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Ausgabe:

1879

Spalte:

151-154

Autor/Hrsg.:

Loening, Edgar

Titel/Untertitel:

Geschichte des deutschen Kirchenrechts. 1. u. 2. Bd 1879

Rezensent:

Müller, Carl

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 7.

152

felbft gefchrieben ift, wie auch deffen Inhalt wohl erkennen
läfst.

Edeffa hatte in diefer ganzen Sache feine befondere
Bedeutung, weil von den Zeiten des Rabulas her die
ägyptifche Partei hier vielleicht im ganzen oriens am
meiften Boden hatte. Unfere Acten deuten auch darauf
hin, dafs es hier fchon vorher zum förmlichen Aufruhr
gekommen war. Dies ift auch der Grund der jetzigen
Verhandlungen. Offenbar wollte fich der Aufftand erneuern
auf Grund des Ausganges des Proceffes in Tyrus-
Berytus, und der Richter Chäreas kam, um denfelben
beizulegen, und zu fehen, ob Ibas wieder eingeführt
weiden könne. Aber wenn er auch geneigt war, dies
zu verfuchen, fo geht er doch nur zögernd und fchwan-
kend zu Werk, und weicht vor den Anzettelungen zurück,
weil er der Entfcheidung des Hofes keineswegs ficher
war. Diefe Auffaffung fcheint mir den Acten mehr zu
entfprechen, als die Anficht Martin's, dafs er gekommen
fei, um den Procefs gegen Ibas herbeizuführen.

Ich mufs mir vertagen, aul die mancherlei anderen
Dinge einzugehen, deren Auffaffung bei Martin noch
zweifelhaft ift und als offene Frage betrachtet werden
darf, und will nur noch weniges davon herausnehmen.
Aus dem Gefagten geht fchon hervor, dafs man nicht
mit Martin annehmen darf, die Cleriker von Osrhoene
feien erft in Conftantinopel auf die Seite der Monophy-
fiten gezogen worden, vgl. Martin p. 97, was fich auch j
durch Theodoret's 111. Brief gar nicht begründen läfst. — j
Martin ift der Meinung, dafs das Papier, welches in Ephe-
fus von den Bifchöfen in blanco unterfchrieben werden
mufste, nichts anderes gewefen fei, als das Schreiben
der Synode an den Kaifer, welches Timotheus Ailuros
feiner Schrift gegen das Concil von Chalcedon einverleibt j
hat, vgl.Hoffmann S. 81 ff. Aber die Angaben derBifchöfe
in Chalcedon find fo genau , dafs kein Zweifel übrig j
bleibt, dafs fie darunter das Protocoll verftehen. — Ueber
die Gefangenfchaft des Ibas ift gegen Martin S. 132 f.
doch zu bemerken, dafs Hefele ohne Zweifel Recht hat,
wenn er diefe erft von der Verurthtilung datirt. Dies
ergiebt fich aus des Ibas Aeufserung in der zehnten
Sitzung von Chalcedon, welche genauer ift, als die in
der neunten. Ueberhaupt follte man nicht von vierzig
Gefängnifsen reden, in welchen Ibas herumgezogen worden
fei. Er ift nur durch vierzig Stationen in das
Gefängnifs von Antiochien verbracht worden. —■ Zum
Schluffe kann ich mir nicht vertagen, noch eine zu der
Gefchichte des Ibas gehörige Frage zu erwähnen, nämlich
über den Sinn der Behauptung, welche in der zehnten
Sitzung von Chalcedon nach Verlefung der Edeffe-
nifchen Schrift, die zu Gunften des Ibas in Berytus eingereicht
worden war, ein Diakon Theophilos vorbringt,
dafs nämlich ein Diakon geftanden habe, er habe xr>v j
Xigtv ixtivtjv auf Veranlaffung und zu Gunften des Ibas
verändert. Diefe Aeufserung ift nicht fo unverftändlich,
wie fie in der Regel, namentlich auch von Hefele ange-
fehen wird. In der Anklageverhandlung war vorgebracht
worden, Ibas habe ausgefprochen: ov tf Uovai tw
()iazq) yevo/.ievt.t) frew- a<f noov yuy avxbg aytvexo xyyw
lyevoLir)V. In jenem Schreiben wird geleugnet, dafs Ibas
fo gefprochen, aber die Worte lauten hier: —■ — eneidi]
y.qyio, si ßovXoßai, yh'o/.iai xax ctvxcv. Dies ift ohne
Zweifel die Veränderung, von welcher der Diakon Theophilos
fpricht. Uebrigens zeigen die Verhandlungen in
Edeffa, Hoffmann S. 22, dafs auch die Ausfagen der
Gegner dort nicht ganz gleich waren.

Tübingen. C. Weizfäcker.

Loening, Prof. Dr. Edgar, Geschichte des deutschen
Kirchenrechts. 1. u. 2. Bd. Strafsburg 1878, Trübner.
(XX, 579 u. XII, 758 S. gr. 8.) M. 25. —

Das Werk, welches der Verfaffer begonnen hat, und
von dem bis jetzt die beiden erften Bände vorliegen, ift ein I

ungemein grofses und umfaffendes. Es ift aber zugleich
auch das erfte neue re Unternehmen diefer Art, welches die
Gefchichte des Kirchenrechts und zwar die des deutfehen
Kirchenrechts behandeln will rein für fich, nicht im Dienft
des Syftems. Dadurch unterfcheidet es fich vor allen
Dingen von den grofsen kirchenrechtlichen Werken von
Phillips und Hinfchius. Diefe beiden verfolgen ja in erfter
Linie doch einen fyftematifchen Zweck und können darum
auch trotz aller felbftändigen Forfchung und trotz
des felbftändigen Werths der letzteren die gefchichtliche
Entwicklung der rechtlichen Verhältnifse der Kirche
nur in der Abficht herbeiziehen, eine fefte Bafis für die
Darfteilung des heute geltenden Rechts zu gewinnen. Bei
ihnen ift es daher unumgänglich, dafs für jedes einzelne
Inftitut die gefchichtliche Entwicklung von Anfang an
bis auf den heutigen Tag dargeftellt wird, was die Folge
hat, dafs nirgends ein treues Gefammtbild einer einzelnen
Periode gewonnen wird. Diefer für die gefchichtliche
Betrachtung nachtheilige Umftand wird natürlich vermieden
durch ein Werk, welches die Gefchichte des
Kirchenrechts als Selbftzweck betrachtet und daher jede
einzelne Periode derfelben ganz im Zufammenhang zu
fchildern und das Kirchenrecht derfelben wiederum in
den Zufammenhang mit der politifchen und kirchlichen
Entwicklung hineinzuftellen vermag.

Der Verfaffer will nur die Gefchichte des deutfehen
! Kirchenrechts fchreiben. Er ift fich nach der Vorrede
j der damit wenigftens für das katholifche Recht verbundenen
Schwierigkeit bewufst: das deutfehe Kirchenrecht
ift ja nur zum geringen Theil ein vom deutfehen Volk
j und Staat erzeugtes Recht. Er hat daher mit gutem
Grund darauf verzichtet, fogleich an die Gefchichte des-
felben in Deutfchland heranzutreten, und hat es fich zur
I Aufgabe gefetzt, zuerft die ganze Entwicklung zu ver-
; folgen, welche das Kirchenrecht bis zur Gründung des
fränkifchen Reichs durchgemacht hatte. So kommt es,
dafs der erfte Band fich durchaus mit dem Kirchenrecht
befafst, wie es fich innerhalb des grofsen römifchen
Reichs theils vom Anfang der Kirche an, theils — und
zwar der Hauptfache nach — von dem Zeitpunkt an gebildet
hatte, da die Kirche in ein pofitives Verhältnifs
zum Staat tritt mit ihrer Anerkennung durch Conftantin.
Daraus ergiebt fich fchon, dafs der fpecielle Titel des
erften Bandes ,Das Kirchenrecht in Gallien von Conftantin
bis Chlodovech' einigermafsen irreführend ift.
Die Darfteilung will und kann fich nicht befchränken auf
die gallifche Kirche, ja nicht einmal auf die des weft-
römifchen Reichs. Eigenthümliche Verhältnifse treten ja
für Gallien nur in der Metropolitanverfaffung, fpeciell
den Beftrebungen der Erzbifchöfe von Arles, fowie da
auf, wo fich die Kirche zu den erften deutfehen Staatenbildungen
, namentlich den arianifchen Herrfchern derfelben
, in Beziehung fetzen mufs. — Genauer ift der
Titel des zweiten Bandes. Denn hier greift der Verfaffer
nur ganz feiten und nur wo es wirklich nothwendig fcheint,
über die Grenzen des fränkifchen Reichs hinaus.

Was das Einzelne betrifft, fo möge es genügen, die
wichtigften Punkte hervorzuheben, in denen der Verf.
neue Verfuche der Löfung unternommen, neue Refultate
gewonnen hat.

Der erfte Band verläuft in 9 Capiteln: 1. Staat und
Kirche. 2. Der Bifchof und Clerus. 3. Das Kirchenvermögen
und feine Verwaltung durch den Bifchof. 4. Dis-
ciplinargewalt und Gerichtsbarkeit des Bifchofs. 5.üeffent-
lich-rechtliche Befugnifse des Bifchofs und der Geiftlich-
keit. 6. Das Klofterwefen. 7. Der Metropolitanverband.
8. Der Primat des Bifchofs von Rom und der gallifche
Primat des Bifchofs von Arles. 9. Die katholifche Kirche
in den arianifchen Reichen Galliens.

Ich hebe zuerft aus Cap. 4 einige Punkte hervor, die
alle Beachtung verdienen : einmal des Verfaffers Stellung
zu der angeblichen Reform des Bufs- und Beichtwefens
durch Leo I. 'p. 269—272). Es wird nämlich diefem Papft