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Ausgabe:

1879 Nr. 6

Spalte:

138-140

Autor/Hrsg.:

Höhne, Emil

Titel/Untertitel:

Mancherlei Gaben, ein Geist. Vorträge über Themen aus den Grenzgebieten der Theologie 1879

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 6.

im Chriftenthum' eine Reihe von Schriften zur Vorbereitung
habe voraufgehen laffen, fo habe auch er es für
nöthig gehalten, diefem gröfseren Werke, wenn auch in
ftark verkleinertem Mafsftabc Einiges zur Vorbereitung
voraus zu fchicken. Auch das Dunkel, das über feiner
letzten Veröffentlichung ,Leffing und die objective Wahrheit
' fchwebte und das (wie Ref. zu feinem Trofte bemerkt
hat) auch Anderen undurchdringlich geblieben ift,
wird jetzt durch eine klar ftellende Nachweifung, was in
dem Buche Ueberfetzung, was freie Bearbeitung fei, genügend
aufgehellt. Ob diefer etwas umftändliche Weg
der Vorbereitung auf das vorliegende Buch nothwendig
gewefen fei, läfst Ref. dahingeftellt; jedenfalls werden
Alle, die K. nicht blofs als ein Phänomen bewundern,
fondern auch kennen lernen möchten, dem Ueberfetzer
für diefe Gabe aufrichtig dankbar fein. Denn klarer und
zufammenhängender als in allen bisherigen fragmen-
tarifchen Veröffentlichungen aus und über K. treten hier
die Grundanfchauungen des dänifchen Theologen hervor
in ihrer berechtigten Oppofition gegen das Weltkirchenthum
, aber auch in ihren unberechtigten Uebertreibungen
und Paradoxien. Die ,Einübung im Chriftenthum' enthält
eine Reihe von Variationen über das Tertullianifche
Credo, quia absurdum. Sie zerfällt äufserlich in drei,
jedesmal an eine Schriftftelle angeknüpfte Abfchnitte:
1) Kommet her zu mir etc. Zur Erweckung und Ver-
innerlichung. 2) Selig, wer fich nicht an mir ärgert.
Eine biblifche Darftcllung und Begriffsbeftimmung. 3)
Wenn ich erhöhet werde, will ich Alle zu mir ziehen.
Chriftliche Entwickelungen. Der erfte Theil führt den
Unterfchicd aus zwifchen Glauben an Chriftum und hifto-
rifchem Wiffen von Chrifto. ,Von ihm kann man überhaupt
nichts wiffen, er kann nur geglaubt werden'. Die
Chriftenheit, indem fie die Perfon Chrifti zu begreifen
fuchte, hat das Chriftenthum abgefchafft; es gilt, ,das
Chriftenthum in der Chriftenheit wieder einzuführen'.
Dazu bedarf es vor Allem der Kategorie der ,Gleichzeitigkeit
'. Die Vergangenheit ift nicht Wirk lichkeit ,für
mich'. Für jeden Menfchen kann nur die Zeit Wirklichkeit
haben, in der er lebt und aufserdem nur eins:
das Leben Chrifti, ,das aufserhalb der Gefchichte fteht'.
Wer alfo Chrift werden will, mufs fich in die Situation
der Gleichzeitigkeit mit Chrifto verfetzen und dann fieht
er fich — dies führt der 2. Abfchnitt aus — vor die
Alternative geftellt: entweder glauben, oder fich ärgern.
Wie der Begriff Glaube eine eigenthümlich chriftliche
Beftimmung ift, fo ift auch ,Aergernifs' eine eigenthümlich
chrifti. Beftimmung, die zum Glauben im Verhältnifs fteht.
Indem Einer fich in die Gleichzeitigkeit mit Chrifto verfetzt
, treten ihm alle die Widerfprüche feiner Erfcheinung,
an denen die Zeitgenoffen Anftofs nahmen, ebenfalls entgegen
und dann hat er zu wählen (der Glaube ift eine
Wahl), ob er Chrift werden, oder fich ärgern will. Durch
Abfchaffen der Möglichkeit des Aergernifses hat man
das Chriftenthum zu einem fentimentalen Heidenthum
gemacht. Der 3. Abfchnitt fchildert nun die Entwicklung,
wie K. fie als unumgänglich nothwendig hält, um Chrift
zu werden, an einzelnen Beifpielen und übt dann an der
beftehenden Staats- und Volkskirche (hier confequent
,triumphirende Kirche' genannt) eine fchneidendc Kritik,
die in folgenden Sätzen gipfelt: ,So lange die Welt fteht
und die ehr. Kirche in ihr ift, ift fie eine ,ftreitende'
Kirche (in K:'s Sinne). Aber wehe, wehe der ehr. Kirche,
wenn fie in diefer Welt gefiegt haben will, denn dann
ift fie es nicht, die gefiegt hat, fondern die Welt hat geliegt
. Da ift Chriftus nicht mehr Gottmenfch, fondern [
ein ausgezeichneter Menfch, deffen Leben der Entwicklung
des Gefchlechts gleichartig ift. Da ift die Ewigkeit
abgefchafft und der Schauplatz für die Vollendung
des Ganzen in die Zeitlichkeit verlegt. Dann ift der
Weg zum Leben nicht mehr fchmal und die Pforte nicht
mehr enge etc.'. Und noch beftimmter: ,Nur die ftrei-
tendc Kirche ift Wahrheit; dem Streiten aber entfpricht

der Einzelne, die Gemeinde gehört nicht in die Zeit,
fondern in die Ewigkeit'. Ref. verzichtet auf eine Kritik
diefer Anfchauungen im Einzelnen und befchränkt fich
auf zwei Bemerkungen, die fich freilich dem urtheilenden
Lefer von felber aufdringen werden: 1) dafs K. vielfach
gegen einen angenommenen Feind kämpft und eine An-
fchauung von ,der Chriftenheit' hat, die der Wirklichkeit
nicht entfpricht. 2y Dafs er den Weg, den er geführt
worden ift, für den einzig möglichen hält und dadurch
in eine einfeitige Exclufivität verfällt. Trotzdem wird
diefes eigentümliche Buch, das K.'s fchriftftellerifchen
Ruf glänzend rechtfertigt, wegen feines gewaltigen fitt-
lichen Ernftes, wegen der vielen treffenden Wahrheiten,
die es im Einzelnen ausfpricht, auch unter dem deut-
fchen theol. Publicum fegensreich wirken, wenn es nach
dem Grundfatz aufgenommen wird: Prüfet Alles, und
das Gute behaltet.

Nuffe. H. Lindenberg.

Schulze, Paft. Otto, Sonntags-Andachten in Predigten u.
Liedern über die Sonn- und Fefttagsepifteln des
chriftlichen Kirchenjahrs. Zur häuslichen Erbauung
fowie zum Vorlefen in Landkirchen. Berlin 1878,
Wohlgemuth. (III, 375 S. gr. 8.) M. 4. 50.

In den Sonntagsandachten bietet der Verfaffer eine
Epiftelpoftille von feltener Vollftändigkeit in Predigten
über fämmtliche 65 epiftolifchenPerikopen der Sonn- und
Fefltage. Die Predigten find klar disponirt und bei aller
Kürze mit grofser Sorgfalt ausgeführt in fchriftgläubiger
Auslegung und anfprechender Anwendung. Für den vom
Verf. bezeichneten Zweck ,zur häuslichen Erbauung und
zum Vorlefen in Landkirchen' find diefelben durchaus
geeignet und werden deshalb, trotz der reichen Predigtliteratur
, Vielen eine willkommene Gabe fein. Jeder
Predigt hat der Verfaffer ein geiftliches Lied beigefügt,
,welches unter dem frifchen Eindruck des Textes ent-
flanden ift'. Den Liedern find kirchliche Melodieen zu
Grunde gelegt, vielfach fogar die gerade für den Tag
gebräuchlichfte Melodie, z. B. am 1. Advent die Melodie
,Wie foll ich dich empfangen'; Weihnachten ,Vom Himmel
hoch, da komm ich her'; Karfreitag ,Ein Lämmlein
geht' etc. Der Verf. hofft, dafs die Lieder in Folge
deffen gelungen würden; wir möchten diefe Hoffnung
nicht theilen; fo wenig wir die gewandte Form und den
kirchlichen Ton der Lieder (oft allerdings in fehr naher
Anlehnung an die zahlreichen Mufter unferes Lieder-
fchatzes) verkennen wollen, fo wenig halten wir es für
Aufgabe des Predigers, neue Kirchenlieder und noch
dazu in folcher Fülle anzulertigen und zu verbreiten, und
würden es dem Verf. zu gröfserem Verdienft anrechnen,
wenn er aus dem Kirchengefangbuch das paffendfte Lied
bei jeder Predigt für die Hausgemeinde angemerkt hätte.

Halle a/S. A. Wächtler.

Höhne, Prof. Dr. Emil, Mancherlei Gaben, ein Geist. Vorträge
über Themen aus den Grenzgebieten der Theologie
. Gütersloh 1877 . Bertelsmann. (140 S. 8.)
M. 1. 50.

In fünf Vorträgen apologetifchen Charakters und
meift gefchichtlichen Inhalts fucht der Verf. Vergangenes
und Gegenwärtiges unter dem einheitlichen Gefichts-
punkte der religiöfen, der chriftlichen Weltanfchauung
zufammenzufaffen, und fo auf Den zu beziehen, der der
Schlüffel der Weltgefchichte ift. Ohne wefentlich Neues
zu bieten, verfteht der auf den verfchiedenften Gebieten
wohl orientirte, namentlich auch mit der neueren Literatur
in ungewöhnlicher Weife vertraute Verf. in fehr
gewandter und blühender Diction, die nur ftellenweife
die nöthige Einfachheit und Nüchternheit vermiffen
läfst, das Intereffe für eine chriftliche Weltanfchauung