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Ausgabe:

1879

Spalte:

609-611

Autor/Hrsg.:

Popper, Jul.

Titel/Untertitel:

Der Ursprung des Monotheismus. Eine historische Kritik des hebräischen Alterthums, insbesondere der Offenbarungsgeschichte. Kritik der Patriarchengeschichte 1879

Rezensent:

Wellhausen, Julius

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schür er in Giefsen.
Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hmrichs'fche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

N°- 26. 20. December 1879. 4. Jahrgang.

Popper, Der Urfprung des Monotheismus, eine
hiftorifche Kritik des hebräifchen Alterthums
etc. (Wellhaufen).
Baer und Strack, Die Dikduke hateamim des
Ahron ben Moscheh ben Ascher etc. (Stade).

Supernatural Religion: An inquiry into the
Reality of Divine Revelation. Complete edi
tion. 3 Bde. (Schürer).

Delitzfch, Biblifcher Commentar über den Pro- ! Fulda, Das Kreuz und die Kreuzigung, eine

pheten Jefaja, 3. Ausg. (Stade).
Raabe, Das Buch Ruth und das hohe Lied im
Urtext nach neuefter Kenntnifs der Sprache
behandelt etc. (Kamphaufen).
Beck, Erklärung der zwei Briefe Pauli an Timotheus
, herausg. von Lindenmeyer (Holtz- j nalliteratur der Neuzeit, 9. Aufl. fortgef. v.
mann). Röpe (K. Strack).

Geffcken, Staat und Kirche nach Anfchauung

der Reformation (Koehler).
Ebrard, Die Glaubwürdigkeit der Gefchichte
Jefu und das Alter der neuteftamentl. Schriften
(Derf.).

Zahn, Sclaverei und Chriftenthum in der alter

Welt (Derf.)
Rieger, Die Gottesfreunde im deutfchen Mittelalter
(Derf.).

antiquarifche Unterfuchung (Schürer)
Sperber, PädagogifcheLefeftücke ausden wich-
tigften Schriften der pädagogifchen Claffiker,
1—3. Hft. (K. Strack).
Barthel's Vorlefungen über die deutfche Natio-

Popper, Jul., Der Ursprung des Monotheismus. Eine
hiftorifche Kritik des hebräifchen Alterthums, ins-
befondere der Offenbarungsgefchichte. Kritik der
Patriarchengefchichte. Berlin 1879, C. ETeymann's
Verl. (XI, 456 S. gr. 8.) M. 10. —

Dies feit lange angekündigte Buch ift von mancher
Seite mit einiger Spannung erwartet. Es ift erfchienen
und hat die Erwartungen gründlich getäufcht. Vom
Urfprung des Monotheismus fagt es wenig, eine hiftorifche
Kritik des hebräifchen Alterthums, insbefondere der
Offenbarungsgefchichte fleht auch nicht darin. Beffer
pafst der poftume dritte Titel, der fo gedruckt ift, dafs
er dem Blicke des Lefers leicht entgeht: Kritik der Patriarchengefchichte
. Denn nach einer langen allgemeinen
und befonderen (S. 1—49. S. 50—133) Einleitung
, worin das Tappen der Völker in der rlnfternifs
pathetifch gefchildert und der Aufgang des mcffiani-
fchen Lichtes in Julius Popper nicht undeutlich angekündigt
wird, gelangt man wirklich S. 134 an Abraham,
dann S. 261 an Ifaak und S. 346 an Jakob. Freilich
redet der Verf. auch hier noch ein bischen viel über
fremde Dinge, z. B. über fich felber und feine Vorläufer
, oder über den grofsen Rabbinenftreit in Betreff von
Gen. 22, der vor einigen Jahren die Juden in Deutfch-
land fcheint aufgeregt zu haben.

Die Thefe des Verf.'s ift, dafs die hebräifche Ueber-
lieferung über die ältefte Zeit nicht oder nicht wefent-
lich ethnologifche Sage, fondern im Grunde phyfika-
lifcher Mythus fei. Er behauptet das nicht blofs von
Gen. 1—Ii, fondern er hält auch noch die Richter und
den König David für wefentlich mythifche Figuren. Mofes
fei keine wirkliche Perfon, fondern nur der vorgeftellte
mythifche Mittler, noch in der Bibel mit dem Namen
Ifch ha Elohim göttlicher Menfch belegt; ,in diefem
Ergebnifse unferer Kritik ruht zugleich der Schwerpunkt
der ganzen Unterfuchung über den Urfprung des Monotheismus
' (S. 129). Was nun die drei Patriarchen betrifft
, auf deren Betrachtung fich der vorliegende erfte
Band des offenbar fehr grofsartig angelegten Werkes
wenigftens im Princip befchränkt, fo ift Ab-ram der
Himmelsvater, der ältefte Gott der Semiten, gleichbedeutend
mit Belitan, ,wie denn unter Ethan ha Ezrachi
(Pf. 89, 1) bei den fpäteren Juden einfach Abraham ver-
ltanden wird'. Im Gegenfatz zu der lichten Natur Abra-

Melkart und Herakles ( = Archal, das Licht hegt). Ueber
die Deutung der einzelnen Züge in den Erzählungen der
Genefis zu referiren ift unnöthig. Genug , dafs der
Phallus und das Mutterrecht — was das ift, fagt Bachofen
, die Hauptautorität des Verf.'s — eine fehr grofse
Rolle dabei fpielen. Einige Proben des Verfahrens
mögen angeführt werden. S. 161 f.: Therah wurde in
Wirklichkeit Tharra (LXX) genannt, das ift eine vulgäre
wenn nicht abfichtliche Abkürzung von Azar, Athara,
Adores, affyrifch Afar — das bekannte hebr. Adar, vgl.
Adramelech, Sarazar, Tiglatpil-efer, Salmanaffar, Neri-
gloffar {sie), Belfazar, Nebukadnezar u. v. a. ,Dafs
übrigens die Tradition von diefem Azar nicht jung ift,
beweift wohl hinlänglich, dafs fchon nach Nicolaus Dam.
und Juftin Adores und Abraham als 2 alte Herrfcher
von Damascus angeführt werden, wie denn der Cult
Abrahams fchon früh hier vorhanden gewefen fein mufs,
wie Jofephus ausdrücklich bezeugt. Nichts freilich ift
leichter, als dergleichen unerklärliche Angaben bei Pro-
fanferibenten auf Leichtfertigkeit oder Verwechslung
(Theokrafie) zu redlichen. Mehr Achtung vor dem Geift
anfehnlicher Schriftfteller des Alterthums verräth es,
ihnen folche Verftöfse nicht zumuthen zu müffen'. Auf
S. 262 ff. wird, gelegentlich der Befchneidung, über Chathan
geredet, das Wort hänge, felbftverftändlich durch
obfcöne Uebergänge, zufammen mit Chanith (Speer)
und Eth (Pflugfchaar), cf. at Schritt, et Griffel, etil Zeit
und ithan uralt'; von Chathan aber fei das Femininum
—Pallas Athana (Thana, Thanath, Tanais, Tanit, Anaitis),
die weibliche Naturmacht, welche die Zeugungskraft
der Sonne repräfentirte. ,Auf unfere Ableitung des
Etymons führen nicht blofs die hebräifchen Wörter
Thaana Begattung, Ethnan Buhlerlohn, Thena (?) Ge-
fchenke austheilen u. A. zurück, fondern fcheint felbft
das griechifche %avaxog und d-avelv zurückzugehen'.
Ueber Debora, die Amme der Rebekka, werden S. 322 ff.
die merkwürdigften Auffchlüffe gegeben, wobei Biene,
Honig, Regen, Geier, Mutter, Füise, Vater, Fetthaut,
Apis, Wolke, Donner, Uterus, Bienenfpecht, rinderne
Kuh, Eliezer, Ifis und Purpurgewande im tollften Con-
cert durcheinander fchwirren. Dafs hinter dem hier Gebotenen
die Fortfetzung in den nächften Bänden nicht
zurückbleiben werde, deutet der Verf. mehrfach an, z.
B. indem er uns auf Jael als Gewitterziege den Mund
wäfferig macht (S. 250).

ham's ift Ifaak der finftere Wolkendämon, identifch mit Seine Methode, deren ftärkfter Hebel das Warum

dem eranifchen Azdahak ; das Lachen, von dem er den follte nicht (S.294) ift, fieht derVerf.als die mathematifche

Namen hat, ift Popper geneigt für das fardonifche La- an (S. 160). Ihr Hauptvorzug ift ihre grofse Unbefan-

chen zu halten (S. 277 f.). Jakob endlich ift der Son- genheit, und diefe hinwiederum beruht auf einer hand-

nengott als ftreitbarer ringender Kämpfer, identifch mit fetten Ignoranz, vermöge deren der glückliche Inhaber,
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