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Ausgabe:

1879 Nr. 6

Spalte:

127-131

Autor/Hrsg.:

Böhmer, J. Fr.

Titel/Untertitel:

Regesta archiepiscoporum Maguntinensium. Regesten zur Geschichte der Mainzer Erzbischöfe von Bonifacius bis Uriel von Gemmingen 742? - 1514. 1. Bd. Von Bonifacius bis Arnold von Selehofen 742? -

Rezensent:

Zoepffel, Richard

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 6.

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ift (auch jenes Edict des Callift, auf welches Hippolyt
Fhilos. IX, 12 p. 458, 1 sq. anfpielt, bezieht fich nur auf
Fleifchesfünden), und dafs 2) nach Orig. cxhortat. ad mart.
das fpecififche Verhältnifs der Märtyrer und Confefforen
zu Chrihus und darum ihr Interceffionsrecht allgemein
anerkannt war. Hätte der Verf. fchärfer die einzelnen
Briefe ins Auge gefafst, fo hätte ihm wie der Umfchwung
in den Anflehten Cyprian's, fo vor allem der Wechfel der
herrfchenden Anfchauung in Rom nicht entgehen können.
Etwas davon ift ihm zwar zum Bewufstfein gekommen
(f. z. B. S. 87; doch fcheint mir der Sinn der ep. 18 nicht
richtig wiedergegeben); aber feine Kritik war zu ftumpf,
um zu fondern und zu fcheiden. Anerkennenswerth ift
es, dafs der Verf. weitgehenden Conftructionen über die
theoretifchen Grundfätze, von welchen fich die Presby-
ter-Confefforen-Partei in Carthago angeblich leiten liefs,
entgegengetreten ift. Hier ift von Vorgängern unftreitig
des Guten zu viel gefchehen. Auch hier wie anderswo
waren zunächft nicht theoretifche Ueberzeugungen, fondern
Enthufiasmus, Ehrgeiz. Habfucht und andere Leiden-
fchaften die beftimmenden Factoren, und die Rechtstheorie
wird erft ausgebildet, nachdem die Macht zum Rechte
geworden ift. In allen den Krifen aber, aus welchen
fchliefslich die Hierarchie ftets mit neuen Attributen
bereichert fiegreich hervorgegangen ift, war für die Gegenpartei
dies das Verhängnifsvolle, dafs fie, obgleich
für das alte Herkommen eintretend, dasfelbe niemals
als ein nachweisbares Recht in Anfpruch nehmen
konnte, ja durfte. Indem die Recht sfrage gehellt wurde,
war eben damit eine Anfchauung der Dinge begründet,
welche auf jedem Punkte, für welche fie gehellt wurde,
eine neue Ordnung der Verhältnifse hervorrufen mufste;
und indem die Vertheidiger des Herkommens fich auf
die Rechtsfrage einliefsen, fahen fie fich felbh zu Modi-
ficirungen ihres Standpunktes genöthigt. Eine Gemeinde
von Enthufiahen kann eine lange Zeit hindurch kirchen-
hatutarifchen Vinculirungen Widerhand leihen; aber wenn
fie ihr Eigenthümliches felbh nur noch unter dem Titel
von Recht und Gewohnheit fortzupflanzen vermag oder
fich zwingen läfst, dasfelbe durch Theorieen zu ftützen,
fo fallen ihre nun lediglich unpraktifchen und feltfamen
Inhitutionen praktifcheren zum Opfer. Einzelnes ih in
dem Werke F.'s fehr lehrreich; fo z. B. die Ausführungen
über die libellatici S. 75 f., über Celerinus S. 98
n. 2, über Novatus' Stellung S. 108 f.; vgl. dazu S. 136
n. 2. 112 n. u. m. A. Die Vita Caecili Cypriani des Pontius
hält der Verf. für echt und nicht interpolirt; eine
genauere Begründung diefes Urtheils wäre erwünfeht ge-
wefen.

Leipzig. Ad. Harnack.

Böhmer, J. Fr., Regesta archiepiscoporum Maguntinensium. !

Regelten zur Gefchichte der Mainzer Erzbifchöfe von
Bonifacius bis Uriel von Gemmingen 742? — 1514. '
1. Bd. Von Bonifacius bis Arnold von Seiehofen
742? — 1160. Mit Benützung d. Nachlaffes v. Joh.
Frdr. Böhmer bearb. u. hrsg. von Cornelius Will.
Innsbruck 1877, Wagner. (LXXX, 400 S. gr. 4.)
M. 25. 20.

Diefes Regeltenwerk ih auf mehrere Bände angelegt; ;
der erhe derfelben, der uns vorliegt, reicht von Bonifacius
(742?) bis auf den Erzbifchof Arnold von Seelenhofen
(nöd). Wem verdanken wir diefe fo nothwendige !
und bisher fo fchwer vermifste Arbeit? Der Titel befagt
zu wenig, wenn er Cornelius Will blofs als den Bearbeiter
und Herausgeber diefer Regelten, zu viel, wenn er
J. Fr. Böhmer als den eigentlichen Verfaffer bezeichnet.
In der Einleitung (p. VIII) erklärt Will, dafs das Werk,
wie es vorliegt, gröfstentheils eine Arbeit von feiner
Hand ih; bei der Durchficht der von Boehmer hinter-
laffenen Regehen der Mainzer Erzbifchöfe — die nach

dem Ableben Boehmer's zuerlt von Arnold in Marburg
herausgegeben werden füllten, von diefem aber dem
jetzigen Bearbeiter übertragen wurden — überzeugte er
fich bald, ,dafs eine gänzlich neue Anlage des Gebäudes
nothwendig fei'. Bei dem Rufe, den Böhmer als erhe
Autorität in dem Urkundenfach, als Bahnbrecher für
eine wiffenfehaftlichgediegeneRegehen-Zufammenhellung
feiner Zeit genofs, dürfte diefes anfeheinend hart klingende
Urtheil des Herausgebers leicht Mifsverhänd-
nifsen ausgefetzt fein, zumal, wenn man in Anfchlag
bringt, dafs Boehmer fich volle dreifsig Jahre, von 1833
bis 1863 - wenn auch nicht ununterbrochen — mit den
Mainzer Regehen befchäftigt hat. Dafs Will das Ma-
nufeript der Regehen der Erzbifchöfe von Mainz, wie
er es im Nachlaffe Boehmer's antraf, ,weder reif zur
Herausgabe, noch auch als Fundament für einen Ausbau
des Werkes geeignet' fand, erklärt fich aber zur Genüge
daraus, dafs die Regehen von Boehmer zunächft zu feinem
Privatgebrauch angelegt waren. Auch hat Boehmer felbh
feine Arbeit nicht als druckfertig angefehen. Noch im
Jahre 1862, in einem der letzten Briefe, den er bezüglich
der Herausgabe der erzbifchöflich mainzifchen Regehen
gefchrieben, redet er nur von ,Vorarbeiten' zu
feinem Werke, über die er noch nicht hinausgekommen
Zu den obenerwähnten F-rklärungen über das Verhältnifs
feiner Arbeit zu diefen Vorarbeiten Boehmer's fah
fich Will dadurch genöthigt, dafs er ,alle Schwächen
und Mängel, die an dem Werke haften, auf die eigenen
Schultern zu nehmen und für alle Verfehen felbh einzuheilen
' fich verpflichtet glaubte. Doch wir haben es hier
nicht mit einer fehler- und mangelhaften, fondern mit einer
ausgezeichneten Leihung zu thun, welche die falfchen Wege
anderer Regehenwerke meidet und manche eigenartige
Vorzüge aufzuweiten hat. Welche Riefenarbeit hier vor
uns liegt, welcher Fleifs, welche Ausdauer dazu gehörte
, um diefen Band zu vollenden, darüber belehrt uns
fchon die fo viel verzweigte Amtsheilung der Mainzer Erzbifchöfe
, die zugleich Reichskanzler, Metropoliten der
deutfehen Kirche, Bifchöfe eines Sprengeis und Beherr-
fcher eines fehr anfehnlichen Territoriums waren. Forderte
nun diefe fo verfchieden geartete Thätigkeit der
Erzbifchöfe eine allfeitig gleichmäfsige Behandlung, fo
wurde die Aufgabe des Verf.'s — als folchen bezeichnen
wir Will — dadurch noch eine viel complicirtere,
dafs er feine Studien über ein Gebiet ausdehnen mufste,
welches die 22 Suffraganbisthümer von Mainz umfafste
und fränkifche, allemannifche, thüringifche, fächfifche,
bairifche, böhmifche und mährifche Länder-Complexe
umfchlofs; da ih es nicht zu verwundern, wenn dem,
auch von der kleinhen Abhandlung Notiz nehmenden
Verfaffer, wie er fagt, taufende von Bänden und Heften
durch die Hände gegangen find. Den Werth des vorliegenden
Werkes werden wir am Behen beurtheilen
können, wenn wir auf zwei Fragen näher eingehen: I)
welches ih das Material, das der Herausgeber für die
Zufammenhellung der Regehen benutzt und 2) entfpre-
chen die Regehen felbh den Anforderungen, die man
nach dem augenblicklichen Stande der Wiffenfchaft an
fie zu hellen berechtigt ih? In Bezug auf das zu benutzende
Material hat fich Will eine bedauerliche, aber
durch die Verhältnifse gebotene Befchränkung auferlegt.
Wohl war es Boehmer's Abficht, auch die ungedruckten
Urkunden — wenighens foweit fie fich in feiner Nähe
befanden, d. h. in Frankfurt, Darmhadt, Mainz und
Idhein — zur Benutzung heranzuziehen, doch mufste
der Herausgeber von der Ausführung diefes Planes
abftehen, follte nicht das Erfcheinen des Werkes Jahre
hindurch verzögert werden. Es verdient Anerkennung,
dafs fich Will entfchloffen hat, auf Vollhändigkeit zu
verzichten; es ih das ein Opfer, welches dem fleifsigen
und gewiffenhaften Forfcher fchwer gefallen fein wird,
aber gebracht werden mufste, wenn das Unternehmen
nicht an kaum zu überwindenden Schwierigkeiten fchei-