht eine Ergänzung zu dem befprochenen
Buche, wenn auch ohne durchgehende Beziehung auf
das geiftliche Amt; wo diefe Beziehung fleh findet, zeigt
fleh nicht feiten ein Gegenfatz zu den Anfchauungen
Steinmeyer's. Einem Vortrage gegenüber ift es unzu-
läffig, die einzelnen Behauptungen des Verf.'s anzugreifen,
zumal wir über das wohlbegründete Recht der Natur

Niemann mit vollem Recht. Denn die Erüchte mannigfaltiger
und zum Theil eingehender Studien, welche fie
uns bieten, find in einem Zeitraum gereift, der fleh über
mehr als drei Jahrzehnte bis in die nächfte Gegenwart
hinein erftreckt. Dennoch find die älteren Stücke der
Sammlung, die Abhandlungen: Ueber Gervinus' Schrift
,Die Miffion der Deutfch-Katholiken' —, Zur Verftän-
digung über die rechte Weife des Predigens —, Der
Sabbath (S. 293—416) noch nicht veraltet. Denn die
Sabbathfrage fleht ja gerade in unferen Tagen auch

mit ihm einverflanden lind. Nur gegen die Behauptung j aufserhalb der kirchlichen Kreife auf der Tagesordnung;
einer Heilsordnung der Natur möchten wir uns erklären
und im Allgemeinen gerade für die Seelenpflege den
Weg durch die Gnade zur wahren Natur klar hervorgehoben
fehen. Der pädagogifchen Stellung der Natur
entfpricht die heilende Kraft der Gnade bei den Gläubigen
, und wenn das , was den Menfchen fördert, auch
dem Chriflen zu Gute kommt, fo follen die Mittel der
Gnade dem Chriflen helfen von aller Unnatur loszukommen
und ein Menfch Gottes, vollkommen und zu allem
guten Werk gefchickt zu werden. Eine genauere Durchführung
der durchaus zutreffenden Analogie zwifchen
Natur und Gefetz würde manche gewagte Behauptung
haben vermeiden laffen.

Halle a/S. A. Wächtler.

Martens, früh. Dompropft in Schleswig, Festblüthen aus
den Sonntags- und Festtags-Evangelien des Kirchenjahres.

I. Theil. Vom 1. h. Advent bis zum h. Ofterfefte.
Kiel 1879, v. Maack. (V, 205 S. gr. 16.) M. 2. —

Der Verf., der als Emeritus in der Univerfitätsftadt
Kiel lebt, hat fleh die Aufgabe geftellt, die alten evan-
gelifchen Perikopen des ganzen Kirchenjahres in Verfe
zu bringen oder zu jedem Evangelium ein flngbaies
Lied abzufaffen. Blüthen aus den Evangelien nennt er
diefe feine geifllichen Lieder, ,der freie Ergufs eines
Herzens, das fein Heil und feinen Heiland über Alles
lieb hat und diefes Heil und diefen Heiland Allen wünfeht.
— Für fein herrliches Wort, das heilige Evangelium, ift

auch die herrlichfle Sprache nicht herrlich genug und Gegenwirkungen gegen die herrfchende Theologie der

es ift auch nur mein fchwacher Verfuch, den edlen

die evangelifche Predigt kann es immer wieder vertragen,
dafs ihr zugerufen wird, was ihre Aufgabe fei, mit welchen
Mitteln fie diefelbe zu löfen hat, und vor welchen
Abwegen fie fleh hüten mufs; und fclbft die fchneidige
Erörterung über die Miffion der Deutfch-Katholiken und
ihren des Verftändnifses für kirchliche Dinge nicht mächtigen
Lobredner Gervinus wird nicht blofs das Intereffe
einer älteren Generation von Lefern in Anfpruch nehmen
, welche fleh des erften Eindrucks der deutfeh-ka-
tholifchen Bewegung noch entfinnen, fie haben auch für
unfere Tage, welche die altkatholifche Bewegung vor
Augen fehen, den neuen Reiz vergleichender Betrachtung
gewonnen, die freilich immer zu Gunften der Altkatholiken
ausfallen wird. Aber auch die Vorträge, die
alle jüngeren Urfprungs find (S. 1—292), bilden einen
Beftandtheil der Sammlung, den viele Lefer willkommen
heifsen werden. Sie behandeln theils die Culturmiffion
des Chriftenthums, wie die beiden Vorträge über Humanität
und Chriftenthum und der über Toleranz; theils
befprechen fie wichtige Stücke der chriftlichen Lehre,
über die jeder Gläubige und jeder noch Suchende gern
ein orientirendes Wort vernimmt: Jefu Sündlofigkeit und
heilige Vollkommenheit —, die Sünde —, Unfterblich-
keit, Auferftehung und ewiges Leben; theils zeichnen
fie in gefchickter Gruppirung eines faft überreichen Stoffes
Bilder aus der Vergangenheit der evangelifchen
Kirche: Die erfte Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts —,
Die zweite Hälfte des fiebzehnten Jahrhunderts, in deren
Schilderung auch die vom Pietismus ausgehenden

damaligen Zeit befprochen werden —, endlich: Die wei-

füfsen Kern der Evangelien in filbernen Schalen mit ; tere Entwicklung des Pietismus

Blumen umwunden zu bringen, dem Herrn felbft und
allen denen, die feine Erfcheinung lieb haben, zu einem
füfsen Geruch'. —• Der Verf. fleht auf entfehieden pofitiv-

Der Verf. vertritt in allen Stücken feiner Sammlung
einen milden lutherifchen Confeffionalismus nicht
ohne Geift und Gefchick und behandelt feine Stoffe

evangelifchem Boden. Er hat im Ganzen erfchöpfend, meifl in gewandter, klarer, wohlgeordneter Darleg -

zum Theil felbft etwas breit getreten, den Inhalt der ung mit meifterhafter Prägnanz des Ausdrucks, die

Perikopen wiedergegeben, dadurch find feine Lieder fich freilich hier und da von gefuchten Pointen nicht

meifl etwas lang gerathen. Nr. 1—34 behandelt die ganz frei hält; auch bekundet er eine nicht gewöhnliche

Evangelien vom 1. Advent bis Sonntag Palmarum incl. j Belefenheit, der auch Philofophen und Dichter alter

Dann folgt von S. 139—205 die Hiftorie vom Leiden und neuer Zeit nicht fremd geblieben find; daneben fehlt

und Sterben unteres Herrn und Heilands Jefu Chrifti j feiner Darftellung weder der warme Hauch lebendigen

Nr. 35 51 nach den fechs Hauptftücken, fowic Gelänge l Gefühls noch das Pathos ehrlicher Ueberzeugung.

für Gründonnerstag, Charfreitag und üflerfonnabend. ; Und doch wird das Buch ungeachtet der angedeu-

Die Verfe fliefsen im Ganzen recht leicht dahin, ohne , teten Vorzüge desfelben über den Kreis der Gefinnungs-

Härten, und die Lieder find alle nach fingbaren Kirchen- 1 genoffen des Verf. hinaus kaum eine'Wirkung erzielen,

melodien gedichtet. Der Rcichthum des evangelifchen Denn, was es von theologifcher Erörterung im eigent-

Kirchenliedes ift durch diefelben noch vermehrt worden, liehen Sinne bietet, ift theils nicht eingehend genug,

Einzelnes darf von diefem Standpunkt aus als recht theils verleitet es, felbft einfeitig, den Verfaffer zu nur

gelungen bezeichnet werden; und dürfen wir die Lieb
haber geiftlicher Liederpoelie darauf aufmerkfam machen.
Tondern. C. E. Carftens.

Niemann, Überconfift.-Rath Generalfuperint. D. E., Altes
und Neues in Vorträgen und Abhandlungen. Hannover
1878, Meyer. (VII, 416 S. gr. 8.) M. 5. — | Jefu rtfchT^i^

einfeitiger Würdigung mancher von ihm befprochenen
Erfcheinungen, theils beruht es auf ganz unwiffenfehaft-
lichen Voraussetzungen. So ift es in den Auseinander-
fetzungen über Jefu Sündlofigkeit und heilige Vollkommenheit
z. B. ganz überfehen, dafs namentlich das Evangelium
des Markus, in dem wir die ältefte Niederfetzung
der evangelifchen Gefchichte zu fuchen haben, das Bild

Den Titel .Altes und Neues' tragen die zu einem j ftellung bringt; man vermifst deshalb auch eine Erör-
Sammelband vereinigten, meift fchon in Einzeldrucken ! terung darüber, wie fich ein ftarker Einflufs des Tem-
oder in Zcitfchriften veröffentlichten Vorträge und Ab- peraments auf Jefu Stimmung und Handeln mit der An-
handlungen des in theologifchen und kirchlichen Kreifen nähme feiner Sündlofigkeit verträgt. Vollends aber, wie
auch durch feine Predigten mit Ehren bekannten OCR. liegt die Sache, wenn die Verfuchungsgefchichte keine