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Ausgabe:

1879 Nr. 2

Spalte:

590-598

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Religion im Verhältniss zum Welterkennen und zur Sittlichkeit. Eine Grundlegung der systematischen Theologie 1879

Rezensent:

Weizsäcker, Carl

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589

Theologifche Literaturzeitung. 1879. Nr. 25.

von Rcfch Laqifch wiedergegebenen Tradition die Strafe 1 chriftlichen Erfahrung nachgeht, follte man hiervor be-
der Zerftörung (T3-"in?2), nach Rabina die des Bannes I wahrt bleiben. Unter den Vorausfetzungen der Recht-
(ro^nc) gefetzt (Sabbath a. a. O.). S. 33, allerdings) fertigung werden die ,ekklefiologifchen'genannt und Jeder-
wird Gittin 58a [nicht 58b] erzählt, die Stadt Bether ! mann wird erwarten, dafs hier zunächft von der Kirche
habe 400 Schulen mit je 400 Lehrern und jeder Lehrer 1 werde gehandelt werden. Aber das gefchieht mit nichten
wieder 400 Schüler gehabt; doch fagt im jeruf. Talmud ' oder doch nur fehr ungenügend, Der ganze lange Ab-
Taanith IV, 8 (fol. 69") Rabban Simeon ben Gamaliel ' fchnitt befpricht das kirchliche Amt und die Gnadender
Wahrheit etwa 25omal näher kommend: SOoSchulen, ! mittel, d. h. Taufe, Abendmahl, Gottes Wort und Ab-
von denen die kleinfte 500 Schüler hatte. S. 51, Geo- j folution. Vom kirchlichen Amt ifl die Rede, ehe von
metrie und Aftronomie werden in den Pirqe Aboth ' der Kirche voll und ganz gelehrt werden konnte! Das ift
nicht als Peripherie der Wiffenfchaft, fondern als Bei- [ eine Ungeheuerlichkeit, die am wenigften in einer orga-
werk (Zugemüfe, mB(ti(fOQa) für die Wiffenfchaft bezeich- nifchen, einer fyftematifchen Entwicklung der Lehre vor-

net, f. Geiger, Schriften IV, 344 und Baer in Abodath
Ifrael zu Aboth 3, 23 [nicht 3, 26]. S. 61, dafs Hillel
Holzhauer gewefen fei, wird in den Talmuden nirgends
gefagt, vgl. S. Meyer, Arbeit und Handwerk im Talmud
, Berlin 1878, S. 24.

kommen follte. Der Umftand, dafs in der Auguftana
Art. 5 vor Art. 7 und 8 fteht, entfchuldigt einen fo
fchweren Fehler wahrlich nicht, und was der Verf. felbft
S. 242 ff. ausführt, ebenfowenig. Er bekundet felbft ein
gewiffcs Gefühl dafür, dafs er fich mit feiner Anordnung

Obfchon, wie die vorftehenden Bemerkungen zeigen, i Schwierigkeiten und Ungelegenheiten fchafft. Wie er
nicht untadelhaft, enthält das Schriftchen des Hrn. Simon | aber zu folcher Anordnung gelangt ift, das fieht man,
doch des Intereffanten mancherlei und verdient daher wenn man feine Lehre vom Amt betrachtet und dazu-
die Beachtung Derer, welche fich für den in ihm be- nimmt, was er fpäter über die Lehre der Bekenntnifse

handelten Gegenftand intereffiren.

Die Ausftattung des Büchleins ift vortrefflich. Ueber
die Bedeutung des ,3""' edition1 auf dem Titel wird keine
Auskunft gegeben.

Berlin. Hermann L. Strack.

Billing, Gottfrid, Lutherska Kyrkans Bekännelse. 3 Hefte.
Lund 1876 — 78, Gleerup. (363 S. gr. 8.J 6 Kr(onen).

Dies Werk des Lundifchen Theologen ift nicht eine
Symbolik in dem jetzt geläufigen Sinne des Wortes, es
giebt keine vergleichende Betrachtung der fymbolifchen
Lehre der hauptfächlichften Kirchengemeinfchaften, fondern
befchränkt fich auf dicDarftellungder lutherifchen Kirchenlehre
. Und zwar wird der Verfuch gemacht, diefe in
ihrem innern Zufammenhange darzulegen und ihre Entwicklung
durch die Reihe der lutherifchen Bekenntnifse
hin aufzuweiten. Der Verf. hat lieh eine Aufgabe gefleht
ähnlich wie etwa 1848 G. Thomafius in feiner Schrift:

Das Bekenntnifs der evang. - lutherifchen Kirche in der | von Gott geftiftet fei, zu feinem Rechte. Dies fei ge
Confequenz feines Princips. Die Löfung ift ihm im Gan- 1 meint, wenn in Auguft. Art. 28 von den Verrichtungen
zen gut gelungen. Wefentlich Neues bringt er allerdings ! des Amtes gefagt werde, fie gefchehen jure divino. Kurz,
nicht; er verwendet befonders für das Gefchichtliche die 1 es fteht hier das Amt vor der Gemeinde und weil dies,
Ergebnifse deutfeher Forfcimng und hätte darin vielleicht auch über der Gemeinde, der congregatio sanetorutn, die
zum Nutzen feines Buches noch etwas mehr thun können, i erft durch des Amtes Thun wird, S. 258. Das ift aber

von der Kirche fagt. Diefer wirft er S. 241 und 488 ff.,
wie fchon fo manche Lutheraner beftimmter Richtung
gethan haben, Unvollftändigkeit vor, weil die Bekenntnifse
vom Wefen der Kirche reden und nicht auch die
ganze Befchreibung des gegenwärtigen unvollkommenen
Beftandes derfelben in die Begriffsbeftimmung mitaufnehmen
. Anfätze, die von richtiger Erkenntnifs zeugten,
feien da, aber die Ausführung fehle. Was dann das Amt
betrifft, welches wefentlich Gnadenmittelamt ift, fo kommt
es S. 256 ff. nach dem Verf. eigentlich über die Kirche
zu flehen und ift nicht Amt der Kirche, fondern Amt
und Mittel zur fortwährenden Erzeugung der Kirche.
Nicht: Chriftus ift; in und bei der von ihm geftifteten
Gemeinde und wirkt durch ihren amtlich gefchehenden
Dienft Glauben; fondern: Chriftus ift in den Gnadenmitteln
, zu deren Verwaltung er das Amt geftiftet hat, und
weckt durch diefe Verwaltung der Gnadenmittel den
Glauben, fchafft fortwährend eine Gemeinde der Gläubigen
. Nur fo komme der Satz, dafs das kirchliche Amt

In der Durcharbeitung der Symbole aber zeigt er Selb-
ftändigkeit und geht eigene Wege, freilich nicht immer
ganz die richtigen.

AN die entfeheidende Lehre im lutherifchen Bekenntnifs
erkennt er mit Recht die von der Rechtfertigung.
Aus der Erfahrung der Rechtfertigung aus Gnaden ift
die Reformation erwachfen; diefe Erfahrung klingt in
allen Lehrartikeln wieder durch. Hiernach will der Verf.
demgemäfs auch ordnen. Der erfte Abfchnitt enthält die
Grundlegung und behandelt im 1. Capitel die ,Princi-
pien der lutherifchen Kirche', nämlich das Wefen der
lutherifchen Reformation, das Materialprincip, das Formal-
prineip, das Verhältnifs beider zu einander; im 2. Capitel
die .Stellung der lutherifchen Kirche zur reformirten und
römifchen'; im 3. Capitel die ,fymbolifchen Bücher der
lutherifchen Kirche'. Der zweite Abfchnitt enthält die
Vorausfetzungen der Lehre von der Rechtfertigung
, nämlich a) die trinitarifchen, b) die anthropolog-
ifchen, c) die chriftologifchen, d) die ekklefiologifchen.
Im dritten Abfchnitt endlich wird dieRechtfertigungs-
lehre und ihre Confequenzen behandelt, nämlich:
a) die Rechtfertigung, b) die guten Werke, c) die Prädefti-
nation, d) die Bufse, e) die Kirche, f) Chrifti Wiederkunft. —

Auf den erften Blick tritt Einem hier entgegen, wie
falfch die Lehre von der Kirche geftellt ift. Es gefchieht
das ja auch fonft in Dogmatiken und Symboliken
nicht feiten; aber gerade wenn man dem Werden der

keine lutherifche Lehre mehr, es ift ein Hinübergleiten
auf den papiftifchen Standpunkt. Der Verf. fagt S. 263,
der erfte und Hauptfatz in der Lehre vom Amt fei nach
Auguft. Art. 3: ,Das Amt ift ein Amt Gottes'. In diefem
Bekenntnifspunkte fei das Lutherthum eins mit der römifchen
Kirche. Der Mangel an Uebereinftimmung zeige
fich erft, wenn man nach den Functionen des h. Amtes
frage. Der Haupttrennungspunkt liege darin, dafs die
lutherifche Kirche im Amte vor Allem ein Gnadenmittelamt
fehe, während die römifche es als vermittelndes
Opferamt faffe. Das ift denn doch eine ftarke Verkennung
der lutherifchen Lehre, ein Anfang zum Romani-
firen, vor dem nicht ernft genug gewarnt werden kann.

Erlangen. G. Plitt.

Herrmann, Privatdoc. Lic. W., Die Religion im Verhält-
niss zum Welterkennen und zur Sittlichkeit. Eine Grundlegung
der fyftematifchen Theologie. Halle 1879,
Niemeyer. (XII, 452 S. gr. 8.) M. 9. —

Die neue Schrift fchliefst fich an die frühere des
Verfaffers an: die Metaphyfik in der Theologie, 1876.
Sie fetzt das Bemühen fort, das Band zwifchen Theologie
und Metaphyfik zu löfen. Aber fie will auch beweifen,
dafs darin kein Verzicht liege auf die wiffenfehaftliche
Begründung des chriftlichen Glaubens, auf den dogmati-