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Ausgabe:

1879 Nr. 26

Spalte:

618-620

Autor/Hrsg.:

Beck, J. T.

Titel/Untertitel:

Erklärung der zwei Briefe Pauli an Timotheus. Herausgegeben von Jul. Lindenmeyer 1879

Rezensent:

Holtzmann, Heinrich Julius

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 26.

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dem hängt ja der Werth eines Buches vom Inhalte ab,
nicht von der Perfon des Verfaffers. Dennoch ift's löblich
, dafs ein Verfaffer dem Intereffe, welches er bei der
Leferwelt zu finden wünfeht, auch durch kurze Angabe
feiner eigenen Lebensftellung gerecht wird, wenn er die-
felbe nicht fchon als in den weiteften Kreifen bekannt
vorausfetzen darf. Uebrigens will ich in diefem Falle,
wo der Verfaffer fich nur mit feinem Namen Andreas
Kaabe einfuhrt, einen Tadel um fo weniger ausfprechen,
als ich mich bei dem vorliegenden Buche überhaupt
jedes Urtheils enthalten und auf blofse Berichterftattung
befchränken kann. Manche Stellen des Buches zeigen,
dafs Raabe der römifch-katholifchen Kirche angehört
(vgl. S. 143. 148 ff. 157); wie diefe dem mehrfachen
Schriftfinne huldigt, fo kann Raabe in HL. 8, 9 auch
den göttlichen Ausfpruch finden: ,Wenn die einzelne
Seele der Welt entfagt (indem fie den vollkommneren
Stand, den Ordensfland in der Kirche erwählt), werde
ich fie in ihrer Entfagung ftärken und fchützen; wählt
fie dagegen das eheliche Leben, werde ich ihr eheliches
Leben regeln'.

Die Hauptmaffe des Buches (S. 2—99) beftcht in
einem ,Gloffar zum Buche Ruth und zum Hohen Liede',
welchem ftatt der Vorrede folgende ,Bemerkung' (S. 1)
vorhergeht: ,Die neuefte Erkenntnifs der alten Sprachen
berechtigt uns, den überlieferten Wortlaut auch der he-
bräifchen Texte in ihrer urfprünglichen Form aufzuhellen
, denfelben alfo etymologifch in den früheren Sprach-
ftand zurück zu überfetzen. Dasfelbe kann aber dem
Lefer nicht geboten werden, ehe jede einzelne Wortform
, die ins Lexikon gehört, befonders behandelt ift.
Darum müffen wir hier zuerft das Gloffar der beiden
behandelten biblifchen Stücke bringen.

Den Abdruck des hebräifchen Textes felbft wird
uns jeder geneigte Lefer gern erlaffen, da derfelbe fich
bei ihm in der (Hahn'fchen) Ausgabe der hebräifchen
Bibel wohl bereits vorfindet'.

Ehe ich nun einige Mittheilungen aus dem Gloffar
mache, möge von jedem der beiden biblifchen Bücher
der erfte Vers hier eine Stelle finden. Die Zurückführ-
ung (S. 100 ff.) des hebräifchen Textes von Ruth 1, 1
auf die urfprünglichen Wortformen lautet: na ya-iyey
abhi ylfnic (apätha äy (üpethein 11a ya-iyey ravaipa abhi
äy ardha na ya-hricha fpa nnna bliaita. lekhima vyüdJtah
ä/aiit güdha abhi sitiy mähh-ablia yoh u tfäf-yo u sttnie
bliainnc-yo, wozu ich nach S. 3 bemerke: ,« foll eine
Verlängerung des a fein, das dadurch zu 0 verdunkelt
worden; man lefe es alfo o'. Das Lied der Lieder (S.
122 ff) beginnt mit den Worten: süra äy stirem eshah
alaih carumtt.

Ich theile nun, um die Ableitung aller hebr. Wörter
und Wortformen aus dem Sanskrit zu veranfehau-
lichen, einige Proben aus dem Gloffar im Auszuge mit:
1) äs = *ablia (v. Wz. fkr. abh oder ambh oder amb
,gehen, tönen') der Regfame und Befehlende, der Fortpflanzungskräftige
, der Vater, Hausvater, -3n = * ablie,
ein Nominativ Sg., der eben durch die Endung als fol-
cher ausgezeichnet wird, ähnlich wie ein fanskritifches
*ablio oder *abhah oder *abhas. Die Nom.-Endung -e
wird im engen Anfchlufs an Folgendes gebraucht; man
nennt das Status construetus. 'spiMI = ab he-hca-l; enthält
den nom. abhe; fkr. Wz. ac hinwenden, ergab fkr.
aüca das Sichregen, Sichaufrichten, daher nca als Bezeichnung
der angeredeten Perfon, ,du, zu welchem ich
mich hingezogen fühle'; endlich 1 ift die weibliche Endung
/ des Sanskrit. Alfo TpaN dein (eines Weibes) Vater
. — 2) |3 = fkr. bhinnä (part. v. Wz. bhid trennen,
feheiden, wie lat. filius = fkr. bhedya) der Abgetrennte
, aus der Familie hervorgehend und fich anderswo
anfiedelnd, der Sohn. Davon Denom. n:a = *bltain-
nay er handelte als einer, der von der Familie ausgeht,
baute fich eine befonderc Wohnung. — 3) rpj| = *pa-
racha (v. fkr. frach fragen, erfragen, forfclien nach;

fuchen, bittend angehen) er bat um Etwas, warf fich vor
Jemand bittend nieder. lB*i$ = *pärncha vor welchem
man fich niederwirft, hochverehrt. — 4) a-in = *gho-
räpa (von *ghoräpay Den. v. fkr. ghord fchrecklich,
furchtbar, graufig) das Scheu und Furcht Erweckende,
das Schwert. — 5) rn'rr (die unechten Vocale diefes
| Wortes ftören die Etymologie nicht) = fkr. yahvah
(Nomin. v. yalivä, ,in fortwährender Bewegung oder
Thätigkeit befindlich, [von Gewäffcrn] beftändig fliefsend')
der immer Fliefsende, der Unerfchöpfliche. — 6) tv =
*virai<la (Den. v. fkr. vrttä vergangen, verftrichen, zu
Ende gegangen; gänzlich erfchöpft; verftorben) er machte
die Bewegung des Waffers, ging hinunter, begab fich
hinab. — 7) D?bvto!t n. p. 1. = "vlro-caräima (v. fkr.
virä Mann, Held,' und cärman Schirm, Schutzdach,
Decke; Hut, Obhut) grofse Helden-Unterkunft, grofses
Obdach der Männer. Die Endung -äitna ift ein Zeichen
der Hochachtung. — 8, nnp = *täyata (v. fkr. täy
ausdehnen, ausgedehnt werden, fchützen) indem man
(bei einer gewiffen Handlung) das Bedehntfein erleidet,
unterhalb ift; unterhalb. Vgl. skr. uttänä von tan.

Die S. 107—115 und S. 129—141 gegebenen Ueber-
fetzungen enthalten natürlich viel Eigenthümliches. So
fagen die Weiber Ruth 4, 14: .Hochverehrt fei der Unerfchöpfliche
', und die drei erften Verfe des Hohen Liedes
lauten: ,1. Das Lied der Lieder, welches (eine Dichtung
) des Salomon ift, (und von erdichteten Perfonen
I handelt). 2. [Die Braut, in einem Waldgarten, fpricht:)
j Er fchliefst fich mir an, mir austheilend die Küffe feines
Mundes. (Der Bräutigam kommt näher.) Befriedigend
ift ja deine Gütigkeit, mehr als Wein, 3. gemäfs dem
Dufte deiner Salben befriedigend. Freigebiger Reichthum
ift dein Ruf. Deswegen ftimmen die Unberührten
mit dir überein'.

Reichhaltiger als die Anmerkungen zum Buche Ruth
(S. 115 —121) find die Ausführungen zum Hohen Liede,
die wir unter der Auffchrift ,Zum näheren Verftändnifs'
S. 141 —157 finden. Hier lefen wir z. B., dafs Salomo
in göttlicher Erleuchtung die Idee einer unverführbaren
Jungfrau und Braut erfafstc und das ihn felbft befchäm-
ende Lied dichtete. Den Schlufs endlich diefer Anzeige
bilde die Aeufserung über Salomo (S. 143): ,Trotz
feiner fittlichen Verderbnifs kann man ihn doch als
Werkzeug der Erleuchtung Gottes annehmen, der in
höherer Begeifterung das Buch verfafste, gerade wie
einige wenige von den Päpften grofse Schwächen gehabt
haben follen, und dennoch eine Gewalt inne hatten, die
nun einmal kein Anderer befafs'.

Bonn. Ad. Kamphaufen.

Beck, Prof. Dr. J. T., Erklärung der zwei Briefe Pauli an
Timotheus. Herausgegeben vonjul.Lindenmeyer. Gütersloh
1879, Bertelsmann, i VIII, 338 S. gr. 8 ) M. 5. —

Eben mit Ausfertigung der letzten Bogen meiner
kritifchen und exegetifchen Bearbeitung der Paftoralbriefe
befchäftigt, ftofse ich auf diefe erfte Veröffentlichung
aus dem Nachlaffe des am 18. Dec. 1878 verdorbenen
Tubinger Theologen. Diefelbc behandelt den erften Brief
ungleich ausführlicher als den zweiten, während ich der,
nach meinem Dafürhalten gegründeten, Vorausfetzung
folge, die Auslegung habe vom zweiten auszugehen, als
dem einzigen, von deffen ganzer oder theilweifer Au-
thentie dermalen noch die Rede fein könnte. ,Ich kann
nur bedauern, dafs es mir erft von Bogen 22 an möglich
war, diefer bei allem Mangel hiftorifcher Orientirung
doch immer geiftvollen und kernhaften Exegefe wenig-
ftens noch während der Correctur einige Bcrückfichtigutm
angedeihen zu laffen'. Diefem Satze meiner Vorrede

i füge ich hier noch bei, dafs ich günftigeren Falls gern
von Einigem Gebrauch gemacht hätte, was fich in vor-

j liegenden Vorlefungen beifpielsweife zu änoatoKos 1. Tim.

I 1,1, zu der Trias (=j/V;-. 16,5) 1,2, zurAoc (=Äb//. 12,13)1,5,

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