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Ausgabe:

1879 Nr. 26

Spalte:

611-614

Autor/Hrsg.:

Baer, S.

Titel/Untertitel:

Die Dikduke hateamim des Ahron ben Moscheh ben Ascher und andere alte grammatisch-massoretische Lehrstücke zur Feststellung eines richtigen Textes der hebräischen Bibel mit Benutzung zahlreicher alter

Rezensent:

Stade, Bernhard

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Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 26.

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durch ftörendes Detail unverworren, fich mit Behagen
feinen grofsartigen Vues hingeben kann. Es wäre eine
aufserordentliche Anmafsung, wenn diefer Herr Gelehrte
gewöhnlichen Schlages als feines Gleichen betrachtete.
Indeffen fieht er mitleidig auf fie herab — das ift fchon leichter
zu ertragen. AI pari behandelt er Steinthal, Goldziher
und Grill, befonders aber den Verfaffer des Mutterrechts
und der Gräberfymbolik, den Juriften Bachofen. Ich
kann nicht beurtheilen, in wie weit diefen Forfchern eine
Mitfchuld an Poppers Buche beizumeffen ift.

Was Popper mit diefer Schrift erreicht hat, ift die
gänzliche Discreditirung der fog. vergleichenden Mythologie
auf altteftamentlichem Gebiete. Wenn man hier
nicht ganz andere Grundlagen für diefe Wiffenfchaft
fchafft, fo wird es fein Bewenden haben bei dem Rath,
den Bentley in einem Briefe vom 14. Sept. 1708 einem
Leipziger Philologen gegeben hat: Harte tu ut ingeniorum
pestem fugias, auetor tibi cro, vir spectatissime: nullus enim
solidae doctriuae fruetus, nulla apud cordatos Ii011/ines
gloria provenire hinc poterit. Nunquam igitur tibi dixero,
unde Siletii aut Satyri appellati sint: at qiwd longe melius
est, id tibi in aurem instillavcro, ut in Iiis senticetis ru-
spandis nolis Ingenium tuum et bonas Horas conterere.

Greifswald. Wellhaufen.

Baer, S., u. H. L. Strack, Die Dikduke hateamim des

Ahron ben Moscheh ben Afcher und andere alte
grammatifch-mafforetifche Lehrftücke zur Feftftellung
eines richtigen Textes der hebräifchen Bibel mit Benutzung
zahlreicher alter Plandfchriften zum erften
Male vollftändig hrsg. Leipzig 1879, Fernau. (XLII
95 S. gr. 8.) M. 3. 50.

Das vorliegende Buch ift kein durchweg neues. 34
feiner 76 §S find fchon im erften Bande der rabbinifchen
Bibel Bomberg's von 1516—18 gedruckt worden. Aus
diefem hat die auf die Accente bezüglichen Abfchnitte
H. Hupfeld in feinem denkwürdigen Pfingftprogramm
von 1846 wieder abdrucken laffen. Im felben Jahre gab
L. Dukes nach einer Handfchrift S. D. Luzzatto's fein
Kontres hamassoreth heraus, welches 16 der ^unterer
Ausgabe enthält. Endlich find nicht unbeträchtliche
Partien in das titellofe grammatifch-mafforetifche Com-
pendium übergegangen, welches J. Derenbourg unter
dem Titel ,Manuel du lecteur' («-np- rvmtt) aus einer
von Jacob Sappir nach Europa gebrachten Pentateuch-
handfehrift 1870 im Journal Asiatiquc (VI"'" serie, tont.
XVI, S. 309 ff.) veröffentlicht hat. Aber vollftändig
find hier diefe Lehrftücke zum erften Male gedruckt und
zwar in einer wohlgeordneten, auf reichem handfehrift-
lichen Materiale beruhenden und gut ausgeftatteten Ausgabe
.

Diefelbe ift mit die Frucht der Studien, welche der
Mitherausgeber H. L. Strack von 1873—76 zu Petersburg
und Tfchufutkale in der Krim gemacht hat.
Allerdings hatte fich der gelehrte Kenner der Maffora
S. Baer fchon langer um die Herftellung eines guten
Textes bemüht. Es ftand ihm aufser der rabbinifchen
Bibel von 1516—18 und Dukes' Kontres noch die Ab-
fchrift einer Kopenhagener Handfchrift zu Gebote. Auch
hat er bekanntlich die Dikduke ben Ascher's bereits in
feinen mafforetifchen Ausgaben einzelner biblifcherBücher
zur Feftflellung des Textes benutzt. Allein auf Grund
diefer ihm zu Gebote flehenden Hülfsmittel würde eine
correcte Ausgabe der Dikduke zu geben nicht möglich
gewefen fein. "Ganz anders aber geftaltete fich die Sachlage
durch das reiche von H. L. Strack herbeige-
fchaffte handfehriftliche Material, über welches pp. XXI
—XL der Einleitung berichten. Es war daher ein glücklicher
Gedanke, dafs fich beide Gelehrte zur Veranftalt-
ung diefer Ausgabe verbanden. Sie haben zunächft in
zweimaligem Zufammenfein die Auswahl und Anordnung
der herauszugebenden Lehrftücke, wie die Einrichtung
der Ausgabe feftgcftellt. Dann aber mufste
wegen der räumlichen Entfernung beider Herausgeber
getrennt gearbeitet werden. Baer flehte unter Benutzung
der ihm überlaffcnen Collationen Strack's den
Text im Einzelnen feft und verfah ihn mit fachlichen
Erläuterungen und einem Variantenverzeichnifse, Strack
gab die Einleitung, die Nachträge und die Regifter. Es
fei gleich bemerkt, dafs beide Pierausgeber mit hingebender
Liebe gearbeitet haben. Die fachlichen Erläuterungen
kommen dem Lefer beim Verftändnifs der
oft recht fchwierigen Reimprofa der Dikduke in er-
wünfehtefter Weife entgegen. Die Variantenverzeich-
nifse geben felbftverftändlich nicht jede Abweichung einer
oft recht verwilderten Ueberlieferung, aber fie bringen
alles Wichtige bei und erftrecken fich oft auf Wiedergabe
ganzer abweichender Lehrftücke. Die Einleitung
endlich orientirt in erfchöpfender Weife, die Nachträge
und die Regifter find eine fehr dankensvverthe Zugabe.

Der Inhalt des Buches ift nun von fehr verfchie-
denem Werthe. Man mufs Strack unbedingt darin
Recht geben, dafs die grammatifch-mafforetifchen Lehrftücke
, welche unter dem Namen ,Dikduke haParnim' von
Ben Ascher überliefert werden, weitaus wichtiger find,
als die eigentlichen mafforetifchen Zufammenftellungen,
wie folche der Anhang von 57—76 bringt. Sie find
es fchon wegen des Mannes, von welchem fie hergeleitet
werden, dann aber, weil fie einen fehr intereffan-
ten Beitrag zur Gefchichte der hebräifchen Grammatik
liefern.

Ahron ben Mosche ben Ascher, arabifch Abu
Sa'id, gewöhnlich aber blofs Ben Ascher genannt, der
Tiberienfer, blühte in der erften Hälfte des 10. Jahrh.'s,
f. den Nachweis auf p. XI der Vorrede. Er flammt aus
einer alten Mafforttenfamilie. Ueber feinen Stammbaum
hat Strack im Anhange S. 78 f. und früher Stud. u.
Kritik. 1875, S. 743, wie Zeitfchrift für die gef. luth.
Theol. u. Kirche 1875 S. 612 f. gehandelt. Von befon-
derer Wichtigkeit ift Ben Ascher für uns dadurch geworden
, dafs eine von ihm mit Vocalen, Accenten und
Maffora verfehene Handfchrift der ganzen Bibel bald
die Bedeutung einer Mufterhandfchrift gewann. Sie follte
daher eigentlich in unferen Ausgaben reproducirt werden
. Ben Afcher's Handfchrift ift, wenn überhaupt vorhanden
— fie Toll gegenwärtig in Aleppo fein —, doch
für die Wiffenfchaft nicht vorhanden. Sie wiederzugeben
, ift nur dadurch möglich geworden, dafs frühzeitig
die Abweichungen derfelben von einer anderen von
Ben Naphthali punetirten Mufterhandfchrift notirt
I und fleifsig weiter überliefert worden find. Es find die
j fogenannten Lhilluphe nikkud ben B. A. üben B. N. Ganz
befonders aber helfen dazu die hier zum erften Male
vollftändig herausgegebenen Dikduke.

Aber rühren fie wirklich von Ben Ascher her? fo
fragt der Herausgeber mit vollem Rechte S. XIV ff. Der
ältefte Zeuge für Ben Ascher's Autorfchaft ift Raymun-
dus Martini. Die Unterfuchung ift folgerecht fo zu
führen, dafs man fragt, ob ältere und jüngere Stücke
I als Ben Ascher unter den von ihm überlieferten Dikduke
find. Beides bejahen die Herausgeber, f. den Nachweis
auf p. XVI. Aber für weitaus die Mehrzahl der
Lehrftücke zeugen die Chilluplte, wie fpätere Schriften,
1 welche einzelne von ihnen vertretene Meinungen als
folche Ben Ascher's citiren. Pur die Herkunft von
einem Gelehrten zeugen Stil und Sprachgebrauch.

Nach des Ref. Ueberzeugung haben wir, wie oben
angeführt, den Text Ben Ascher's herzuftellen, wenn
wir einen mafforetifchen geben wollen. Unfere Lehrftücke
bieten nun reichen Stoff zur Beurtheilung einer-
feits des landläufigen, andererfeits des von S. Baer in
feinen Ausgaben gegebenen mafforetifchen Textes. Letzterer
lieft Gen. 2, 23 Mflpb, ip 39, 13 rtJjntä u. f. w. f.
| meine Grammatik $ 104. Aus den Dikduke-Paragraphen